AGYLE: Innovative Zukunftsideen durch deutsch-afrikanische Netzwerke
Als Berlin Korrespondent der Deutschen Welle, Lehrbeauftragter an der Hochschule für Wirtschaft und Recht und selbstständiger Berater ist Dr. Harrison Kalunga Mwilima nicht nur ein Experte für europäisch-afrikanische Beziehungen, sondern auch die hervorragende Besetzung unsere AGLYE-Week als Moderator zu begleiten. Wir wollten vorab von ihm wissen, welche Erwartungen er an die AGLYE-Veranstaltungswoche hat und was er Unternehmer:innen rät, die in den afrikanischen Markt investieren möchten.
AWE: AGYLE ist der Beginn eines neuen Business Netzwerks, das vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) im Rahmen des Marshallplans mit Afrika gefördert wird. Wie bewerten Sie diese Fokussierung auf multilaterale Vernetzung für die wirtschaftliche Entwicklung?
Dr. Harrison Kalunga Mwilima: Der multilaterale Fokus findet sich bei AGYLE darin wieder, dass durch das Projekt junge Führungskräfte aus Deutschland und auch verschiedener afrikanischer Länder zusammengebracht werden. Bei AGYLE sollen die Führungskräfte überall da zusammenarbeiten und einen Austausch auf Augenhöhe führen, wo nachhaltige Lösungen notwendig sind.
Damit fügt sich AGYLE optimal in den Marshallplan der Bundesregierung ein, denn auch hier liegt der Fokus auf jungen Unternehmer:innen. Diesen Schwerpunkt erachte ich als relevant, denn die größte Ressource auf dem afrikanischen Kontinent ist in der Tat seine junge Bevölkerung. Mit einem Durchschnittsalter von gerade mal 18 Jahren und einer konstant wachsenden Population sollten im Idealfall 20 Millionen Arbeitsplätze in Afrika geschaffen werden, um diese Ressource nachhaltig einzusetzen. AGLYE macht hier den ersten Schritt und bietet jungen Führungspersönlichkeiten eine Plattform sich länderübergreifend auszutauschen und die Innovationskraft anzutreiben. Durch das Schaffen von Beschäftigungsperspektiven auf dem afrikanischen Kontinent, können meiner Meinung nach auch die Ursachen von Migration beeinflusst werden.
Deutsche und europäische Unternehmen können von diesem Austausch allerdings gleichermaßen profitieren. In Deutschland stehen wirtschaftliche Probleme wie der Fachkräftemangel im Raum, der bewältigt werden muss. Hier können junge afrikanische Fachkräfte eine entscheidende Rolle spielen. Die deutschen und afrikanischen Teilnehmer:innen sind also nicht ungleiche Empfänger von diesem Projekt, sondern gleichwertige Partner.
AWE: AGYLE 2021 "Krise als Chance - junge Führungskräfte gestalten die Zukunft". Welche Auswirkungen und langfristigen Folgen hat die COVID-19-Pandemie auf die afrikanischen Volkswirtschaften? Welche (wirtschaftlichen) Chancen haben sich seitdem ergeben?
Mwilima: Gerade während der Pandemie wurden viele Unternehmer:innen vor Herausforderungen gestellt. Zwar haben afrikanische Regionen, verglichen mit anderen Ländern der Welt eine niedrigere Sterberate durch COVID-19 verzeichnet, aber die Wirtschaft wurde trotzdem stark von der Pandemie getroffen. Grund dafür ist die große Abhängigkeit Afrikas vom Weltmarkt. Durch die Pandemie sind globale Wirtschaftsketten eingebrochen, Importe wurden teurer, Reisen wurden eingeschränkt, was vor allem die afrikanische Tourismusindustrie getroffen hat, und Unternehmen mussten geschlossen werden. Man kann also sagen, dass die lokale Wirtschaft durch ihre Abhängigkeit von ihren globalen Handelspartnern mit einer indirekten Wirkung der Pandemie zu kämpfen hat. Afrikanische Länder müssen daher lernen, den eigenen Binnenhandel zu stärken und den Markt, wo möglich, zu diversifizieren.
