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Schnelleinstieg

Kreislaufwirtschaft. Wasserrecycling rettet Leben

9 Min
Wasserexpert*innen tauschen sich bei einer Leistungsschau in Côte d’Ivoire aus. Es handelt sich um eine projektbezogene Fördermaßnahme im Rahmen des Markterschließungsprogramms für KMU des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).

Die Ressource Wasser ist weltweit knapp. Höchste Zeit, um sich viel genauer mit der Aufbereitung und Wiederverwendung von Wasser zu beschäftigen. Der deutsche Mittelstand hat gute Lösungen und engagiert sich bereits. Interview mit Boris Greifeneder, Geschäftsführer von German Water Partnership e.V.

Boris Greifeneder, Geschäftsführer der German Water Partnership

AWE: Welche Rolle spielt die deutsche Wasserwirtschaft bei der globalen Wasserwende?

Boris Greifeneder: Globale Wasserwende meint, dass wir mit der Ressource Wasser weltweit anders umgehen als bisher. Etwa zwei Milliarden Menschen leben in Regionen mit Wasserstress. Mehr als drei Milliarden haben keinen Zugang zu sicheren Sanitäranlagen. Über zwei Milliarden Menschen fehlt der Zugang zu sauberem Trinkwasser. Der Klimawandel und seine Auswirkungen, das globale Bevölkerungswachstum, die Urbanisierung und kriegerische Auseinandersetzungen verschärfen diese Probleme fortwährend.

Inmitten dieser Herausforderungen spielt die deutsche Wasserwirtschaft eine entscheidende Rolle. Deutschland ist Leitmarkt für Umwelt- und speziell Wassertechnologien. Unsere Unternehmen und die wissenschaftlichen Institute sind spitze und zeigen auf ihrem Heimatmarkt bereits, was technologisch möglich ist. Deshalb möchten wir als weltweit führende Expert*innen im Umgang mit Wasser wahrgenommen zu werden. International wird das gebraucht, was die deutsche Wasserwirtschaft leisten kann, und darin liegen enorme Geschäftschancen. Aber es ist nicht nur die Aussicht auf gute Margen, weshalb Unternehmen ins Ausland gehen. Auch der Gedanke, wesentlich zu SDG 6 – Zugang zu Trinkwasserversorgung und sanitären Einrichtungen für alle Menschen bis 2030 – beizutragen, treibt sie an.

Gemäß dem Umweltbundesamt besteht Wasserstress, sobald der Wassernutzungs-Index 20% übersteigt. Der Wassernutzungs-Index beschreibt das Verhältnis von Wasserentnahme zu erneuerbaren Wasserressourcen. Die national verfügbaren erneuerbaren Wasserressourcen ergeben sich aus der Differenz von Niederschlag und Verdunstung, sowie dem Zufluss aus Nachbarländern.

AWE: Wie trägt German Water Partnership e.V. (GWP) dazu bei?

Greifeneder: GWP ist das Netzwerk der international tätigen deutschen Wasserbranche. Die Bandbreite unserer rund 300 Mitglieder reicht von großen Betreibern, Anlagenbauern, Hochschulinstituten über Bauunternehmen und Consultants bis zu weltweit vertretenen Komponentenherstellern. Gemeinsam bilden sie das gesamte Leistungsspektrum von der Projektidee über die Entwicklung, Planung, den Bau und den langfristigen Betrieb von Anlagen ab. GWP bietet seinen Mitgliedern eine Plattform und damit Chancen.

Diese bestehen darin, Informationen und Erfahrungen über Märkte zu teilen, sich untereinander zu vernetzen und für gemeinsame Projekte zusammen zu finden. Für Themenfelder wie Betrieb & Bildung, den Nexus Wasser und Energie oder Digitalisierung in der Wasserwirtschaft und viele mehr arbeiten unsere Mitglieder an gemeinsamen Projekten. Diese werden dann – wo passend – über die GWP-Regionalforen und unsere internationalen Partner in die Märkte getragen.

AWE: Können Sie Beispiele der Entwicklungszusammenarbeit und des unternehmerischen Engagements aus dem GWP-Netzwerk nennen?

Greifeneder: Aktuell sind wir als Verband in einer sogenannten Kammer- und Verbandspartnerschaft mit dem panafrikanischen Wasserverband der African Water and Sanitation Association (AfWASA) mit Sitz in Abidjan, Côte d’Ivoire engagiert. Hier unterstützen wir beim Aufbau von Verbandsstrukturen und einer eigenen finanziellen Basis. Über ein PartnerAfrika-Projekt bauen wir mit eben jenem Verband eine African Water and Sanitation Academy mit panafrikanischer Ausrichtung auf. In unseren Train the Trainer-Veranstaltungen für das Tagesgeschäft der Wasserversorgungsunternehmen werden die Teilnehmenden Wissen austauschen und aufbauen. Das Themenspektrum reicht von der Leckageortung zum sicheren Kanaleinstieg. Hier kommen unsere Mitglieder ins Spiel, die als Expert*innen diese Schulungen durchführen. Ein weiteres Beispiel sind die Betreiberpartnerschaften. Hier schließen sich deutsche kommunale Wasserunternehmen mit jeweils einem internationalen Wasserbetreiber, beispielsweise aus Jordanien, Tansania, Sambia, Südafrika oder der Ukraine zu langfristig angelegten Partnerschaften zusammen. Gemeinsam definieren sie die größten Herausforderungen der Partner*innen und erarbeiten zusammen Lösungen.

