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9. Runder Tisch des Helpdesks zu Diversität & Nicht-Diskriminierung

Mit Vertreter:innen der Zivilgesellschaft, der Privatwirtschaft und der Politik, u. a. der Parlamentarischen Staatssekretärin beim BMZ, Dr. Bärbel Kofler, fand am 17. Oktober 2023 der 9. Runde Tisch des Helpdesks Wirtschaft und Menschenrechte zum Thema "Diversität & Nicht-Diskriminierung“ statt. In der Veranstaltungsreihe diskutieren Unternehmen und NGOs Herausforderungen im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte in einem vertraulichen Rahmen. Die 9. Auflage fand in den KfW-Räumlichkeiten in Berlin statt und beleuchtete die Fragen: Wie kann Nicht-Diskriminierung im Rahmen unternehmerischer Sorgfaltsprozesse im eigenen Unternehmen sowie der Liefer- und Wertschöpfungskette umgesetzt werden? Wie blickt die Politik auf die Thematik? Wie setzen deutsche Unternehmen dies praktisch um? Und welche Empfehlungen hat die Zivilgesellschaft? Die Grundlage der Diskussion bildeten eine politische Keynote, zwei Praxisbeispiele aus der Privatwirtschaft und zwei Impulsvorträge aus der Zivilgesellschaft.

Nicht-Diskriminierung als Menschenrecht

Nicht nur die Europäische Menschenrechtskonvention oder die Kernarbeitsnormen der ILO (Abkommen 111), sondern auch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) behandelt das Thema „Verbot der Diskriminierung in der Beschäftigung“. Dies umfasst Aspekte wie die Ungleichbehandlung in Beschäftigung aufgrund von nationaler und ethnischer Abstammung, sozialer Herkunft, sexueller Orientierung, Alter, Geschlecht oder die Zahlung ungleichen Entgelts für gleichwertige Arbeit und noch vieles mehr. Ein Verstoß gegen dieses Verbot stellt ein menschenrechtliches Risiko im Sinne des LkSG dar.

Ein Beispiel: Laut Schätzungen der ILO werden Frauen weltweit im Durchschnitt nach wie vor ca. 20 Prozent schlechter bezahlt als Männer. Dem Global Gender Gap Report 2023 zufolge wird es mehr als 131 Jahre dauern, bis gleiche Bezahlung und gleichberechtigte Teilhabe von Frauen am Arbeitsplatz erreicht sind. Beim 9. Runden Tisch wurde ein intersektionaler Ansatz verfolgt, was bedeutet, dass verschiedene Formen der Diskriminierung gemeinsam betrachtet wurden. Die Veranstaltung hatte den Anspruch, verschiedene Ebenen von Diskriminierungen und ihre Überschneidungen ganzheitlich zusammenzudenken. Dabei wurden die Themen Gleichstellung der Geschlechter, LGBTQI+-Rechte und Anti-Rassismus exemplarisch beleuchtet.

Ein Blick in die Politik: Stärkung der Rechte, Ressourcen und Repräsentanz

Die Parlamentarische Saatsekretärin beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Frau Dr. Bärbel Kofler, eröffnete die Veranstaltung mit einer politischen Keynote und trat im Nachgang in den direkten Dialog mit den Teilnehmenden. „Es ist wichtig, die Vielfalt der Menschen in die Entscheidungsprozesse der Unternehmen zu holen. Wir sollten mehr darüber reden, wie wir menschenwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen umsetzen können. Es geht dabei um eine Veränderung der Praxis, damit Menschen vor Ort profitieren. Dabei kann zum Beispiel die Beratung des Helpdesk unterstützen“, so die Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Kofler. Sie beantwortete Fragen zur Rolle des Privatsektors im Kontext der feministischen Entwicklungspolitik und diskutierte, welche Beiträge Unternehmen für die praktische Umsetzung von Gleichstellung und Vielfalt in globalen Lieferketten leisten können. Im Kern der weltweiten Bewegung für mehr Gerechtigkeit geht es vor allem darum das Potenzial aller auszuschöpfen. Dabei betonte sie die zentrale Rolle von Frauen in der Wirtschaft und in diesem Kontext die Bedeutung der „3 R“:

  • Gleiche Rechte für alle,
  • Gleicher Zugang zu Ressourcen und
  • Gleichberechtigte Repräsentanz von Frauen und anderen benachteiligten Gruppen.

Die Parlamentarische Staatssekretärin forderte, alle Personen mitzudenken, auch die, die nicht adäquat an bestehenden Machtstrukturen beteiligt sind. Ganz konkret sollten daher Frauen, Mädchen und marginalisierte Gruppen als Wissensträger:innen und Entscheidungsträger:innen in ihrer Rolle ins Zentrum rücken.

