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„Globale Herausforderungen können wir nur gemeinsam bewältigen“

Foto Daniel Schönwitz

Der Volkswirt, Wirtschaftsjournalist, Kolumnist und Publizist Daniel Schönwitz schreibt als freier Autor für Medien wie das Manager Magazin, die WirtschaftsWoche oder die GermanBoardNews. Mit ihrem im November 2020 erschienenen Buch „Afrika First! Die Agenda für unsere gemeinsame Zukunft“ plädieren Martin Alexander Schoeller und Daniel Schönwitz für einen Neustart der Europäischen Handels- und Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika. Was der Co-Autor Daniel Schönwitz Unternehmen rät, die sich für mehr Zusammenarbeit in Afrika interessieren, erfahren Sie im Interview.

AWE: Herr Schönwitz, was hat Sie zu „Afrika First!“ bewegt und welche Botschaft trägt der Ausdruck?  

Daniel Schönwitz: Der Titel ist durchaus als ironischer Seitenhieb auf „America-First“-Apologeten wie Donald Trump gedacht. Wir sagen: Dieses Denken führt in eine Sackgasse, weil wir globale Herausforderungen nur gemeinsam bewältigen können. Und Europa muss sich dabei jetzt insbesondere dem Nachbarkontinent Afrika widmen. „Afrika First!“ ist also keine nationalistische Parole, sondern der leidenschaftliche Aufruf zweier überzeugter Europäer, Afrika ganz nach oben auf die politische Prioritätenliste zu rücken.

AWE: Afrika und Europa wird von Ihnen als Schicksalsgemeinschaft bezeichnet. Was meinen Sie damit? Inwieweit sollte europäisches Engagement in Afrika auch ein Eigeninteresse der Europäer darstellen?

Schönwitz: Spätestens seit der Flüchtlingskrise sollte jedem klar sein: Afrikas Probleme sind auch unsere Probleme. Nur wenn es unseren Nachbarn besser geht, kann es uns in Zukunft gut gehen. Das Afrika-First-Konzept zielt aber auf weit mehr als die Vermeidung von Fluchtursachen ab: Wir wollen das europäische Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell im geopolitischen Systemwettbewerb stärken, die Basis für einen gemeinsamen Wirtschaftsraum legen und zusammen den globalen Klimaschutz vorantreiben. 
Afrika und Europa haben gemeinsame Interessen. Gerade die Exportnation Deutschland würde enorm von einem nachhaltigen Aufschwung in Afrika profitieren. Der Kontinent birgt vielfältige Chancen auch für hiesige Unternehmen.

AWE: Sie plädieren für eine europäische Seidenstraße nach Afrika. Inwieweit können europäische Unternehmen beim Infrastrukturaufbau mit China konkurrieren?

Schönwitz: Bisher leider nicht, weil chinesische Baufirmen oft schnelle und unbürokratische Finanzierungspakete mitliefern. Aber derzeit wächst in Afrika die Skepsis gegenüber Kreditofferten aus China, weil immer deutlicher wird, dass Peking vor allem eigene Ambitionen verfolgt. Das äußert sich in restriktiven Kreditauflagen und in der Tatsache, dass vor allem chinesische Firmen zum Zug kommen. Für Europa ist das eine große Chance, mit fairen Finanzierungsangeboten dagegenzuhalten. Davon könnten dann auch europäische Unternehmen profitieren. Denn bei der Auftragsvergabe käme es dann verstärkt darauf an, ob sich Unternehmen langfristig in Afrika engagieren, Jobs vor Ort schaffen und mit lokalen Partnern kooperieren.     

Foto Daniel Schönwitz
Daniel Schönwitz ist Wirtschaftsjournalist, Kolumnist und Publizist in Düsseldorf.

AWE: Wie bewerten Sie die bisherigen Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika und welche Erkenntnisse wurden in den letzten Jahren gewonnen?

