Ich schätze den Mut, in der Tourismuswirtschaft neue Wege zu beschreiten
Keine Beratung ohne Beraterinnen und Berater: Die Agentur für Wirtschaft und Entwicklung versteht sich als zentraler Ansprechpartner für Investitionen und nachhaltige Projekte in Schwellen- und Entwicklungsländern. Doch wer sind die Köpfe dahinter? In dieser Reihe stellen wir Ihnen unsere Branchenexpert:innen vor. Heute: Seniorberaterin Karla Luzette Beteta-Brenes.
AWE: Angenommen, Sie sind privat unterwegs und werden gefragt, was Sie beruflich machen. Wie erklären Sie das?
Karla Luzette Beteta-Brenes: Ich berate Unternehmen, die sich auch über Ihre wirtschaftlichen Interessen hinaus in einem Land wie Kenia oder Mexico engagieren wollen. In persönlichen Gesprächen zeige ich ihnen auf, von welchen staatlichen Unterstützungsmöglichkeit sie auf diesem Weg profitieren können. Solche unternehmerischen Engagements umfassen ökonomische, ökologische und soziale Entwicklungsaspekte und finden in beeindruckend vielen Bereichen statt: Klimawandel, Gesundheitsversorgung, Menschenrechte, Technologie - Diese Liste ließe sich noch fortsetzen. Unter meine Zuständigkeit fallen zwei Sektoren mit großem Potential für nachhaltige Entwicklung: Tourismus und Kreativwirtschaft. Manchmal beschreibe ich meine Beraterrolle als Brückenbauerin zwischen entwicklungspolitischen und privatwirtschaftlichen Interessen. Denn unternehmerische Projekte im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit bilden Vertrauen und bauen Brücken.
AWE: Was begeistert Sie an dieser Aufgabe?
Beteta-Brenes: Wenn beispielsweise ein deutscher Reiseanbieter gemeinsam mit lokalen Hotelpartnern in einer Urlaubsregion in Vietnam ein teilweise öffentlich gefördertes Vorhaben zu Wirtschaften ohne Plastikabfälle erfolgreich durchführt, gewinnen alle Beteiligten. Das Vorgehen kommt einer ökologischen Wertehaltung seiner Kundschaft entgegen, steigert die Wettbewerbsfähigkeit, verringert die Umweltbelastung und führt darüber hinaus zur Verbesserung der Lebensumstände vor Ort. Wichtiger Bestandteil dieser Art von Projekten sind die ersten Beratungen. Und genau hier kommt die AWE als etablierte Anlaufstelle ins Spiel. Unsere Unterstützung bereitet auf die Reise in das Gebiet der unternehmerischen Entwicklungszusammenarbeit vor. Aus meiner Sicht tragen wir mit einer guten und gezielten Beratung dazu bei, unseren Planeten etwas gerechter und humaner zu machen. Ich nehme diese Verantwortung leidenschaftlich und konsequent in meiner Tätigkeit wahr, da für mich das Wohl von Mensch und Natur im Mittelpunkt steht.
AWE: In Ihren eigenen Worten: Was macht die AWE für Sie aus? Wie würden Sie die Funktion der Agentur für Wirtschaft und Entwicklung beschreiben? Welches Bild fällt Ihnen da ein?
Beteta-Brenes: Vielleicht bleibe ich mal beim Bild der Reise. Wenn wir das entwicklungspolitische Engagement der Unternehmer.innen als Reise begreifen, dann ist die AWE ihr Reisebegleiter für alle Fälle. Gemeinsam loten wir aus, welche Ziele zu ihnen passen könnten, planen ihre Route und weisen zielsicher den Weg. Die AWE ist so gut wie ihre Leute. Jede.r unserer Berater.innen verfügt über einen vollgepackten Rucksack mit unterschiedlichen Fachkompetenzen, regionaler Expertise und internationalem Netzwerk. Damit schultern wir einige der Herausforderungen, die einem unternehmerischen Engagement in Entwicklungs- und Schwellenländern sonst häufig im Wege stehen.
AWE: Es gibt ja keinen typischen Werdegang, um AWE-Berater:in zu werden: Wie war das bei Ihnen – welche ihrer vorherigen beruflichen Stationen war für Ihre heutige Tätigkeit am wichtigsten und warum?