Gleichstellung der Geschlechter im eigenen Unternehmen

Die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) war vor Ort und stellte ihre Gleichstellungsstrategie vor. Frau Caroline Kremer, Betriebs- und Aufsichtsrätin bei der DEG, berichtete von bisherigen Maßnahmen und offenen Herausforderungen. Der aktuelle Gleichstellungsplan der DEG definiert für die nächsten fünf Jahre verbindliche Zielgrößen für die wesentlichen vier Handlungsfelder Gender Empowerment, Work-Life-Blend, Gender Balance und Gender Pay. Im Gegensatz zu öffentlichen Institutionen ist die DEG nicht verpflichtet, einen solchen Plan aufzustellen. Sie hat sich aber dafür entschieden, ihre Ambitionen in Form von Zielgrößen gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern offen zu legen und regelmäßig über die Fortschritte zu kommunizieren. Für all diese Zielgrößen sind Maßnahmen und Ziele definiert, die zu ihrer Erreichung dienen und Fortschritte messen werden. Hierzu gehören beispielhaft die Identifikation und Förderung von Potenzialkandidatinnen, eine Ausweitung der Transparenz und der Datenbasis in Bezug auf die Vergütungsstruktur, die Werbung für eine verstärkte Inanspruchnahme von Teilzeit von Frauen und Männern in Führungspositionen, die Bildung von Führungstandems und vieles mehr.

Gleichstellung der Geschlechter in der Lieferkette

Auch FEMNET e.V. konzentrierte sich auf das Thema Gleichstellung der Geschlechter – in diesem Fall aber mit dem Schwerpunkt auf der tieferen Lieferkette. Als gemeinnütziger Verein setzt sich FEMNET für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte von Frauen weltweit ein, mit besonderem Fokus auf menschenwürdige, existenzsichernde und sozialgerechte Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie. Zudem macht sich FEMNET aktiv stark für gendersensible Beschwerdesysteme und geschlechtsspezifische Risikoanalysen im Zuge des LkSG und der europäischen Lieferkettenrichtlinie (CSDDD). 

Lavinia Muth von FEMNET machte in Ihrem Vortrag auf die prekäre Lage der Frauen in den Textillieferketten aufmerksam und betonte, dass der Frauenanteil unter den Beschäftigen der Textilindustrie weltweit bei 60 bis 80 Prozent liegt, was einer Anzahl von 60 bis 75 Millionen Textilarbeiterinnen entspricht. Trotz der hohen Repräsentanz im Sektor hob FEMNET hervor, dass Frauen neben den gering bezahlten Jobs oft sexueller Belästigung, Beschimpfungen und Gewalt am Arbeitsplatz ausgesetzt sind. Zudem arbeiten sie häufig in Heimarbeit und im informellen Sektor, um parallel ihre Kinder betreuen zu können, und sind damit oft Ausbeutung und Doppelbelastung ausgesetzt. FEMNET fordert daher konkrete Maßnahmen gegen diese Menschenrechtsverletzungen, z. B. die Anerkennung sexueller und reproduktiver Gesundheit als Teil des Arbeitsschutzes, indem beispielsweise Mutterschaftsurlaub eingeführt, das Stillen während der Arbeitszeit gestattet und sanitäre Anlagen und Hygieneprodukte von Unternehmen zur Verfügung gestellt werden. Unter anderem solle für die Umsetzung z. B. ein verbesserter Zugang zu medizinischer und psychologischer Versorgung für Frauen in Fabriken ermöglicht werden.

LGBTIQ+-Rechte im Unternehmen

Die Berücksichtigung von Nicht-Diskriminierung von queeren Menschen war ein weiteres Thema beim Runden Tisch. Nach Daten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung  erfahren 30 Prozent der befragten queeren Menschen Diskriminierung im Arbeitsleben. Ein Drittel der queeren Menschen ist gegenüber Kolleg:innen nicht geoutet oder geht verschlossen mit ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität um. In einem Unternehmensinput berichtete DATEV von ihrem Engagement für queere Menschen. Frau Dr. Carolin Mehnert, Lead bei der Stabstelle Diversity, Equity and Inclusion bei DATEV, zeigte auf, wie das Unternehmen Nicht-Diskriminierung in allen Bereichen im Unternehmen verankert und wie DATEV queere Mitarbeitende befähigt, eigenständige Projekte umzusetzen. Das Sponsoring für eine Teilnahme am Christopher Street Day, die Unterstützung für ein LGBTIQ+-Netzwerk, die Veröffentlichung eines Ratgebers zu Gender-Transition oder die Unterstützung für Diversity Talks mit Repräsentanz von queeren Menschen wurden beispielhaft genannt. Mit der eigenständigen Stabstelle „Diversity, Equity and Inclusion“ soll mit einem intersektionalen Ansatz Nicht-Diskriminierung für alle Geschäftsbereiche koordiniert und in alle Prozesse integriert werden. Die Stabstelle erfüllt die Aufgabe eines zentralen Ansprechpartners mit spezieller Expertise im Bereich Nicht-Diskriminierung für Mitarbeitende und alle Geschäftsbereiche.

