Covid-19 und die Umsetzung des Nationalen Aktionsplans (NAP)
Die Corona-Pandemie stellt viele Unternehmen und deren Lieferketten vor große Herausforderungen – der Fokus Menschenrechte kann dabei die Resilienz von Lieferketten stärken. Doch was können Unternehmen tun, um menschenrechtliche Sorgfaltsprozesse in den Lieferketten zu verankern? Der Helpdesk Wirtschaft und Menschenrechte zeigt Ihnen, welche Vorteile die Umsetzung des NAP in und nach der Krise hat.
Gesetzliche Regulierungen – ein Trend in Krisenzeiten
Der Helpdesk Wirtschaft und Menschenrechte der Bundesregierung unterstützt deutsche Unternehmen, den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) in ihr Alltagsgeschäft zu integrieren, um so Menschenrechts-, Umwelt- und Sozialstandards in den Lieferketten, insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern, zu verankern.
Die Anforderungen an Unternehmen wuchsen weltweit bereits vor Covid-19 und einige Länder haben in den letzten Jahren gesetzliche Regelungen verabschiedet: So trat im Sommer 2019 in den Niederlanden ein Gesetz in Kraft, das Bußgelder vorsieht, wenn ein Unternehmen Kinderarbeit in seiner Lieferkette zulässt („Child Labour Due Diligence Law” bzw. „Wet Zorgplicht Kinderarbeid”). Dieser regulatorische Trend verstärkt sich durch die Pandemie.
Aber auch andere Trends, wie z. B. die Nachhaltigkeitsberichterstattung und Investitionen in nachhaltige Finanzprodukte (sogenannte „ESG-Investments“), verstärken sich. Durch die radikale Marktveränderung in Zeiten von Covid-19 wissen viele Unternehmen nicht, wie sie mit der Situation umgehen sollen – es herrscht Unklarheit und auch Orientierungslosigkeit.
Was macht die Krise mit uns?
Wie eine Lupe bringt die Krise Risiken und Anfälligkeiten in Lieferketten ans Licht. So werden vulnerable Gruppen (z. B. Wanderarbeiter) in den Lieferketten sichtbar und beeinflussen wichtige Geschäftsaktivitäten von Unternehmen – auch am Anfang der Lieferkette. Ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, dass es in China eine Jeansfabrik gibt, die vor der Corona-Krise keine Gesundheitsschutzmaßnahmen beim Färben der Jeans vorgenommen hat. Dabei sind Handschuhe und Atemmasken die klassischen Gesundheitsschutzausrüstungen für die Arbeiter. Da diese Schutzutensilien bereits vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie fehlten, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sie auch in Zeiten der Pandemie nicht vorhanden sein werden. Demnach sind die Produktionsarbeiter dem Virus mit einem hohen Risiko ausgesetzt. Eine mögliche Folge: die Schließung der Fabrik. Das bedeutet möglicherweise auch für deutsche Unternehmen den Ausfall eines Lieferanten.
Wie kann die Umsetzung des Nationalen Aktionsplans in der Krise helfen?
Der Nationale Aktionsplan besteht aus fünf Kernelementen. Das zweite Kernelement befasst sich mit der Risikoanalyse, das dritte Kernelement zeigt mögliche Maßnahmen für Unternehmen auf. Mit der Risikoanalyse spüren Unternehmen mögliche menschenrechtliche Risiken in den Lieferketten auf, bewerten diese und können sie mit passenden Maßnahmen mindern.
Welche Vorteile hat die Umsetzung des NAP?
Der Zeitstrahl veranschaulicht die verschiedenen Phasen von Beginn der Krise bis zum Ende der Krise und zeigt, wie Unternehmen von der Umsetzung des NAP in und nach der Krise profitieren können:
- Zu Beginn der Krise gibt es eine Disruption bzw. einen Schock, der viele Unternehmen vor große Herausforderungen stellt.
- Während der Krise sollten – je nach Möglichkeit – die Schwachstellen ermittelt und verhältnismäßige Maßnahmen ergriffen werden.
- So lassen sich die Lieferketten in der Erholungsphase mobilisieren.
- Nach der Krise hat das Unternehmen eine resilientere Lieferkette und profitiert von diesem Wettbewerbsvorteil.
