Aus- und Weiterbildung schafft langfristige Perspektiven in Afrika
Unter dem Motto „Sharing Expertise“ bündelt das Melsunger Unternehmen für Medizintechnik B. Braun verschiedene Aktivitäten zum Aufbau von Infrastruktur und Gesundheitsversorgung in Afrika. Dazu gehört in besonderem Maße die Qualifizierung von medizinischem Fachpersonal, unter anderem im Bereich der Dialysetherapie. Kerstin Heimel-Ventura, Director International Development, und Shuang Zhang, Sales Manager für Afrika, erzählen im Interview von Chancen und Herausforderungen im Afrika-Geschäft und wie die Zusammenarbeit mit der DEG Impulse gGmbH im Rahmen des Förderprogramms develoPPP neue Perspektiven eröffnet.
AWE: Wie kam es dazu, das Aus- und Weiterbildungsprogramm im Bereich der Dialysetherapie ins Leben zu rufen?
Kerstin Heimel-Ventura: Die Themen Nachhaltigkeit und unternehmerische Verantwortung spielen für uns als Familienunternehmen eine zentrale Rolle und sind wesentlicher Teil unserer Strategie. Unternehmerische Verantwortung hat dabei sowohl eine soziale als auch eine ökonomische Komponente. Ohne Frage wollen wir in den Ländern, in denen wir tätig sind, wirtschaftlich handeln. Auf der anderen Seite sollen die Menschen – auch in strukturschwächeren Regionen und Ländern – Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen bekommen.
AWE: Was waren dabei die Herausforderungen?
Heimel-Ventura: Gerade bei der Dialysebehandlung bemerken wir, wie groß der Fachkräftemangel ist und zwar quantitativ wie qualitativ. Fachkräfte sind neben der Infrastruktur einer der essenziellen Bausteine eines leistungsfähigen Gesundheitssystems. Dialysestationen können ohne qualifiziertes Personal gar nicht unterhalten und die zu Behandelnden nicht versorgt werden. Insgesamt fehlt es in Afrika sowohl an Pflegepersonal als auch an Servicetechniker:innen, die die Maschinen regelmäßig warten. Die Installation von Dialysestationen muss deshalb Hand-in-Hand gehen mit Ausbildungs- und Trainingsmaßnahmen.
Shuang Zhang: Um wirtschaftlich erfolgreich zu sein, benötigen wir eine nachhaltige Struktur, von der sowohl wir als Unternehmen als auch die Menschen vor Ort profitieren können. Während in Europa typische Dialysepatient:innen häufig im fortgeschrittenen Alter sind, haben wir in Afrika viele 20-, 30- oder 40-jährige Betroffene, was häufig auf Krankheiten wie Malaria, Diabetes oder Bluthochdruck zurückzuführen ist. Dazu kommt, dass die meisten Nierenpatient:innen in Afrika überhaupt nicht behandelt werden.
AWE: Was tun Sie dagegen?
Zhang: Weil sich viele die teure Therapie nicht leisten können, arbeiten wir insbesondere mit Regierungen zusammen. Wir erstellen für die jeweiligen Länder ein Programm, mit dem Ziel, möglichst vielen der Betroffenen eine Versorgung mit hochqualitativen Produkten aus Europa zu ermöglichen. Daraus entstehen sehr wertvolle Partnerschaften und die Menschen merken, wie sie dank der Therapie wieder Fußball spielen und ihren Beruf ausüben können.
AWE: Können Sie uns erklären, wie das Aus- und Weiterbildungsprogramm konkret abläuft?
Heimel-Ventura: Wir sind in elf Ländern auf dem afrikanischen Kontinent aktiv. Die Qualifizierung erfolgt über Distributionspartner, die zertifiziertes Personal beschäftigen und mit denen wir dort schon länger zusammenarbeiten. Aktuell haben wir für die elf Projektländer vier regionale Powertrainer:innen. Das sind Spezialist:innen, die lokale Trainings anbieten und sich sowohl an den technischen Service als auch das Kranken- und Pflegepersonal richten. Eine Ausbildung zur medizinischen Fachkraft, wie wir sie in Deutschland kennen, gibt es ja in Afrika gar nicht.