Schönwitz: Der Marshallplan mit Afrika von Gerd Müller ist ein historischer Paradigmenwechsel: Deutschland und die G-20 verteilen keine Almosen mehr mit der Gießkanne, sondern unterstützen gezielt Reformländer. Jetzt gilt es, dieses Prinzip konsequent umzusetzen, damit nicht weitere Milliarden ohne nachhaltigen Effekt verpuffen. Außerdem müssen wir den Infrastruktur-Aufbau ins Zentrum der Entwicklungspolitik rücken, um unternehmerisches Engagement zu fördern und eine nachhaltige Wachstumsdynamik auszulösen. Martin Schoeller und ich sprechen von einem „Marshallplan Plus“.

AWE: Welche Möglichkeiten gibt es im Augenblick für private Investoren in Afrika und welche Chancen eröffnen sich für die deutsche Wirtschaft?

Schönwitz: Angesichts einer jungen Bevölkerung und eines erheblichen Nachholbedarfs in Sachen Infrastruktur hat Afrika das Zeug, das nächste China zu werden. Autokonzerne investieren deshalb verstärkt in den Reformländern des Kontinents – und verringern damit zugleich die Abhängigkeit vom chinesischen Markt. Das zeigt: Ein Engagement in Afrika bietet nicht nur die Chance, die Präsenz auf den Wachstumsmärkten der Zukunft zu stärken – Unternehmen können sich zudem global breiter aufstellen und ihre Lieferketten stabilisieren.

AWE: In welchen afrikanischen Ländern und Branchen steckt für deutsche und europäische Investoren aus Ihrer Sicht das größte, unerkannte Potential?

Schönwitz: Reformstaaten wie Ghana, Senegal, Togo und Ruanda sind aus unserer Sicht auf einem sehr guten Weg. Das birgt vielfältige Chancen für Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen weit über Automotive und Infrastruktur hinaus. Besonders hervorzuheben ist hier sicher die Solarenergie, weil in den kommenden Jahren massiv in erneuerbare Energien investiert wird – auch mit deutscher und europäischer Unterstützung.

AWE: Auf welcher Grundlage kann ein nachhaltiges und integratives Investitionswachstum realisiert werden?

Schönwitz: Im Afrika-First-Konzept bringen wir zwei Faktoren zusammen: Wir wollen durch Infrastruktur-Aufbau eine starke Wachstumsdynamik auslösen – und zugleich sicherstellen, dass Wachstum auch bei den Armen ankommt. Deshalb plädieren wir dafür, in der Entwicklungszusammenarbeit neben rechtsstaatlichen und marktwirtschaftlichen auch soziale Reformen zu fördern.  Martin Schoeller sagt schon seit langem: Afrika braucht die Soziale Marktwirtschaft mit fairen Löhnen und sozialen Netzen. Das wäre übrigens kein Nullsummenspiel nach dem Motto „den Reichen nehmen, den Armen geben“, sondern ein weiterer Wachstumstreiber. Denn unter Abgesicherten steigt die Bildungs- und Investitionsbereitschaft, vom Konsum ganz zu schweigen.

AWE: Ihr Buch geht zuletzt auch auf das vorbelastete Bild Afrikas aus deutscher Sicht ein. Was erwidern sie Denjenigen, die von den wirtschaftlichen Möglichkeiten überzeugt sind, aber vor erdenklichen politischen Risiken, wie Korruption und politischen Unruhen, zurückschrecken? Was empfehlen sie den Unternehmen, die sich für die afrikanischen Länder interessieren?

Schönwitz: Leider sehen viele Afrika noch immer pauschal als Kontinent der Krisen, Kriege und Katastrophen – und übersehen dabei die vielen Lichtblicke und positiven Entwicklungen, auch im Kampf gegen die Korruption. Inzwischen ist gut erforscht, wie es zu dieser systematisch verzerrten Wahrnehmung kommt. Ich kann deshalb jedem Entscheider nur empfehlen, neben „Afrika First“ auch das Buch „Factfulness“ von Hans Rosling zu lesen.   

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