Es gab aber auch positive Entwicklungen in der Krise. Beispielsweise ist die Start-up-Szene weiterhin gewachsen und es wurden viele digitale Lösungen für alltägliche Aufgaben gefunden, die aufgrund der Ausgangssperren nicht mehr bewältigt werden konnten. In diesem Bereich sehe ich daher auch nach der Krise viel Entwicklungspotenzial.
AWE: Sie werden das AGLYE-Programm die ganze Woche über begleiten. Auf welchen Teil freuen Sie sich am meisten?
Mwilima: Ehrlich gestanden, freue ich mich persönlich am meisten auf den Part, wo ich nicht moderieren muss, sondern die Teilnehmer:innen persönlich kennenlernen kann. Besonders den Austausch innerhalb der Teams in den Design Thinking Labs stelle ich mir spannend vor, da währenddessen mit Sicherheit viele innovative Projekte angestoßen werden. Ich glaube unterschiedliche afrikanische und deutsche Perspektiven führen zu wegweisenden Ideen und Lösungen.
Außerdem bin ich, wie wahrscheinlich alle der Teilnehmer:innen, gespannt, wer am Ende den Preis für die innovativste Idee gewinnt.
AWE: Sie vermitteln in Ihrer Arbeit zwischen zwei Regionen (Afrika und Europa). Worauf kommt es da an?
Mwilima: Ich glaube es kommt für mich auf Partnerschaft. In meiner langjährigen Erfahrung als Berater habe ich oft erlebt, dass Projekte europäischer Akteure in Afrika gescheitert sind, den afrikanische Partner wurden nicht in die Planung miteinbezogen oder sogar die Zielgruppe außer Acht gelassen. Bei der Zusammenarbeit braucht man daher nicht nur Vertrauen, sondern auch die Bereitschaft den Partner auf Augenhöhe gegenüberzutreten und ihn aktiv einzubinden.
AWE: Welchen Beitrag können junge europäische Führungskräfte zur Stärkung der afrikanischen Märkte leisten?
Mwilima: Den größten Beitrag können europäische Unternehmer:innen leisten, indem sie von ihren Regierungen Gesetze einfordern, die ein faires wirtschaftliches Miteinander fördern. Wer als Unternehmer:in in Afrika investieren und die afrikanischen Märkte stärken möchte, sollte zusätzlich Interesse daran haben, einen fairen Handel zu betreiben, die Umwelt in geplanten Vorhaben zu berücksichtigen und die lokale Kultur zu schätzen. Dazu gehört auch, den Kräften vor Ort faire Löhne zu bezahlen. Leider passiert es noch viel zu oft, dass ausländische Investoren jedes Schlupfloch nutzen, um sich aus der Verantwortung zu ziehen und ihren Ertrag in globalen Steueroasen verstecken. Probleme wie Ausbeutung und Steuerhinterziehung sind daher immer noch sehr weit verbreitet bei externen Investoren und Unternehmen. Gerade junge Führungskräfte sollten sich gegen dieses System positionieren und sich proaktiv für Veränderung einsetzen.
AWE: Welchen Möglichkeiten haben afrikanische Unternehmer:innen sich auf dem Markt der Europäischen Union (EU) zu etablieren?
Mwilima: Der Weg in die EU ist für afrikanische Unternehmer:innen aufgrund der umfangreichen Regularien und Gesetze deutlich schwieriger und ein Markteintritt für viele afrikanische Unternehmen ohne Hilfe nicht so einfach möglich. Ein weiteres Problem ist, dass viele afrikanische Unternehmer:innen deutlich höhere Zinssätze für Kredite bezahlen müssen, als europäische Unternehmen. Auf EU-Ebene Wege sollten daher Wege gefunden werden, um einen faireren Austausch zwischen Afrika und Europa zu etablieren. Das Interesse ist auf afrikanischer Seite auf jeden Fall vorhanden. Deutschland kann das nicht allein lösen, aber zumindest einen Denkanstoß für andere europäische Länder setzen.
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