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"Tourismus ist ein wesentlicher Faktor für nachhaltige Entwicklung"

Karla Beteta schüttelt DRV-Präsident Norbert Fiebig die Hand
DRV-Präsident Norbert Fiebig und Karla Beteta, Seniorberaterin für Tourismus bei der Agentur für Wirtschaft und Entwicklung. Die Interviews haben wir vor den Kontaktbeschränkungen wegen Corona geführt.

In den letzten Monaten haben die Coronakrise und ihre Folgen den internationalen Tourismus erschüttert und die bisherige Boombranche in eine tiefe Krise gestürzt. Gerade Destinationen in Entwicklungs- und Schwellenländern hatten sich zum Wachstumsmotor entwickelt. Was die Faszination dieser Reiseziele ausmacht und wie Tourismus vor Ort  Positives bewirken kann: drei Fachleute berichten.

Zwar urlaubten die Deutschen auch vor Ausbruch der Pandemie am liebsten im eigenen Land, doch zuletzt zog es immer mehr Bundesbürgerinnen und Bundesbürger in die Ferne: Mehr als die Hälfte der über 14-Jährigen (39,5 Mio.) reisten einer Untersuchung des Studienkreis für Tourismus und Entwicklung zufolge bereits in ein Entwicklungs- und Schwellenland. Die Türkei, Ägypten, Tunesien und Marokko waren dabei die wichtigsten Destinationen. „Allein aus Deutschland reisen jährlich elf Millionen Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländer“, sagt Karla Beteta, Seniorberaterin für die Tourismuswirtschaft bei der Agentur für Wirtschaft und Entwicklung. „Für Unternehmen aus Deutschland sollte das Grund genug sein, dort in nachhaltigen Tourismus zu investieren.“

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Reisen in Entwicklungsländer treiben das Branchenwachstum an

Tourismus ist ein gewichtiger Wirtschaftsfaktor – viele Volkswirtschaften treffen die Einbrüche durch die Krise deshalb besonders hart: Mehr als zehn Prozent der globalen Wirtschaftsleistung gehen auf sein Konto, weltweit schafft er rund 319 Millionen Jobs. Davon profitieren auch die Entwicklungsländer, die in den vergangenen 25 Jahren ihren Marktanteil am weltweiten Reiseverkehr mehr als vervierfachen konnten. Für jedes dritte Entwicklungsland war Tourismus bisher der bedeutendste Devisenbringer. „In vielen dieser Länder findet man üppige Natur, erlebt echte Begegnungen mit den Menschen vor Ort und macht wertvolle kulturelle Erfahrungen“, sagt Beteta. „Der Tourismus in Entwicklungs- und Schwellenländern wird sich in Zukunft zum Motor des Branchenwachstums entwickeln.“

Der Münchener Reiseveranstalter Marco Polo Reisen bietet seit den 1950er Jahren sogenannte Entdeckerreisen in Schwellen- und Entwicklungsländer an. Auch vor der Coronakrise galt: Ein Land kommt nur als Reiseziel in Frage, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. „Zuerst muss die Sicherheitssituation grundlegend stimmen, aktuell wie perspektivisch,“ sagt Managing Director Holger Baldus. Ähnlich wichtig sei die touristische Infrastruktur – das Ziel muss gut erreichbar, Transport und Unterkunft vor Ort gewährleistet sein. „Abgesehen von diesen organisatorischen Gesichtspunkten sollte ein Reiseziel aber vor allem ein positives Kopfkino in Gang setzen. Dabei wollen wir als Reiseveranstalter dem Gast das Reiseziel möglichst authentisch nahebringen und Brücken zur Kultur des jeweiligen Landes schlagen.“ In den letzten Jahren sind dabei auch Themen wie Klimaschutz und Nachhaltigkeit immer wichtiger geworden: Seit 2012 gleicht sein Unternehmen sämtliche Treibhausgasemissionen, die durch Bus-, Bahn- und Schiffsfahrten unterwegs entstehen, durch Investitionen in den Bau von Biogasanlagen aus.
 

Tourismus in Pandemiezeiten

Bislang galt der Tourismus als einer der dynamischsten Sektoren weltweit: Die Anzahl der Auslandsreisen ist seit den 1950er Jahren um mehr als das fünfzigfache gestiegen, 2012 wurde zum ersten Mal mehr als eine Milliarde internationale touristische Ankünfte verzeichnet, 2018 waren es bereits 1,4 Milliarden. Für 2030 rechneten Experten des World Travel & Tourism Council (WTTC) mit 2,2 Milliarden internationalen touristischen Ankünften. Die Coronakrise hat diese Entwicklung nun ausgebremst. Die Weltorganisation für Tourismus der Vereinten Nationen (UNWTO) hat daher einen Aktionsplan für einen Neustart vorgelegt; UN-Generalsekretär Antonio Guterres betonte im Juni die Bedeutung des Tourismus für die Agenda 2030 und die damit verbundenen Ziele für nachhaltige Entwicklung. Tourismus könne Solidarität und Vertrauen fördern. Hier erfahren Sie mehr über die UNWTO-Richtlinien für den „Neustart“

