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Kongo: Eine Zukunft für die Frauen in Süd-Kivu

Gold ist das beliebteste Edelmetall der Welt. Wie der edle Rohstoff in die Juweliergeschäfte gelangt, ist allerdings oft weniger glamourös: Risiko- und konfliktreiche Lieferketten sind eng verbunden mit der Goldproduktion. Um das in der Krisenregion Süd-Kivu in der DR Kongo zu ändern, setzt der Hamburger Goldschmied Thomas Becker auf Frauen als starke Partnerinnen vor Ort. Das Leuchtturm-Projekt zeigt: Mit umweltschonendem Goldabbau, angemessener Bezahlung und geschlechtergerechten Strukturen kann die Goldlieferkette fair gestaltet werden.

„Ich rate Unternehmen, nicht wegzuschauen, die Bergwerke zu besuchen und sich zu hinterfragen: Wie kann ich die Situation der Frauen in dieser Mine verbessern?“ – Thomas Becker

Zentren der Gewalt: Orte mit wertvollen Bodenschätzen

Im Osten der Demokratischen Republik Kongo kommt es seit Mitte der Neunzigerjahre zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Allein zwischen 1998 und 2007 wurden 5,4 Millionen Menschen Opfer gewalttätiger Konflikte. Heute kostet die Gewalt immer noch jeden Monat 45 Tausend Menschen das Leben – dazu befinden sich vier Millionen Menschen im eigenen Land auf der Flucht. Mehr als 50 Prozent dieser Binnengeflüchteten kommen aus den Provinzen Nord- und Süd-Kivu. Frauen leiden oft besonders: Die Vereinten Nationen schätzen, dass seit 1998 im Kongo mindestens 200.000, wahrscheinlich eher 500.000 Frauen, vergewaltigt wurden. Auffällig: Orte mit wertvollen Bodenschätzen bilden die Zentren der Gewalt denn der Kampf um die Kontrolle und Vermarktung der Bodenschätze ist ein Hauptgrund für Krieg, Vertreibung und Vergewaltigung.

Raus aus der Geschlechter-Hierarchie

Auch Thomas Becker bezieht Gold aus dem Kongo. Seit 2016 arbeitet sein Schmuckatelier mit einer Minenkooperative in der kongolesischen Region Süd-Kivu zusammen; seit 2017 besteht ein formaler Vertrag über die Lieferung von sozialverträglich und umweltschonend gewonnenem Gold. Der Weg dahin sei nicht einfach gewesen, erklärt Becker. Die Vertreter der Bergbaukooperative hätten zunächst sehr zurückhaltend auf die Anfrage für ein gemeinsames Projekt reagiert. Denn in der Region hätten die Menschen schlechte Erfahrungen mit Unternehmen, die ausschließlich an der eigenen Gewinnmaximierung interessiert gewesen seien, gemacht. Ausschlaggebend war schlussendlich das Einbeziehen lokaler Würdenträger:innen, wie der Könige und Königinnen der Territorien, sowie die Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen und einer kongolesischen Menschenrechtsanwältin. Sie genoss durch jahrelange Arbeit in der Region ein großes Vertrauen in der Bevölkerung.

Viele Unternehmen stehen vor der Herausforderung, sicherzustellen, dass geschlechtsspezifische Diskriminierung in ihren eigenen Betrieben und Lieferketten nicht vorkommt, auch wenn diese Art der Diskriminierung in sozialen oder kulturellen Normen und sogar in nationalen Gesetzen verankert sein mag. Sie haben Fragen, wie dies gelingen kann? Unser Praxislotse Wirtschaft und Menschenrechte bündelt die wichtigsten Informationen und gibt Unternehmen Umsetzungshilfen an die Hand. 

Bei seinen ersten Besuchen in kongolesischen Minen war Becker immer wieder mit einem ähnlichen Bild konfrontiert. Es herrschte eine strenge Hierarchie, die Minenarbeiterinnen waren strukturell benachteiligt: „Frauen dürfen in der Regel die Stollen nicht betreten, arbeiten draußen, zerkleinern das Material, sorgen für den Transport der Erze, erhalten weniger Lohn.“ Beim Kongo-Projekt ist das anders: Frauen in Beckers Partner-Mine erhalten eine offizielle „Digger card“, sind den männlichen Kollegen gleichgestellt. Ohne diese Schürflizenz waren sie in der Vergangenheit oft der Willkür der Bergmänner ausgesetzt. Auch eine bessere Ausrüstung und eigene Rückzugsräume für Minenarbeiterinnen verbesserten die Arbeitsbedingungen. Außerdem wurde ihr Lohn verdoppelt, um die Einkommen der Minenarbeiterinnen an die der Männer anzugleichen. Zwei Nichtregierungsorganisationen, die mit dem Projekt kooperieren, überzeugen sich regelmäßig davon, dass die Vereinbarungen eingehalten werden. Die Umsätze aus dem Goldverkauf sollen sowohl Bergleuten als auch Umwelt und Kommune zugutekommen. Dafür zahlt Becker einen Aufpreis für den Verzicht auf Quecksilber und andere chemische Hilfsmittel. Damit nicht nur Minenarbeiter:innen von dem Projekt profitieren, fließt ein weiterer Anteil in lokale Infrastrukturmaßnahmen – bei allen Aktivitäten hat das Projekt auch die regionale Entwicklung außerhalb des reinen Bergbausektors im Blick.

