Digitalisierung als Chance: Lateinamerika und der Klimawandel
Das Internet of Things und künstliche Intelligenz ermöglichen als technologische Meilensteine auch innovative und effiziente Lösungen im Kampf gegen den Klimawandel. Die Länder Lateinamerikas und der Karibik (LAC) haben sich der Bekämpfung des Klimawandels durch fortschrittliche Informations- und Kommunikationstechnologien angenommen und sind damit äußerst erfolgreich.
„Gepaart mit einer Zusammenarbeit von Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft birgt der Einsatz moderner digitaler Technologien großes Potenzial, nachhaltige Lösungen zu entwickeln und die Auswirkungen der Klimakrise zu verringern.“ – berät Karla Luzette Beteta Brenes, Regionalexpertin Lateinamerika der Agentur für Wirtschaft und Entwicklung (AWE).
Laut der Inter-American Development Bank (IDB) lebt in Lateinamerika 80 Prozent der Bevölkerung in Städten, in Argentinien sind es 92 Prozent und in Uruguay sogar 95 Prozent. Die Region zählt somit zu einer der am stärksten urbanisierten Gegenden der Welt. Diese städtischen Zentren sind führend bei der Einführung von IKT- und Mobiltechnologielösungen zur Bekämpfung des Klimawandels und stehen vor der Herausforderung, Dienstleistungen für die wachsende Zahl von Menschen bereitzustellen sowie den Zugang zu sauberer Luft, Wasser, Verkehr, Strom, Abfall- und Abwasserentsorgung zu gewährleisten. Der Klimawandel verschärft dieses Problem. Infolgedessen suchen Städte von Medellin in Kolumbien über Buenos Aires in Argentinien bis Curitiba in Brasilien nach intelligenten Lösungen und setzen diese auch um.
Urbane Lösungen durch Mobilfunkbetreiber und Informations- und Kommunikationstechnologien
Beispielhaft dafür werden durch digitale Technologien effizientere Verkehrsnetze konzipiert, die eine widerstandsfähigere Infrastruktur schaffen und die Einrichtung intelligenter Energienetze ermöglichen.
In ganz Lateinamerika ergreifen auch Mobilfunkbetreiber Initiativen, um die Auswirkungen des Klimawandels zu bekämpfen. So wurden beispielsweise intelligente Messsysteme für die Verwaltung von Wassernetzen in Chile eingeführt oder für Anwendungen, die Landwirten in Kolumbien und Honduras intelligente Klimaentscheidungen ermöglichen. Auch bei der Verwaltung von Elektroschrott in Mexiko waren digitale Lösungen von Relevanz.
Die Anwendung der IKT wird von Mobilfunkbetreibern in Lateinamerika auch in den Bereichen der intelligenten Wasserzählung, der Echtzeitüberwachung der Luftverschmutzung und der Optimierung von Verkehrssystemen vorangetrieben. Auch die Entwicklung intelligenter Stromnetze und die effiziente Integration erneuerbarer Energiequellen in bestehende Netze ist ein wichtiges Thema.
Beispiel: In Brasilien hat ein Pilotprojekt eines Mobilfunkbetreibers eine intelligente End-to- End Energielösung für Gebäude entwickelt, die den Energieverbrauch in Echtzeit misst und die Fernsteuerung von Beleuchtungs- und Klimaanlagen in Gemeinschaftsbereichen ermöglicht.
Smarte Technologien für eine klimaresistente Landwirtschaft
Die Landwirtschaft ist einer der wichtigsten Arbeitgeber in der Region. Laut IDB sind in ländlichen Gebieten 54,6 Prozent der Arbeitskräfte in der landwirtschaftlichen Produktion tätig. Zu den wichtigsten Hindernissen für die Landwirte gehören die weltweit niedrigsten Produktivitätsniveaus, die geringe finanzielle Eingliederung und die mangelnde Widerstandsfähigkeit gegenüber externen Schocks, wie zum Beispiel durch den Klimawandel und die globale COVID-19-Pandemie verursacht. Auch hier werden digitale Innovationen eingesetzt, um zur Entwicklung einer Präzisionslandwirtschaft beizutragen und die großen Herausforderungen des Agrarsektors zu bewältigen.
In einer Region, die stark von landwirtschaftlichen Aktivitäten abhängt, haben Lösungen für eine klimafreundliche Landwirtschaft den lateinamerikanischen Erzeugern mehr Wissen für eine effektivere Entscheidungsfindung in Bezug auf ihre Praktiken verschafft. Die hohe und wachsende Zahl der Abonnenten solcher Technologiedienste trägt dazu bei, einen echten und bedeutenden Wandel im Bereich der klimaresistenten Landwirtschaft voranzutreiben.
Als Beispiel für die nachhaltige Nutzung des digitalen Wandels in der Landwirtschaft kann das Climate Smart Agriculture (CSA) Projekt, durchgeführt vom CGIAR Research Program on Climate Change, Agriculture and Food Security genannt werden.
Das Ziel dieses Projekts ist es, lateinamerikanische Landwirte, ländliche Beratungsdienste und landwirtschaftliche Organisationen mit digitalen Werkzeugen zu unterstützen, um mittel- und langfristig die Herausforderungen des Klimawandels zu bewältigen. Insbesondere geht es um die Verwendung von Metriken, die die Kohlenstoffemissionen und die Wassernutzungseffizienz von Agrarsystemen widerspiegeln.
