Eine neue Destination für nachhaltigen Tourismus auf den Philippinen
Das Touristikunternehmen „Reisen mit Sinnen“ aus Dortmund schuf in vier abgelegenen Inseldörfern auf den Philippinen kleine, sehr individuelle Tourismusangebote, um sein Angebot an nachhaltigen Reisen jenseits des Massentourismus auszubauen. In den Dörfern entstanden einfache Unterkünfte und die Bevölkerung erhielt Schulungen, wie sie die Gäste aus Europa am besten aufnehmen. Unterstützung dafür erhielt der Reiseveranstalter durch develoPPP, ein Förderprogramm des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Das Projekt wurde mit Unterstützung der DEG – Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH durchgeführt. Marion Heider, Gesellschafterin von „Reisen mit Sinnen“ blickt auf das Projekt zurück, das ihren Kundinnen und Kunden besondere Reiseerlebnisse bieten soll.
AWE: Wie entstand die Idee zu diesem Projekt, das Sie mithilfe von develoPPP von 2017 bis 2019 durchführten?
Marion Heider: Unsere Reisen in Entwicklungs- oder Schwellenländer beinhalten oft Besuche von lokalen Projekten. In Nordvietnam haben wir etwa den Besuch des Affenschutzprojekts „Endangered Primate Rescue Centre“ im Programm und auf den Kapverden ein Projekt der Turtle Foundation zum Schutz von Meeresschildkröten. Unser Partnerunternehmen auf den Philippinen, Travel Authentic Philippines (TAP), hatte die Idee, dort nicht ein fremdes Projekt in das Programm einzubinden, sondern ein eigenes umzusetzen.
AWE: Was beinhaltete die Idee?
Heider: Wir wollten in einigen noch sehr traditionellen Dörfern Strukturen schaffen, damit die Dorfbevölkerung Touristen empfangen und betreuen kann.
Zunächst ging es darum, eine Grundinfrastruktur für den Tourismus zu schaffen. Wir bauten zum Beispiel in einem Dorf ein kleines Cottage mit zwei Zimmern, damit die Dorfgemeinschaft überhaupt Gäste über Nacht beherbergen kann. Im nächsten Schritt gab es Schulungen, die nach einer Befragung der Dorfbevölkerung bedarfsgerecht konzipiert wurden. In den Trainings ging es dann unter anderem darum, wie Wanderungen mit Gästen am besten durchgeführt werden und worauf die Gastgeber bei der Zubereitung von Essen achten müssen. Die Mägen europäischer Gäste reagieren auf einige einheimische Speisen manchmal etwas empfindlich. Solches Wissen ist sehr hilfreich!
AWE: Wie hat sich das Projekt auf Ihr Unternehmen und Ihr Angebot ausgewirkt?
Heider: Das Projekt ist ein großer Gewinn für unser Philippinen-Programm. Die Landschaft ist wunderschön und die herzliche Gastfreundschaft der Dorfbevölkerung ist für unsere Gäste sicher ein schönes Erlebnis. Wir nahmen die Besuche in den Dörfern 2019 in unser Programm auf und hatten bereits die ersten Buchungen. Doch dann kam Corona und wir mussten all unsere Reisen auf die Philippinen vorerst stoppen. Aber der Grundstein ist gelegt, die Infrastruktur steht und die Dorfbevölkerung ist hoch motiviert. So hoffen wir, dass bald unsere ersten Gäste die Dörfer besuchen werden.
Dies ist allerdings kein Massenprodukt, sodass wir nicht Hunderte von Buchungen erwarten. Der neue Reisebaustein ist eher etwas für ganz besonders interessierte Leute, die ein solches Erlebnis dann umso mehr zu schätzen wissen.
Ein Unternehmen wie „Reisen mit Sinnen“ lebt von seinen besonderen Angeboten, die sich deutlich von den Programmen großer Reiseanbieter abheben. Unsere Zielgruppe möchte mit der einheimischen Bevölkerung in Kontakt kommen und unser develoPPP-Projekt wird dies mit sehr individuellen Erlebnissen ermöglichen. „Reisen mit Sinnen“ kann sich mit derartigen Angeboten in diesem Tourismussegment gut positionieren und letztlich seinem Namen gerecht werden.
AWE: Warum suchten Sie sich gerade die Inselgruppen Luzon und Visayas sowie die Provinz Palawan aus?
Heider: Die Projektdörfer sollten in Regionen liegen, die auf unseren angebotenen Reisen gestreift werden und für Touristen interessant sind. Wir haben einige Dorfgemeinschaften in diesen Regionen angesprochen. Manche hatten kein Interesse, andere waren dagegen von Anfang an sehr interessiert. Ihnen war aber wichtig, dass sie ihre Lebensweise nicht umstellen müssen und ihre traditionellen Dorfstrukturen beibehalten.
AWE: Wie sieht es mit der Breitenwirkung aus? Welchen Nutzen hat das Projekt für die lokale Bevölkerung?
Heider: Die Schulungen waren für die gesamte Dorfbevölkerung offen und so konnten viele vom Projekt profitierten. Die Leute waren zum Teil total begeistert dabei. Sie erkannten die Möglichkeit, sich für einen nachhaltigen Tourismus zu öffnen, ohne ihre Lebensweise und ihre Dorfstrukturen ändern zu müssen. Sie können also weiterhin Reis und Gemüse anbauen sowie fischen und nebenher Touristen aufnehmen.
AWE: Das Projekt liegt nun zwei Jahre zurück. Was würden Sie heute anders machen?
Heider: Im Nachhinein hätte ich unser Projekt statt in vier nur in zwei Regionen durchgeführt. Das hätte vieles vereinfacht und den Aufwand reduziert, der größer war als gedacht. Wir hatten zuvor noch keine Erfahrung mit solchen Projekten und mussten einiges lernen. Aber das Resultat ist toll und wir freuen uns darauf, wenn angesichts von Corona Reisen in die Projekt-Dörfer auf die Inselgruppen Luzon, Visayas sowie nach Palawan wieder möglich werden.
AWE: Wie schätzen Sie derartige Projekte zu nachhaltigen Tourismusangeboten für die Reisebranche generell ein? Werden sie in Zukunft verstärkt zu den Aufgaben von Reiseunternehmen gehören – oder bleiben sie eher die Ausnahme?
Heider: Man darf nicht unterschätzen, dass ein solches Projekt viel Geld kostet und einen hohen Arbeitseinsatz erfordert. Für ein kleines Unternehmen wie uns mit damals 24 Mitarbeitenden war der Aufwand schon sehr hoch.
Ich finde es aber sehr sinnvoll, wenn Reiseunternehmen in entwicklungspolitische Tourismusprojekte involviert sind. Sie können die Perspektive der potenziellen Gäste einbringen, deren Wünsche sie sehr gut kennen. Damit lässt sich vermeiden, dass teure Projekte am Bedarf der Zielgruppen vorbeigehen.
Tourismusunternehmen haben immer auch eigene Interessen. Im Idealfall stimmen diese mit den Anforderungen an eine nachhaltige Entwicklung in den Destinationen überein und die Unternehmen arbeiten mit Menschen vor Ort zusammen, die sich auch für einen nachhaltigen Tourismus einsetzen.
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