Fairer Lohn, gute Ausrüstung für die Arbeiter:innen in den Minen, Investitionen in Umweltschutz und Infrastruktur: Ist der Handel mit Gold so überhaupt wirtschaftlich? „Ja“, sagt Thomas Becker. Die Erfahrung habe gezeigt: Abnehmer:innen für das nachhaltig gewonnene Gold zu finden, ist kein Problem. Gerade Käufer:innen im hochwertigen Schmucksegment würden ohnehin großen Wert auf ethisch und ökologisch einwandfreie Produktionsprozesse legen. Der Aufpreis, den er für die umwelt- und sozialverträgliche Herstellung seines Schmucks berechne, spiele für seine Kundschaft quasi keine Rolle, so Becker. Für die Menschen vor Ort macht er einen großen Unterschied.

Alternative zur Arbeit in den Minen

Das ist auch nötig, denn langfristige Perspektiven bietet die Beschäftigung in den Minen nicht. Becker erzählt: „Ich habe viele Frauen kennengelernt, die sagten: Wenn ich die Möglichkeit hätte, würde ich lieber etwas Anderes machen.“ Eine Alternative: Der Weg in die Selbstständigkeit mithilfe von Mikrokrediten. In diesem Kontext arbeitet Becker mit der Menschenrechtsorganisation Namulisa ASBL zusammen. Sie leitet die Menschen vor Ort – hauptsächlich Frauen – an, Spar- und Kreditgemeinschaften zu gründen, um sich gegenseitig finanziell zu helfen. Mittlerweile haben sich schon in vier Dörfern solche Genossenschaften gegründet. Die Mitglieder erhalten finanzielle Unterstützung zur Gründung eines Kleinstunternehmens. Sie züchten Ziegen, Kaninchen oder Geflügel, bauen Gemüse an oder handeln mit Zucker, Salz und Gewürzen. Damit generieren sie ein eigenes Einkommen, werden finanziell unabhängig und tragen zur besseren Lebensmittelversorgung in der Region bei.

Geschlechtergerechtigkeit in den Fokus rücken

Bei seiner Initiative für umwelt- und sozialverträglichen Goldabbau, dem „Kongo-Projekt“, hat sich Becker schon früh für Frauen als zentrale Kooperationspartnerinnen entschieden. Warum? „Ganz generell ist in der Entwicklungsarbeit bekannt, dass Frauen wesentlich bessere Partnerinnen sind als Männer“, so Becker. Tatsächlich gelten Frauen als besonders wirksame Kooperationspartnerinnen, wenn es darum geht, Veränderungsprozesse anzustoßen. Das liegt zunächst an der Tatsache, dass Frauen vielerorts das Überleben von Familien wirtschaftlich sichern und Dreh- und Angelpunkt für das soziale Miteinander sind. Gleichzeitig werden Frauen jedoch immer noch in allen Gesellschaften strukturell diskriminiert – was sich auch oft am Arbeitsplatz zeigt. Um ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht entlang der Lieferkette nachzukommen, sollten Unternehmen Geschlechtergerechtigkeit also im Blick behalten – speziell bei risikoreichen Rohstoffen wie Gold.

Ein Vorbild für andere Regionen?

Könnte das Projekt in Süd-Kivu also auch als Vorbild für andere Regionen dienen? „Grundsätzlich ja“, sagt Thomas Becker. „Das war natürlich der Grundgedanke. Wenn das Ganze läuft, dann hole ich auch Goldschmiede-Kollegen oder die Schmuckindustrie mit ins Boot.“ Ein großes Problem ist aber der sichere Export von Gold aus dem Kongo. Neben Sanktionen stehen extrem gefährliche Transportwege einem Ausbau des Projekts im Weg. Erst durch stabile und legale Lieferketten kann der Goldabbau so umstrukturiert werden, dass alle Beteiligten profitieren. Umso wichtiger sind Initiativen wie das Projekt in Süd-Kivu. Anderen Unternehmen empfiehlt Becker: „Unternehmen, die sich in afrikanischen Ländern engagieren wollen, brauchen Übersetzer:innen – nicht nur sprachliche, sondern auch kulturelle. Um von den Menschen hier ernstgenommen zu werden, müssen sie Vertrauen entwickeln. Ansonsten rate ich Unternehmen, nicht wegzuschauen, die Bergwerke zu besuchen und sich zu hinterfragen: Wie kann ich die Situation der Frauen in dieser Mine verbessern?“

Das Kongo-Projekt von Goldschmied Thomas Becker wird auch als Praxisbeispiel auf der Website des Praxislotsen Wirtschaft und Menschenrechte vorgestellt. Dort finden Sie weitere Informationen und Links zu dem Projekt sowie Umsetzungshilfen zum Thema Gleichstellung der Geschlechter.

Helpdesk Wirtschaft und Menschenrechte
Am Weidendamm 1A
D-10117 Berlin
+49(0)30 590 099-430

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