Wie das BMZ in der Region unterstützt
Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH unterstützt im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) das Kooperationsprogramm „Inklusive und nachhaltige Städte gestalten“ in Zusammenarbeit mit der UN Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (ECLAC). Dabei steht die Stärkung der Kapazitäten ausgewählter Länder in der Region im Fokus, die technischen und institutionellen Voraussetzungen für nachhaltige Mobilität in Städten zu fördern. Der Fokus liegt dabei auf dem Übergang zur Elektromobilität im öffentlichen Nahverkehr, sowie auf der Nutzung der Digitalisierung. Mit Pilotprojekten in Argentinien, Brasilien, Costa Rica, Kolumbien und Mexiko bietet das Projekt zahlreiche Chancen für einen inklusiven digitalen Wandel.
In Zusammenarbeit mit der AHK São Paulo haben die Business Scouts for Development das Projekt „Women Going Digital“ ins Leben gerufen. Dabei werden Frauen zu Themen der digitalen Transformation geschult, um ihnen den Zugang zu zukunftsfähigen Berufen zu erleichtern und so ihre Lebensumstände gezielt zu verbessern.
Laut Berechnungen von South Pole, einem Unternehmen, dass sich der Entwicklung und Implementierung ganzheitlicher Strategien zur Emissionsreduzierung widmet, können Informations- und Kommunikationstechnologien in den nächsten zehn Jahren die globalen Kohlenstoffemissionen um bis zu 20 Prozent reduzieren und dazu beitragen, dass Unternehmen und Verbraucher Ressourcen intelligenter nutzen – das ist eine gute Nachricht für Klima und Wirtschaft.
Roadshow Lateinamerika: Eine Möglichkeit für neue Geschäftsbeziehungen
Als zentraler Ansprechpartner für die Wirtschaft im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit stellte die Agentur für Wirtschaft und Entwicklung (AWE) das Thema „Digitalisierung und Klimawandel“ im Rahmen der diesjährigen Roadshow Lateinamerika, in Zusammenarbeit mit dem Lateinamerika Verein e. V. (LAV), der IHK Neubrandenburg für das östliche Mecklenburg-Vorpommern und den Business Scouts for Development in den Fokus der Debatte.
Die Potenziale und Chancen des digitalen Wandels für Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern wurden im Rahmen der diesjährigen Roadshow Lateinamerika u.a. durch Fokusvorträge zu Digitalisierung und Klimawandel in Brasilien und Kuba aufgegriffen.
Im Gespräch mit Herrn Orlando Baquero, dem Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika Vereins e.V. in Hamburg, erfuhren wir, dass „Lateinamerika in vielen Bereichen der Digitalisierung sehr vorangeschritten ist. Die Akzeptanz und Annahme neuer Technologien ist hoch, Unternehmen, Institutionen und Menschen stehen digitalen Lösungen sehr offen gegenüber. In den Bereichen Produktivität, Kommunikation oder Prozessoptimierung können wir in Deutschland von Lateinamerika lernen, und von unserer Seite Nachhaltigkeit und Klimaschutz in die Zusammenarbeit einbringen.“
Bezugnehmend auf die Chancen der Digitalisierung – insbesondere deutsche und europäische KMU und Start- ups – bekräftigt Dietmar Sukop, Hauptgeschäftsführer der Deutsch- Brasilianischen Handelskammer in Rio Grande do Sul, Porto Alegre aussichtsreiche Investitionsmöglichkeiten vor Ort:
„Brasilien ist in der Produktion von erneuerbaren Energien bereits einer der Vorreiter in Lateinamerika. Daneben bietet aber auch die nachhaltige Transformation des Agrarsektors – Stichwort: Digitalisierung und „Landwirtschaft 4.0“ - großes Potential, um einen wesentlichen Beitrag für die Erreichung der globalen Klimaziele zu leisten. Hierbei entstehen für deutsche und europäische KMUs sowie Start-ups Geschäftsmöglichkeiten mit Unternehmen vor Ort.“
Die Branchenexpert:innen der AWE beraten Unternehmen darüber hinaus im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit kostenfrei zu Investitionen und nachhaltigen Projekten in den Bereichen Energieeffizienz, Agrarwirtschaft, Bildung und Qualifizierung, Tourismus, und weiteren Sektoren. Auch der Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie steht zukünftig im Fokus des breiten Beratungsservice der AWE.
Haben Sie haben Fragen zum Thema oder möchten über weitere Veranstaltungen informiert werden? Ihr Kontakt in der AWE:
Karla Luzette Beteta-Brenes
AWE Expertin für Women in Business
+49 (0) 30 7262 5687
beteta(at)wirtschaft-entwicklung.de
Verick Schick
AWE Experte für Erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Energiespeicherung, Mobilitätswirtschaft
+49 30 726256-90
verick.schick(at)wirtschaft-entwicklung.de
Weiterführende Links:
- South Pole | Publikation
- Inter-American Development Bank | Extending Digital Innovation To Smallholders In Latin America
- CCAFS & CGIAR | Towards a Digital Climate-Smart Agriculture Transformation in Latin America
- UN Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (ECLAC) | Digital Change
- GIZ | Inklusive und Nachhaltige Städte
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