Zusammengefasst bietet der NAP für Unternehmen in der Krise die Möglichkeit zur systematischen Analyse der Anfälligkeiten und damit bessere Planbarkeit. Unternehmen können die durch Covid-19 verursachten Risiken (z. B. bei Reputation und Regulatorik) abfedern. Vor allem aber stärken sie auf diese Weise ihre Lieferketten, wenn sie Menschenrechte nicht als kurzfristigen Kostenfaktor, sondern als langfristige Investition in die Resilienz ihrer Lieferketten wahrnehmen.
Die Umsetzung des zweiten und dritten Kernelements des NAP hilft Unternehmen dabei, die Risiken zu analysieren und entsprechende Maßnahmen umzusetzen, sodass menschenrechtliche Sorgfaltsprozesse in den Lieferketten verankert sind.
Was steckt hinter dem NAP-Kernelement II: Die Risikoanalyse?
Die Risikoanalyse lässt sich in drei Schritte gliedern:
- Im ersten Schritt werden die Risiken identifiziert: die potenziellen Risiken werden mittels Annäherung bestimmt. Dies kann u. a. mit dem Tool CSR-Risiko-Check erfolgen. Aus dem Ergebnis lassen sich dann die tatsächlichen Risiken in der konkreten Lieferkette herausfiltern.
- Im zweiten Schritt werden die Risiken bewertet. Das heißt, die im ersten Schritt identifizierten Risiken werden in einer Matrix dargestellt (z. B. Wesentlichkeitsanaylse). In ihr werden zum einen die menschenrechtlichen Auswirkungen und zum anderen deren Relevanz für das Unternehmen betrachtet.
Bezogen auf das Beispiel der chinesischen Jeansfabrik:
Werden die 1) menschenrechtlichen Auswirkungen des mangelnden Gesundheitsschutzes ebenso wie die 2) Relevanz für das Unternehmen als hoch eingestuft, lässt sich daraus ein sehr hohes tatsächliches Risiko schlussfolgern (siehe Abbildung). Der NAP spricht von einem „hohen Risiko“, wenn es sowohl eine große Anzahl an Betroffenen als auch nicht abschätzbare und irreversible Folgen gibt – wie im Beispiel der chinesischen Jeansfabrik. Wichtig ist hierbei die Betrachtung aus Sicht der von den menschenrechtlichen Auswirkungen Betroffenen, also z. B. der Mitarbeiter.
- Im dritten Schritt der Risikoanalyse sollten jene Risiken vertieft geprüft werden, die als hoch eingestuft wurden. Dabei soll vor allem die unzureichende Informationslage nicht abschätzbarer Folgen aufgeklärt werden, z. B. anhand von Interviews. Um die analysierten Risiken angehen und mindern zu können, müssen entsprechende Maßnahmen ergriffen werden.
Was bedeutet das NAP-Kernelement III – Maßnahmen?
Das dritte Kernelement „Maßnahmen umsetzen & Wirksamkeit prüfen“ wird im Rahmen der Covid-19-Krise in drei Kategorien unterteilt – dies hängt allerdings vom Unternehmenskontext und den Möglichkeiten ab, Maßnahmen überhaupt durchführen zu können:
- Im ersten Schritt betrachtet man die allgemeinen Maßnahmen im Sinne grundlegender Resilienzfaktoren, um das Themenfeld zu unterteilen. Dazu gehören EHS-Systeme, Krisenmanagement und Netzwerke vor Ort.
- Im zweiten Schritt geht es um die Kommunikation der Maßnahmen, wobei Partizipation und Transparenz von großer Bedeutung sind. Hier ist es wichtig, die aktuellen Veränderungen und Krisenpläne an die Stakeholder zu kommunizieren und mit ihnen zu diskutieren. Denn besonders in der Krise erwarten Stakeholder mehr Transparenz und Berichterstattung zu Nachhaltigkeit und Menschenrechten. Außerdem ist ein Austausch mit Unternehmen aus Branchenverbänden und Netzwerken sinnvoll, da diese Unternehmen wahrscheinlich vor den gleichen Herausforderungen stehen. Dabei können Synergieeffekte wirken, z. B. wenn gebündelte Maßnahmen ergriffen werden.
- Der dritte Schritt behandelt die Maßnahmen zum Thema Bestellungen. Sind im Falle unserer chinesischen Jeansfabrik die Lieferwege unterbrochen, sollte man sich eine neue Produktionsstätte suchen. Damit diese neuen Lieferanten nicht die gleichen Risiken aufweisen wie die bereits Betroffenen, sollte man bei der Verpflichtung neuer Lieferanten im Vorfeld auf menschrechtliche Sorgfaltsprozesse achten.
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