"Die AWE ist Teil unseres Ökosystems"
Maria-Yassin Jah ist Gründerin und CEO der Aspuna Group, die sich als Unternehmen mit „social impact“ positioniert und in mehreren afrikanischen Ländern in agrarische Rohstoffe wie Maniok investiert. Bereits seit 2017 begleitet und unterstützt die Agentur für Wirtschaft und Entwicklung die Aspuna Group auf diesem Weg. Warum zielführende Beratung auch beim Mittagessen stattfinden kann, welche Parallelen es zum Arztbesuch gibt und wie sie manchmal mit dem deutschen Afrikabild hadert, erzählt Jah im Interview.
Frau Jah, die Aspuna Group bezeichnet sich selbst als soziales Unternehmen, Nachhaltigkeit steht bei Ihnen im Fokus. Was bedeutet das?
Jah: Soziale, wirtschaftliche und ökologische Verantwortung gegenüber den Communities ist Teil unserer Unternehmens-DNA und unseres operationellen Geschäfts. Wir haben uns deshalb verpflichtet, die Rohstoffe vor Ort zu verarbeiten, die Wertschöpfung entsteht damit komplett vor Ort. Das ist auch der Katalysator für den „social impact“, die gesellschaftliche Wirkung. Erstens arbeiten wir dort mit organisierten Kleinbauern zusammen, die nicht nur Geld für ihre Rohstoffe bekommen, sondern beispielsweise auch Bewässerungssysteme, Schutzzäune und Unterstützung für die Schulbildung ihrer Kinder. Zweitens setzen wir auf Qualifizierung. Wir schaffen nicht nur Hilfsarbeiterjobs, sondern bieten technische Trainings an. Gerade erarbeiten wir mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH einen Lehrplan und stehen kurz vor der Zertifizierung als Ausbildungszentrum.
In welchen Ländern sind Sie aktiv?
Jah: Gambia ist das Testfeld für unser Geschäftsmodell, hier haben wir angefangen. Bald sind wir in Nigeria und Tansania vertreten, Togo und Mosambik folgen. Cambridge ist der Geburtsort der Aspuna Group. Und am Unternehmenssitz in London laufen die Fäden zusammen.
Warum London?
Jah: Hier gibt es zahlreiche Netzwerke rund um soziales Unternehmertum. Außerdem zieht man in Großbritannien afrikanische und asiatische Märkte eher für Investitionen in Betracht und sieht die Chancen. In Deutschland geht es hingegen oft um klassische Entwicklungshilfe. In Großbritannien stießen wir daher mit unserem Start-up auf weniger Skepsis.
Welchen Vorbehalten sind Sie in Deutschland begegnet?
Jah: Soziales Unternehmertum heißt nicht, dass man keinen Umsatz und keinen Gewinn macht. Das ist in Deutschland aber manchmal das Bild. Generell ist die Wirtschaft recht mittelständisch geprägt, das Unternehmertum eher konservativ. In Großbritannien haben es auch Start-ups oft leichter. Das hat rechtliche Gründe – eine GmbH unterscheidet sich komplett von einer Limited Company – aber auch kulturelle, Stichwort: Risikobereitschaft. Dazu kommt das antiquierte deutsche Afrikabild. Viele verstehen nicht, dass man in Afrika Umsatz machen kann, dass es hier einen Markt und eine Mittelklasse gibt.
Ihre Tipps für diejenigen, die sich für afrikanische Märkte interessieren?
Jah: Mein wichtigster Tipp lautet, dort nicht schon mit der fertigen Strategie anzukommen, sondern vorher in den Dialog mit den Bezugsgruppen zu treten. Ich will mit meinem Unternehmen ja Teil der Gemeinschaft vor Ort werden. Unsere Kleinbauern etwa kennen ihre Herausforderungen sehr gut, unabhängig vom Schulabschluss.
Wie kamen Sie eigentlich von London aus zur Agentur für Wirtschaft und Entwicklung?
