„Gute Ausbildung ist ein Wettbewerbsvorteil“
Auf die Menschen kommt es an: Unternehmen brauchen gut ausgebildetes Personal, nicht nur in Deutschland, sondern auch an ihren Auslandsstandorten – daran wird auch die Krise nichts ändern. Almuth Dörre, AWE-Expertin für Bildung und Qualifizierung, über Unterstützungsangebote, Netzwerke als Türöffner und besondere Herausforderungen der Pandemie.
Der Zugang zu Bildung ist für viele Kinder und Jugendliche in Entwicklungs- und Schwellenländer begrenzt. Im Jahr 2017 besuchten laut Weltbildungsbericht weltweit rund 61 Millionen Jugendliche nach Abschluss der Grundschule keine weiterführende Schule. Mehr als 138 Millionen Jugendliche und junge Erwachsene hatten keine Möglichkeit, die Hochschulreife oder einen berufsqualifizierenden Schulabschluss zu erreichen. Rund 102 Millionen Jugendliche über 15 Jahren und 750 Millionen Erwachsene können nicht lesen und schreiben – fast zwei Drittel von ihnen sind Frauen.
Auch das System der Beruflichen Bildung ist in Entwicklungs- und Schwellenändern weniger entwickelt. Die von deutschen Unternehmen nachgefragten Ausbildungsberufe existieren dort nicht immer – und selbst wenn, unterscheiden sich die Curricula von denen in Deutschland. Die Unternehmen müssen also oft umfassend nachschulen, um überhaupt sicherzustellen, dass die Auszubildenden ausbildungsfähig sind.
Ein Grund dafür: Berufliche Bildung wird in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern als Aufgabe des Staates gesehen. Die lokale Wirtschaft erwartet in der Regel, dass staatliche Ausbildungszentren die Ausbildung übernehmen. Den Ausbildenden dort fehlt aber oft die praktische Erfahrung: Qualifizierte Ausbildende zu finden ist eine Herausforderung.
Dazu kommt das schlechte Image, das berufliche Bildung in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern im Vergleich zur Hochschulbildung hat. Dabei gibt es gerade in diesen Ländern mit ihren rasant wachsenden Metropolen einen hohen Bedarf an kompetenten Fachkräften, vor allen Dingen im Handwerk.
Netzwerke als Türöffner
Deutsche Unternehmen, die in einem Entwicklung- oder Schwellenland Fach- und Führungskräfte ausbilden wollen, sollten sich schon früh mit den Gegebenheiten vor Ort vertraut machen, zum Beispiel indem sie Kontakt zu anderen deutschen Unternehmen dort suchen. So bekommen sie einen Eindruck von den Gegebenheiten vor Ort.
Beratungsangebote finden Unternehmen außerdem bei lokalen Institutionen und den deutschen Vertretungen in dem Zielland. Neben den Auslandshandelskammern (AHK) kann auch das Netzwerk der deutschen Entwicklungszusammenarbeit ein Türöffner sein. Wir beraten Sie gern dazu, wen Sie vor Ort ansprechen können.
Individuelle Lösungen
Wie Sie am besten vorgehen, hängt von vielen Faktoren ab: zum Beispiel von der Größe des Unternehmens, der Branche und der Art des Standorts. Große Unternehmen, die personell und finanziell besser ausgestattet sind, können die Qualifizierung von Fachkräften eher in eigener Regie durchführe, kleinere Unternehmen sind viel stärker auf Kooperationspartner vor Ort angewiesen. Auch die Branche und die Komplexität der auszuführenden Tätigkeiten machen einen Unterschied. An einem Vertriebsstandort sind eher kaufmännische Kenntnisse gefragt, an Produktionsstandorten technische Berufe.
Außerdem spielen die bildungspolitischen Rahmenbedingen am Auslandsstandort eine Rolle. Besonders bei dualen Berufsausbildungen ist eine Kooperation mit lokalen Institutionen nötig, die an unterschiedlichen Standorten oft sehr unterschiedlich aufgestellt sind.
Unterstützungsangebote für Unternehmen
Ein Erfahrungsaustausch mit und in etablierten Unternehmensclustern hilft, Fehler zu vermeiden. Die AHKs sind hier ein wichtiger Partner. Sie können bei der Etablierung der Ausbildung nach deutschen Standards unterstützen, zum Beispiel bei der Bewerberauswahl helfen und AHK-Zertifikate vergeben. An die AHKs mit ihrem Beratungs- und Unterstützungsangebot angedockt sind auch die sogenannten ExperTS und die Berater des Business & Cooperation Desks, die als Ansprechpartner für Unternehmen zur Verfügung stehen.
Es gibt noch mehr Instrumente, die Unternehmen bei der Ausbildung vor Ort unterstützen können: Wir als Agentur für Wirtschaft und Entwicklung helfen Ihnen dabei, die passenden zu finden und auch die Chancen der Entwicklungszusammenarbeit zu nutzen.
Dabei beraten wir nicht nur, sondern engagieren uns auch: Zusammen mit dem VDMA haben wir die Initiative „Fachkräfte für Afrika“ entwickelt, die gemeinsam mit lokalen Partnern Fachkräfte aus- und weiterbildet und sich dabei an den Bedürfnissen der lokalen Industrie orientiert.
Digitalisierung und gleichberechtigte Partnerschaft
Die Digitalisierung spielt überall eine immer wichtigere Rolle – auch in der Ausbildung. Gerade für Entwicklungs- und Schwellenländer bieten neue Technologien und Formate hervorragende Möglichkeiten der Wissensvermittlung. Ein Beispiel: Das niederländischen IT-Unternehmen Competa IT B.V. schult Softwareentwickler in Kenia in modernen Methoden und Standards der IT-Branche. In Kooperation mit kenianischen IT-Unternehmen entwickelten die Niederländer ein Trainingsprogramm: Per Video-Chat tauschen sich Softwareentwickler der lokalen Partner mit ihresgleichen in den Niederlanden aus und arbeiten an gemeinsamen Projekten. Gefördert wird das Trainingsprogramm als Entwicklungspartnerschaft im Rahmen des develoPPP-Programms.
Ein weiterer Trend, der zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist die Vernetzung in gleichberechtigten Partnerschaften. Fach- und Führungskräfte aus Deutschland und Europa wollen auch von ihren Kollegen aus Entwicklungs- und Schwellenländern lernen. Schlüssel dafür sind der persönliche Kontakt und gegenseitiges Verständnis. Beides sind wichtige Voraussetzungen dafür, passgenaue Lösungen finden zu können – und das nicht nur im Bildungsbereich, sondern generell, wenn es um Innovationen geht. Ein Beispiel ist die Initiative AFRIKA KOMMT!, die durch qualifizierten Austausch deutsche Unternehmen dabei unterstützt, sich Märkte in Afrika zu erschließen. Junge Führungskräfte aus afrikanischen Ländern sammeln Arbeitserfahrung in deutschen Unternehmen und bringen Innovation und Diversität in die Unternehmen. So entstehen langfristige Geschäftskontakte.
Das gute Image, das „Made in Germany“ in der Welt hat, lässt sich auch wesentlich auf hervorragend ausgebildete Fachkräfte zurückführen. Zusätzliches Engagement deutscher Unternehmen für die Ausbildung an ihren Standorten in Entwicklungs- und Schwellenländern zahlt sich also aus – und bringt den Unternehmen langfristig einen deutlichen Wettbewerbsvorteil.
Veröffentlicht am