AWE: Überschwemmungen, Wasserknappheit, zerstörte Infrastrukturen: Die Wasserwirtschaft steht weltweit vor vielen Aufgaben. Wie bewerten Sie die Lage in der Ukraine aber auch in Ländern des globalen Südens?

Greifeneder: Das, was in der Ukraine passiert, ist schrecklich. Die Zerstörung der Infrastruktur – und dazu gehört neben Energie vor allem Wasser – durch die russische Armee hat weitreichende Folgen für den Alltag der Zivilbevölkerung. Seit Beginn des Krieges unterstützen unsere Unternehmen nach Kräften. Aus den Betreiberpartnerschaften wurden Solidaritätspartnerschaften, über die zerstörtes Material wie Pumpen, Armaturen, Steuerungstechnik aber auch Aggregate ersetzt werden konnte. Und über Netzwerke wie das unsere haben sich Unternehmen zusammengeschlossen und zum Beispiel mobile Trinkwasserwerke konstruiert und in die betroffenen Regionen gebracht. Gleichzeitig denken wir an die Zeit nach dem Krieg – es wird so viel fehlen. Hier wird es einen koordinierten Ansatz und effiziente Lösungen brauchen. Darüber hinaus ist es geboten, den Aufbau in unterschiedlichen Bereichen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens das Motto „Build Back Better“ zu stellen. Damit wäre zumindest eine Hürde auf dem Weg des Beitritts zur Europäischen Union beseitigt.

In den Ländern des globalen Südens war die Wasser-Situation von jeher nicht günstig.  Die demographische Entwicklung und die Urbanisierung erhöhen den Druck weiter, an das Klima und die Möglichkeiten vor Ort angepasste Lösungen zu entwickeln und in die Regionen zu bringen. Und die Herausforderungen sind riesig, häufig fehlt noch der Blick für das Ganze. Die meisten konzentrieren sich auf Trinkwasser und landwirtschaftliche Bewässerung. Die Abwasseraufbereitung, Industrieabwasser und die Frage nach der Wiederverwendung spielen noch eine viel zu kleine Rolle – sie sind aber wichtige Bausteine für die Lösung. Viele unserer Mitglieder sind in diesem Bereich aktiv. Ihr Engagement wird häufig durch das BMZ unterstützt.

AWE: Die Landwirtschaft ist einer der weltweit größten Wasserverbraucher. Wie kann sie effizienter mit Wasser umgehen?

Greifeneder: Speichern, aufbereiten und mit Tröpfchen bewässern sind die Stichworte, die mir dazu einfallen. Für all das gibt es Lösungen. Dadurch dass Wasser auch in Deutschland und Europa immer knapper wird, steigt die Nachfrage nach Aufbereitung und effizienter Bewässerung auch hierzulande und in der direkten Nachbarschaft. Zur Befriedigung dieser Nachfrage braucht es auch in den Unternehmen entsprechendes Personal. In Zeiten des Fachkräftemangels und der sinkenden Reisebereitschaft der nachfolgenden Generationen kann das global zu einem Problem werden. Für die industrialisierten Länder hoffe ich auf satellitengestützte künstliche Intelligenz, die den Bedarf schnell und quadratmetergenau erfasst und entsprechend bedient. Dafür müssen wir in den Austausch gehen, mit den landwirtschaftlichen Verbänden und großen Playern auf dem Markt. Wenn unsere Mitglieder zeigen können, was möglich ist, können wir das auch in der Welt verkaufen.

AWE: Welche Möglichkeiten gibt es, um Wasser zu gewinnen?

Greifeneder: Vor allem sollten wir versuchen, Wasser möglichst lange in unseren Kreisläufen zu behalten und für einen bewussten Umgang damit werben. Grundwasserreserven sind begrenzt und werden nur langsam wieder aufgebaut. Oberflächenwasser ist nicht immer im vollen Umfang verfügbar und es müssen andere Parameter wie beispielsweise die Jahreszeiten bedacht werden. Die Nutzung von Regenwasser, Grauwasserrecycling und auch die Aufbereitung von Abwasser werden in Zukunft eine immer größere Rolle spielen. Und natürlich die Meerwasserentsalzung – vor allem in südlichen Ländern.

AWE: Wie können Technologien dabei helfen?