Jah: Als Deutsche ist es mir wichtig, hier am Ball zu bleiben. Der Marshallplan für Afrika hat mich sehr interessiert. Daher habe ich einen Brief an das Bundesentwicklungsministerium geschrieben, um die Aspuna Group vorzustellen. Der landete auf dem Tisch von Frau Dörre, Senior-Beraterin bei der AWE. So begann unser Dialog.
Welche Rolle hat die Agentur für Wirtschaft und Entwicklung für Sie bisher gespielt?
Jah: Für mich ist die AWE das Herz eines ziemlich guten Netzwerks. Erstens ist sie eine wichtige Informationsquelle, weil sie im Zentrum dessen steht, was sich in Deutschland tut. Zweitens hat uns die AWE mit interessanten Organisationen vernetzt, die vor Ort tätig sind. Ich hatte immer das Gefühl, bei Frau Dörre mit dem Thema soziales Unternehmertum auf offene Ohren zu stoßen. Ihre Marktkenntnis hilft mir dabei, die Geschichte der Aspuna Group in Deutschland so zu erzählen, dass sie verstanden wird.
Wie sieht ein Gespräch zwischen Ihnen aus?
Jah: Wenig formell. Das beste Gespräch mit der AWE hatte ich zum Beispiel während eines Mittagessens mit Frau Dörre und ihrem Kollegen Herrn Boysen, der für den Agrarbereich zuständig ist. Meist besprechen wir viele Dinge auf einmal – wir haken Punkte wie Unternehmensstrategie, Netzwerk oder Förderung nicht nacheinander ab, sondern tauschen uns wie unter Bekannten aus. Es ist dann die Kunst der guten Beratung, herauszufinden, was uns weiterbringen könnte. Mittlerweile ist die Agentur Teil des Ökosystems der Aspuna Group, über das wir Leistungen beziehen und weitergeben, etwa an die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern vor Ort.
Was sagt Ihnen besonders zu?
Jah: Die Beraterinnen und Berater denken nicht in Schubladen, sondern sind flexibel, keiner sagt: Das ist nicht mein Bereich. Das ist für uns als Start-up ideal. Durch die feste Ansprechpartnerin muss ich mich nicht immer neu erklären. Das ist ein bisschen wie in der Arztpraxis, da freut es einen ja auch, wenn man sich nicht jedes Mal vorstellen muss. Frau Dörre kennt die Aspuna Group mittlerweile. Und sie profitiert sicher in ihren anderen Gesprächen davon, dass sie uns in ihrer Kartei hat.
Das sehen die AWE-Beraterinnen und Berater genauso: Auch sie nehmen aus jedem Gespräch etwas für ihre Praxis und ihr Netzwerk mit.
Jah: Netzwerke sind ein zentraler Punkt: Mittlerweile kooperieren wir in Gambia auch mit der GIZ – obwohl Gambia eigentlich kein offizielles Partnerland der GIZ ist, was ich schade finde. Hier hat uns geholfen, dass wir bereits mit der AWE in Kontakt stehen. Das erhöht die Glaubwürdigkeit, gerade für Start-ups. Sehr wertvoll ist für uns auch der Einblick ins Politische, den uns die Agentur durch ihren Draht ins Bundesentwicklungsministerium erlaubt.
Was raten Sie denjenigen, die sich an die AWE wenden?
Jah: Es ist immer gut zu wissen, was man will, vor allem als Gründer. Je schwammiger die Ziele, desto schwieriger der Weg, bis etwas Konkretes entsteht. Um welche Sektoren geht es, um welche Länder? Das ist am Anfang des Beratungsprozesses entscheidend.
Wenn Sie an die Zukunft denken: Was brauchen Sie, um als Unternehmen wachsen zu können?
Jah: Gerade in neuen Ländern sind gute Partner entscheidend, denen wir vertrauen können und die sich fachlich auskennen, wie zum Beispiel die GIZ, die KfW oder in Gambia das Landwirtschaftsministerium. Aber wir brauchen für Joint-Ventures auch privatwirtschaftliche Kooperationen, die oft schwieriger sind. In Nigeria und Tansania haben wir diese über die Universität Cambridge gefunden – dass man von derselben Uni kommt, schafft Vertrauen. Cambridge ist also bis heute ein wichtiger Knoten in unserem Netzwerk.
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