„Nachhaltig heißt verantwortlich, fair und zukunftsorientiert“

Nachhaltigkeit sei einer der großen Trends, die aktuell den Tourismus prägen, so Norbert Fiebig, Präsident des Deutschen Reiseverbands (DRV), im März 2020. Die Sensibilität der Bevölkerung für das Thema steige und beeinflusse auch das Verhalten. Dabei beschränke sich Nachhaltigkeit im Tourismus nicht nur auf Fragen nach dem CO2-Ausstoß, sondern bedeute auch, die Natur zu schützen und zu bewahren. „Schließlich trägt die unberührte, intakte Natur zur Attraktivität vieler Reiseziele bei“, sagt Fiebig. Ein weiterer Faktor sei die soziale Verantwortung.  „Die Touristik bietet auch Möglichkeiten für weniger Qualifizierte und Bevölkerungsgruppen, die sonst Schwierigkeiten haben, in Jobs zu kommen. Der Beschäftigungsanteil von Frauen im Tourismus in Entwicklungs- und Schwellenländern liegt beispielsweise bei 54 Prozent, auch wegen der flexiblen Arbeitszeiten. Frauen können dadurch aktiv am Wirtschaftsprozess teilnehmen.“ 

„Die Stärkung von Frauen ist eine der effektivsten Möglichkeiten, positive Veränderungen in Entwicklungs- und Schwellenländern auszulösen“, bekräftigt AWE-Expertin Karla Beteta. Generell gelte: „Nachhaltiger Tourismus ist verantwortlich, fair und zukunftsorientiert. Er schafft Arbeitsbedingungen für ein Leben in Würde.“ Vor Ort entstünden zahlreiche Arbeitsplätze, die Kultur werde gestärkt. „Der Tourismus trägt zu lokalen Wertschöpfungsketten und Wirtschaftskreisläufen bei. Positiv ist zum Beispiel, dass Menschen in ländlichen Regionen bleiben können, weil sie dort im Tourismussektor Arbeit finden. Davon profitieren etwa lokale Lieferanten und das Kunsthandwerk.“ Allein in afrikanischen Ländern arbeiteten vor der Coronakrise 24 Millionen Menschen im Tourismussektor. Nach Prognosen des World Travel & Tourism Council könnte diese Zahl in den nächsten zehn Jahren um 30 Prozent steigen. „So sehr diese Länder und ihre Menschen für Reisende beispielsweise aus Deutschland interessant sind, so sind die Reisenden oft gleichermaßen für die lokale Bevölkerung spannend“, sagt Holger Baldus. „Als Besucher ermöglichen sie den Menschen vor Ort einen Blick in die weite, manchmal unerreichbar scheinende Welt.“ Auch das Erlernen einer Fremdsprache, das eine Anstellung in der Reisebranche in der Regel mit sich bringt, bedeute einen Bildungsschub und somit eine wertvolle Möglichkeit, die persönlichen Lebensbedingungen nachhaltig zu verbessern. Schon heute lande ein Großteil der touristischen Ausgaben in den Zielgebieten, ergänzt DRV-Präsident Norbert Fiebig. „Der Tourismus sorgt für eine wirtschaftliche Stabilisierung der Destinationen. Das trägt gerade in Schwellen- und Entwicklungsländern zur gesellschaftlichen Stabilisierung bei.“  
 

BMZ-gefördert: die Kooperation der Reisewirtschaft in Tunesien

Eine Destination, die gerade bei deutschen Reisenden sehr gefragt ist, ist Tunesien. Hier spielt der Tourismus eine wichtige Rolle für das Bruttoinlandsprodukt, rund 400.000 Arbeitsplätze hängen davon ab. Die deutsche Reisewirtschaft steht im engen Dialog mit den Veranstaltern vor Ort: Seit 2018 kooperiert der DRV mit seinem tunesischen Partnerverband, der Fédération Tunisienne des Agences de Voyage et de Tourisme (FTAV). Gefördert wird die Verbandspartnerschaft durch das Bundesentwicklungsministerium, Ziel ist es, das touristische Angebot vor Ort zu verbreitern, professionell zu vermarkten und nachhaltig aufzustellen. „Wir stehen hier als Sparringspartner zur Verfügung, mit dem Ziel, die Destination attraktiver zu machen“, so Fiebig. Damit wollen wir auch den Weg Tunesiens nach dem arabischen Frühling unterstützen.“ 

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Karla Luzette Beteta Brenes

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