Unser Ziel ist es, das Wissen in lokalen Strukturen zu verankern, zum Beispiel in Form von Lehrplänen in staatlichen Bildungsinstitutionen. Dabei stellen sich uns aber auch immer wieder Herausforderungen.
AWE: Zum Beispiel?
Zhang: Zum einen ist da die Sprachenvielfalt in Afrika. In unseren Projektländern wird Englisch, Französisch, Arabisch und Portugiesisch gesprochen. Viele Ministerien und ihre Mitarbeitenden kommunizieren außerdem in lokalen Sprachen miteinander. Wir können also wenig auf Synergieeffekte zwischen den elf Ländern setzen. Hinzu kommen politische Gründe, insbesondere nach Regierungswechseln, welche die Zusammenarbeit mit Bildungsinstitutionen über Landesgrenzen hinweg erschweren. Das Einzige, was wir wirklich überregional nutzen, sind die Powertrainer:innen, die mit den lokalen Strukturen vertraut sind, die nötigen Soft Skills mitbringen und mehrere Sprachen beherrschen.
Heimel-Ventura: Ich bin immer optimistisch und habe auch gelernt, einen langen Atem zu haben. Wir können versuchen, die Werkzeuge bereitzustellen, Anreize zu setzen und die Qualifikation über die Bildungseinrichtung anzubieten. Ein wesentlicher Baustein ist aber auch die Finanzierung im Land, zum Beispiel bei der angemessenen Entlohnung der neu qualifizierten Fachkräfte. Hier müssen finanzielle Anreize geschaffen werden. Das liegt jedoch nicht in unserer Hand, sondern ist eine Frage des Budgets der Krankenhäuser beziehungsweise der Gesundheitsministerien.
AWE: Sie arbeiten bereits seit vielen Jahren mit den Durchführungsorganisationen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) im Rahmen von develoPPP zusammen. Worin sehen Sie die Vorteile dieser Zusammenarbeit?
Heimel-Ventura: Unsere Zusammenarbeit im Rahmen von develoPPP besteht seit 2008, als wir mit einem Projekt in Kenia gestartet sind. Seitdem haben wir immer wieder festgestellt, dass die Zusammenarbeit zwischen Privatwirtschaft und Politik sehr sinnvoll ist. Wir haben zum Beispiel bürokratische Hürden gemeinschaftlich mit dem BMZ genommen oder durch Kooperationsmodelle mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH Zugang zu Gesundheitsministerien und Bildungsinstitutionen erhalten, den wir vorher nicht hatten. In manchen Projekten ist auch die reine Finanzierung wie aktuell mit der DEG Impulse sinnvoll, weil sie uns größtmögliche Flexibilität bei der Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort bietet. Ich würde mir insgesamt einen weiteren Ausbau wünschen, da die Zusammenarbeit auf vielen Ebenen fruchtbar ist und uns weiterbringt.
AWE: Wie ergänzen sich Ihre wirtschaftlichen Interessen als Unternehmen mit entwicklungspolitischen Zielen?
Zhang: Wir haben es uns bei B. Braun zur Aufgabe gemacht, das Leben von Menschen zu schützen und zu verbessern. Eine Milliarde Afrikaner brauchen lebenslang Dialyse- oder andere Gesundheitsprodukte. Und wir verfügen über die richtige Technologie. Wenn wir schnell genug sind, dann setzen wir unsere hohen Standards in der Medizintechnik auch in Afrika durch. Das ist zu unserem Vorteil, aber auch dem der Bevölkerung - und dabei hilft uns die Bundesregierung mit dem develoPPP-Programm.
Heimel-Ventura: Natürlich wollen wir in den Ländern wirtschaftlich erfolgreich sein. Wir wissen aber auch, dass wir erst mal in den Aufbau einer Infrastruktur und auch in Personal investieren müssen. Dieses Engagement schafft berufliche Perspektiven für die Menschen vor Ort und verbessert die Gesundheitsversorgung im Land sowie die Lebensqualität all derer, die von der Behandlung profitieren. Erst wenn unsere lokalen Partner das nötige Know-how entwickelt haben, können wir ganz normale Geschäftsmodelle aufbauen. Wer dagegen sofort Rendite erwartet, wird es schwer haben, in Afrika Projekte durchzuführen.
AWE: Frau Heimel-Ventura, Herr Zhang: Vielen Dank für das Gespräch.
Engagement in Afrika
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