Bekleidungsindustrie in Ghana: Modeunternehmen loten Chancen aus
Die Bekleidungsindustrie ist für Ghana ein Wirtschaftszweig mit großem Wachstumspotenzial. Um Türen zu öffnen und internationale Unternehmen dabei zu unterstützen, ihr Engagement im Land auszubauen, hat die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH Anfang Februar 2022 eine Reise nach Ghana für Einkäufer:innen organisiert.
Michelle Obama hat einmal einen Rock von ihnen getragen, den sie im Auftrag eines Modeherstellers gefertigt haben. Darauf sind sie hier besonders stolz: KAD Manufacturing ist ein mittelständisches ghanaisches Bekleidungsunternehmen mit Sitz in Ghanas Hauptstadt Accra, gegründet und geführt von einer Frau: Linda Ampah. Der Konfektionsbetrieb stellt neben Freizeitbekleidung vor allem große Mengen an Klinik- und Pflegebekleidung, Arbeitshemden und Kochjacken her. Daneben produziert das Unternehmen auch Heimtextilien wie Tischdecken und Stoffservietten – sowohl für den Exportmarkt als auch für den lokalen und westafrikanischen Markt.
Neue Beschaffungsmärkte entdecken
KAD Manufacturing steht nicht nur stellvertretend für Ghanas aufstrebende Bekleidungsindustrie. Der Hersteller aus Accra war auch einer von insgesamt zehn Bekleidungsproduzenten, die kürzlich Einkäufer:innen von sieben internationalen Unternehmen empfangen haben. Zur Käuferreise vom 7. bis zum 11. Februar 2022 nach Ghana hatte die GIZ eingeladen. Mit dabei: Vertreter:innen von Otto International, Eterna Mode GmbH, Kaya & Kato, Global Tactics, Pole Pole, Emeka und Infiiloom.
Welche Chancen bietet Ghanas Bekleidungsindustrie?
Damit die industrielle Textil- und Bekleidungsindustrie in Ghana wachsen kann, braucht es interessierte Käufer:innen aus dem Ausland, die Waren vor Ort bestellen. Im internationalen Wettbewerb konkurrieren afrikanische Länder vor allem mit Produzenten aus China, Bangladesch, Indien, Kambodscha und Vietnam. US-amerikanische Kunden:innen haben das Potenzial Ghanas bereits erkannt. Nicht zuletzt deswegen hat das Land in Sachen Exporterfahrungen in den vergangenen Jahren einiges dazugelernt und aufgeholt.
Durch die gut ausgebildete, englischsprachige Bevölkerung, die relativ schnellen Handelswege nach Europa und die regional verfügbare Baumwolle hat Ghana große Chancen, sich zu einem erfolgreichen Standort für Bekleidungsproduktion zu entwickeln: „Ghana hat entscheidende Standortvorteile wie zollfreie Importe in die EU und kurze Lieferzeiten – und allen voran eine Industrie, die von organisch gewachsenen Familienbetrieben geprägt ist und sich daher seit jeher um das wohl ihrer Beschäftigten bemüht“, sagt Linda Ampah von KAD Manufacturing, die bis vor Kurzem zudem den Verband ghanaischer Bekleidungshersteller (Association of Ghana Apparel Manufacturers, AGAM) als Vizepräsidentin vertrat.
Corona zwingt Unternehmen bei Lieferketten zum Umdenken
Drei bis vier Tage pro Unternehmen mit bis zu zehn Fabrikbesuchen: Das Programm der Käuferreise war straff und vor dem Hintergrund strikter Corona-Regeln sorgsam geplant. Nach einer Auftakt-Veranstaltung lernten die Teilnehmenden die Produktionsbedingungen der ausgewählten Partnerbetriebe kennen. Diese beschäftigen zwischen 120 und 600 Mitarbeiter:innen und haben Produktionskapazitäten von beispielsweise 15.000 bis 65.000 Uniformen pro Monat.
Ein individuell zusammengestellter Fabrikbesuchsplan sorgte zum einen für einen reibungslosen Ablauf. Zum anderen stellte das Organisationsteam auf diese Weise sicher, dass die unterschiedlichen Interessen und Ziele der Einkäufer:innen nicht zu kurz kamen: „Durch Corona sind klassische Lieferbeziehungen getrennt worden, Preise von Rohmaterialien, Transportkosten und Arbeitslöhne sind teils deutlich gestiegen. Wir suchen daher neue, verlässliche Sourcing-Alternativen und freuen uns, zum ersten Mal die Potenziale in Ghana zu erkunden“, sagt Ralf Polito, Chief Operating Officer bei Eterna. In seine Zuständigkeiten fallen die Bereiche Logistik, Eigenproduktion und Fremdzukauf.
Nachhaltigkeit als wichtiges Kriterium
Alle besuchten Partnerbetriebe legen großen Wert auf die Einhaltung von Menschenrechten und internationalen Sozial- und Umweltstandards. Mit einem Mix aus Workshops und Fabrikbesuchen werden die Personal- und Compliance-Manager der Fabriken geschult und bei der Umsetzung begleitet. Das kommt bei den Einkäufer:innen aus dem Ausland gut an: „Natürlich sind Nachhaltigkeitsstandards wichtig. Wichtig ist für uns aber zunächst einmal, ob ein Zulieferer grundsätzlich bereit ist, sich gemeinsam mit uns weiterzuentwickeln. Nachhaltigkeit ist eine lange Reise die vermutlich niemals endet, und nur wer bereit ist, diesen Weg mit uns zu gehen, kann unser Partner werden“, sagt Tom Illbruck, Inhaber der deutschen Textilmanufaktur Global Tactics.
Den Höhepunkt der Unternehmerreise stellte ein Netzwerktreffen mit ghanaischen Vertreter:innen des Wirtschaftsministeriums (Ministry of Trade and Industry, MOTI) und dem Textilverband AGAM dar. Alle teilnehmenden Unternehmen zeigten sich vom Potenzial der ghanaischen Bekleidungsindustrie positiv überrascht und ziehen erste Testbestellungen in Erwägung.
Entwicklungspotenziale sehen die Unternehmen vor allem rund um den Ausbau der lokalen Stoffproduktion und die Erweiterung der lokalen und regionalen Wertschöpfung – von der Baumwolle bis zum versandfertigen Kleidungsstück gesehen. Dennoch: Die lokalen Bekleidungsproduzenten haben bisher definitiv geliefert. Nun sind die Einkäufer:innen aus dem Ausland am Drücker.
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