Anti-Rassismus am Arbeitsplatz

Auch Rassismus im Arbeitskontext ist ein wichtiges Thema und wurde als dritter Schwerpunkt beim Runden Tisch beleuchtet. Die Studie „Rassismus im Kontext von Wirtschaft & Arbeit“ von Ernst & Young, die Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland e.V. und Civey macht deutlich, dass 20 Prozent der Befragten schon einmal beobachtet haben, dass jemand an ihrem Arbeitsplatz rassistisch diskriminiert wurde, oder sie haben es dort sogar selbst erlebt. Rund 39 Prozent der Betroffenen gaben an, in diesem Fall nicht zu wissen, an wen sie sich im Unternehmen wenden können, und 59 Prozent der Befragten wünschen sich, dass Unternehmen in der Öffentlichkeit stärker Haltung gegen Rassismus zeigen.

Um Unternehmen dabei zu unterstützen, rassistische Diskriminierung im eignen Unternehmen anzugehen und sich zu diesem Thema zu positionieren, stellte Corina Christen, Geschäftsführerin der Charta der Vielfalt e.V., im Rahmen des 9. Runden Tischs praktische Tools und Methoden vor. Als größte Arbeitgebendeninitiative Deutschlands zur Förderung von Diversität in Unternehmen und Institutionen setzt sich die Charta der Vielfalt für ein vorurteilsfreies Arbeitsumfeld ein. Im Vortrag legte Frau Christen den Schwerpunkt auf die „Online-Toolbox Anti-Rassismus“. Diese hilft Unternehmen dabei, das Thema im Kerngeschäft zu verankern. Die Toolbox bietet Hilfestellungen, um rassistische Denkmuster zu verlernen, Kompetenzen zu bilden, Bewusstsein zu schaffen und Veränderungen anzustoßen.

Key Takeaways

Im anschließenden Panel diskutierten die DEG, DATEV, FEMNET und die Charta der Vielfalt mit den Teilnehmenden über den notwendigen Kulturwandel, um ein vielfältiges Miteinander im Unternehmen zu ermöglichen. Dabei wurde festgestellt, dass ohne einen Wandel der Kultur und Organisation eines Unternehmens, Diversität und Gleichstellung im Unternehmen sowie entlang der Liefer- und Wertschöpfungskette nicht möglich seien.

Zudem diskutierten die Teilnehmenden am Nachmittag in drei Workshop-Gruppen zu den Themen Gleichstellung der Geschlechter, LGBTIQ+-Rechte und Anti-Rassismus. In diesem Rahmen tauschten sich Zivilgesellschaft und Unternehmen offen und praxisorientiert darüber aus, welche Leitlinien es zu den Schwerpunktthemen gibt, wie diese in Sorgfaltsprozesse integriert und umgesetzt werden können, wer die Themen im Unternehmen verantwortet, welche Abteilungen einbezogen werden sollten, wie Risiken in der Lieferkette und im eigenen Unternehmen erkannt werden und welche konkreten Präventions- und Abhilfemaßnahmen gegen Diskriminierung ergriffen werden können.

Alle drei Gruppen stellten fest, dass die Themen nicht losgelöst von einander betrachtet werden können, sondern ein intersektionaler Ansatz erforderlich ist. Es wurde erörtert, dass beispielsweise Grundsatzerklärungen, Code of Conducts und die Anpassung interner Prozesse, z. B. beim Bewerbungsprozess, nützliche Leitlinien und Präventionsmaßnahmen sein können, um Nicht-Diskriminierung und Diversität im Unternehmen zu verankern. Es sei aber wichtig, dass die verschiedenen Grundsätze auch gelebt und in die betrieblichen Prozesse integriert werden. Die verschiedenen Workshop-Gruppen stellten unabhängig voneinander fest, dass es wichtig ist, alle relevanten Geschäftsbereiche in den Sorgfaltsprozess einzubeziehen. Dazu können die Geschäftsführung und Führungskräfte, die Personalabteilung und alle Mitarbeitenden, also auch die direkten Kolleg:innen im Team, gehören. Es wurde deutlich, dass die Umsetzung von Nicht-Diskriminierung das Engagement aller im Unternehmen erfordert.

Um Maßnahmen zur Gleichstellung und zur Vermeidung von Diskriminierung umzusetzen, ist es außerdem besonders wichtig sich über die sprachlichen, kulturellen und familiären Umstände in der Belegschaft bewusst zu sein und den Ist-Zustand genau zu analysieren. Des Weiteren können anonymisierte Befragungen im Unternehmen helfen, um Diskriminierungen zu ermitteln und anschließend konkrete Maßnahmen zu ergreifen – von Schulungen für die eigene Belegschaft, über Dialoge mit Multi-Stakeholder-Initiativen hin zur Einrichtung eines wirksamen Beschwerdeverfahrens, in dem die Interessen und Bedürfnisse aller potentiell Betroffenen entlang der Wertschöpfungsketten miteinbezogen werden (z. B. ein gendersensibles Beschwerdeverfahren).

Praxislotse Wirtschaft und Menschenrechte

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