Greifeneder: Das hängt ganz vom Anwendungsfall ab und beginnt bei der mechanischen Filtration über Sand- oder Aktivkohlefilter. Dann gibt es die chemische Aufbereitung durch Chlorierung, Ozonierung oder UV-Desinfektion bis hin zu Ultrafiltration oder Nanofiltration, Ionen-, Kationen- oder Anionenaustausch. Aber auch die biologische Aufbereitung über Bioreaktoren oder Pflanzenkläranlagen spielen eine Rolle. Weitere Verfahren sind die thermische Aufbereitung wie einfache oder mehrstufige Destillation und zu guter Letzt noch Adsorption über Aktivkohle oder Ionenaustauscherharze. Wichtig beim Export dieser Technologien ist es, die Anwender:innen dabei mitzudenken und am Ende nicht allein zu lassen. Für deutsche Unternehmen ist das klassischer Aftersales – das können wir besser als alle anderen.

AWE: Warum ist Wasserrecycling wichtig und welche Rolle spielt die Kreislaufwirtschaft generell im Wassermanagement?

Greifeneder: Die Wiederverwendung von Wasser ist essenziell, um die dauerhafte Verfügbarkeit von Wasser zu sichern und die Wasserknappheit in vielen Regionen der Welt zu bewältigen. Durch die effiziente Wiederverwendung von Wasser können wir die natürlichen Wasserquellen schonen und die Versorgungssicherheit erhöhen. Das ist nicht nur umweltfreundlich, sondern auch wirtschaftlich effizient, da auf lange Sicht Kosten für die Wasserversorgung gesenkt werden können.

Das Kreislaufkonzept spielt eine zentrale Rolle im Wassermanagement, weil die Ressourceneffizienz maximiert und der Abfall minimiert wird. Abwasser wird dabei als wertvolle Ressource betrachtet, aus der nicht nur Nährstoffe, sondern über Abwärmenutzung und andere Prozesse auch Energie gewonnen werden kann. Unsere Mitglieder, nicht nur die Unternehmen, sondern auch Forschungseinrichtungen, entwickeln kontinuierlich neue Technologien und Verfahren zur Verbesserung der Wasserrecyclingprozesse und zur Schaffung nachhaltiger Infrastrukturen. Diese Innovationen können entscheidend dabei helfen, die Wasserwirtschaft überall auf der Welt nachhaltig und zukunftsfähig aufzustellen.

AWE: Bekommt das Thema Wasser genug Aufmerksamkeit?

Greifeneder: Auch wenn das Thema Wasser im letzten Jahr durch die Weltwasserkonferenz im März in New York und die COP28 in Dubai mehr internationale Aufmerksamkeit erhalten hat, sind wir noch nicht da, wo wir angesichts der existentiellen Bedeutung eigentlich sein müssten. Es gibt zwar eine globale Klimaschutzbewegung, aber eine globale Bewegung zur Anpassung an den Klimawandel von vergleichbarer Bedeutung habe ich noch nicht wahrgenommen. Doch genau diese Bewegung brauchen wir, um die lebenswichtige Ressource Wasser zu schützen.

In Deutschland wird das Thema Wasser zunehmend wichtiger. Als Feld der Außen- und vor allem der Außenwirtschaftspolitik bietet es großes Potenzial für den hochinnovativen deutschen Mittelstand, insbesondere durch die engen Verbindungen zur Wissenschaft. Dieses Potenzial wird jedoch noch nicht ausreichend genutzt. Es fehlt an einem klaren Narrativ, das vermittelt, dass Deutschland mit seinen hohen Standards in der Wasserversorgung führend in der Wassertechnologien ist. Und dass damit verbunden ist, dass unsere Anlagenbauer, Komponentenhersteller und Consultants auch herausragende Lösungen für die globalen Herausforderungen anbieten.

GWP ist dabei, dieses Narrativ zu formen und die Stärken der deutschen Wasserbranche international zu positionieren. Durch gezielte Förderung von Innovationen und Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Instituten trägt GWP dazu bei, dass deutsche Wassertechnologien weltweit als State of the Art anerkannt werden. Wir unterstützen unsere Mitglieder dabei, ihre Expertise und innovativen Lösungen global zu vermarkten und stärken so die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wasserwirtschaft. Durch die Schaffung eines einheitlichen und starken Narrativs, in dem die hohen Qualitätsstandards und technologische Führungsposition Deutschlands zentral sind, kann GWP dazu beitragen, Sichtbarkeit und Marktanteile Deutschlands in diesem wichtigen Sektor zu erhöhen und dabei vor allem auch die wirtschaftlichen Chancen für den deutschen Mittelstand zu maximieren.

AWE: Welche politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen fördern ein nachhaltiges Wassermanagement?

Greifeneder: Wenn wir global sprechen, dann würde ich mir ein koordiniertes Vorgehen aller Ressorts der Bundesregierung wünschen, die im Ausland Wasserprojekte oder Geschäftsaktivitäten des Mittelstandes unterstützen. Vielleicht findet man eine politische Klammer, wie die Energie-, Rohstoff-, oder Gesundheitspartnerschaften, innerhalb derer die Zusammenarbeit von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft für einen bestimmten Zeitraum – zwischen zwei Staaten vereinbart wird – nur eben für Wasser, sogenannte Wasserpartnerschaften.

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