Richtlinienvorschlag der Kommission zu Lieferketten wird im Herbst erwartet
Nicht nur auf der nationalen Agenda rückt die Regulierung menschenrechtlicher Sorgfaltsprozesse in den Vordergrund, sondern auch auf europäischer Ebene. Am 10. März 2021 einigte sich das Europaparlament mit großer Mehrheit auf den Richtlinienvorschlag zu Menschenrechten in Lieferketten. Der ursprünglich für Juni erwartete Richtlinienvorschlag der Kommission soll nun im Herbst veröffentlicht werden. Doch was hat es konkret mit dem Richtlinienvorschlag auf sich? Und an welche Unternehmen richtet er sich?
Der Richtlinienvorschlag des Europaparlaments sieht vor, die menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten von Unternehmen in globalen Wertschöpfungsketten umfassend zu regeln und geht weiter als bisher bestehende Regelungen in den Mitgliedsstaaten. Damit würde die EU-Richtlinie zur weltweit umfassendsten Regelung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten führen.
Anwendungsbereich der geplanten Sorgfaltspflichten-Richtlinie
Neben großen Unternehmen, die dem Recht eines Mitgliedstaates unterliegen oder im Unionsgebiet niedergelassen sind, sollen auch alle börsennotierten kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) sowie KMUs mit hohem Risiko erfasst werden. Die Richtlinie soll zudem für Unternehmen aus Drittstaaten gelten, wenn sie durch den Verkauf von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen im Binnenmarkt tätig sind. Damit sieht der Richtlinienvorschlag einen deutlich weiteren Anwendungsbereich als andere Regelungen vor. Das französische “Loie de vigilence” gilt erst ab einer Mitarbeiterzahl von 5.000. Auch der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht eine Anwendung ab 2023 zunächst für Unternehmen ab einer Mitarbeiterzahl von 3.000, ab 2024 ab einer Mitarbeiterzahl von 1.000 vor. Eine Regelung ähnlich der Geltung auch für Unternehmen außerhalb der Europäischen Union findet sich nur im niederländischen Gesetz gegen Kinderarbeit, das noch nicht in Kraft getreten ist.
Die Anforderungen des Richtlinienvorschlages kurzgefasst
Der Richtlinienvorschlag sieht vor, dass Mitgliedsstaaten Unternehmen verpflichten, Sorgfaltsprozesse zum Schutz von Menschenrechten, Umwelt und verantwortungsvoller Führung umzusetzen. Die Sorgfaltspflichten sollen in Bezug auf Lieferanten und Subunternehmen in der gesamten Lieferkette gelten. Zu beachten ist jedoch auch hier, dass Unternehmen nicht die volle Inanspruchnahme aller Menschenrechte überall in der Welt garantieren müssen. Stattdessen müssen sie Risiken in ihren Wertschöpfungsketten ermitteln, Abhilfemaßnahmen entwickeln und umsetzen, einen Beschwerdemechanismus zur Erkennung und Behebung von Missständen einrichten und über ihre Bemühungen Bericht erstatten.
Die große Frage nach der Haftung
Mit der Regelung zivilrechtlicher Haftung nimmt das Europaparlament zu einem der strittigsten Punkte in der öffentlichen Debatte Stellung. Nach dem Richtlinienvorschlag sollen die Mitgliedsstaaten zivilrechtliche Haftungsregeln einführen, nach denen Unternehmen auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden nehmen können, wenn sie ihren Sorgfaltspflichten nicht nachgekommen sind und hierdurch ein Schaden entstanden ist. Anders als bisher soll zudem nicht das Recht des Landes, in dem der Schaden eingetreten ist, Anwendung finden. Stattdessen dürften Kläger das Recht des Landes wählen, in dem das beklagte Unternehmen seinen Sitz hat. In der Praxis würde dies dazu führen, dass deutsche Unternehmen nach deutschem Recht für Vorfälle im Ausland verklagt werden können. Unternehmen können einen Anspruch auf Schadensersatz jedoch abwehren, wenn sie nachweisen, dass sie ihren Sorgfaltspflichten nachgekommen sind oder, dass der Schaden auch bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt eingetreten wäre.
Entwicklungen in der EU und in den Mitgliedsstaaten stehen in Wechselwirkung
Beobachtern zufolge ist es kein Zufall, dass zugleich auf europäischer Ebene und in Deutschland wie auch in anderen Mitgliedsstaaten regulatorische Entwicklungen im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte an Fahrt aufnehmen. Denn die Entwicklungen in den Mitgliedsstaaten beeinflussen die der Europäischen Union und umgekehrt. Befürwortern einer europäischen Lösung zufolge wäre eine europäische Regelung auch im Sinne von Unternehmen, damit im Binnenmarkt ein Level-Playing-Field geschaffen wird. Nach der Abstimmung im Europaparlament ist nun die Kommission gefragt. Ihr Vorschlag wird im Herbst erwartet.
Sie möchten mehr über den EU-Richtlinienvorschlag erfahren oder haben Fragen zur Umsetzung der hierin geforderten menschenrechtlichen Sorgfaltsprozesse? Dann ist der Helpdesk Wirtschaft und Menschenrechte Ihr Ansprechpartner!
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