Beteta-Brenes: Auf jeden Fall meine Zeit als Botschafterin von Nicaragua in Deutschland und Luxemburg. Netzwerkerin, Türöffnerin, Vermittlerin – das ist mein Selbstverständnis als Diplomatin. Ich betrachte mich aber auch als politische Begleiterin und Beraterin. Ich habe mit vielen Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft, mit Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und Ländern zusammengearbeitet. Dabei ist es enorm wichtig, einen Blick für das große Ganze zu haben und so die verschiedenen Interessen aller Beteiligten zu berücksichtigen. Aber dieser Blick muss den anderen auf Augenhöhe treffen und nicht von oben herab. Denn nur so baut man Vertrauen auf, eröffnet neue Perspektiven und ermöglicht gegenseitiges Verständnis. Die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft berührt zum Beispiel nicht selten das Feld der Außen- oder Wirtschaftspolitik und das auch vor dem Hintergrund aktueller gesellschaftlicher Fragen. Die Suche nach Win-Win-Situationen ist meiner Ansicht nach zentral für das Gelingen der Agenda 2030 und wird zum Beispiel mit Blick auf den Schutz von Umwelt und Menschenrechten in den kommenden Jahren noch mehr an Bedeutung gewinnen. Hier ist Diplomatie gefragt.
AWE: Und was ist das Wichtigste, was Sie bisher als AWE-Beraterin gelernt haben?
Beteta-Brenes: Ich habe Unternehmer:innen kennengelernt, die richtig ins Schwärmen kommen, wenn sie von ihren Engagements in anderen Regionen erzählen. In aller Bescheidenheit und Pragmatik möchten sie nichts weniger als die Welt verändern. Das sind Leute, die sich intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit und ihrer Verantwortung in dieser Hinsicht auseinandersetzen. Sie warten nicht, weder auf andere Marktteilnehmer noch auf strengere politische Vorschriften, sondern stellen selbst etwas auf die Beine und erkennen auch die Chancen in der Kooperation mit der Entwicklungszusammenarbeit. Sei das durch ein Aufforstungsprojekt für den Artenschutz im Tourismusbereich in Costa Rica oder ein innovatives Gaming-Weiterbildungsprogramm der Kreativwirtschaft in Tansania. Ich schätze außerdem die unternehmerische Risikobereitschaft, neue Wege zu beschreiten, das braucht Mut! Wenn ich diese Begeisterung, diesen Tatendrang in meinen Beratungsgesprächen spüre, fasziniert und bereichert mich das enorm.
AWE: Die Pandemie stellt die globale Wirtschaft vor enorme Herausforderungen. Gibt es etwas, das Sie optimistisch stimmt?
Beteta-Brenes: Ja, der Aufruf der Vereinten Nationen zu „Building Back Better“. Globale Probleme erfordern globale Lösungen. Das gilt sowohl für die Covid-19-Pandemie als auch für die Klimakrise, die unser Fortbestehen und die Welt wie wir sie kennen ernsthaft bedroht. Wenn wir – Regierungen, private Unternehmen, ganze Gesellschaften – uns trauen, unsere Perspektive zu wechseln und die Krise als einmalige Chance begreifen, wieder "grüner" zu bauen, umweltfreundlichere Technologien einzusetzen, und in zukunftsfähige Innovationen zu investieren, werden wir neue Antworten auf die Fragen unserer Zeit finden. Der europäische Green Deal ist zum Beispiel ein positiver Ansatz, die Wirtschaft klimaorientiert umzubauen. Ich denke, dass wir nicht aufgeben dürfen und bleibe hoffnungsvoll.
AWE: Ihr Appell: Warum lohnt sich das Engagement in Entwicklungs- und Schwellenländern für deutsche Unternehmen?
Beteta-Brenes: Aus meiner Sicht hat die aktuelle Krise die Notwendigkeit von internationaler aber auch sektorübergreifender Zusammenarbeit noch einmal deutlich gemacht. Nur so können wir die Verwerfungen der Pandemie bewältigen und eine in jedem Sinne nachhaltige Erholung einleiten. Die Liste der Herausforderungen – ob Klimawandel oder digitale Transformation – ist lang. Die Partnerschaft zwischen Entwicklungspolitik und Privatwirtschaft ist hier ein wichtiger Baustein des Erfolges und sollte zu den strategischen unternehmerischen Entscheidungen dieser Zeit gehören. Es ist klar, dass wir noch einen langen Weg vor uns haben, aber es ist der Richtige. Eine Investition in die Zukunft!
AWE: Ihre Vision: Was würden Sie beruflich mit der AWE gern erreichen?
Beteta-Brenes: Ich erkenne viele Möglichkeiten am Horizont. Besonders wichtig ist mir, mich dafür einzusetzen, dass wir in Zukunft die Agenda Frauen in der Zusammenarbeit mit der Wirtschaft stärker und strukturell in unserer Arbeit verankern. Unternehmerinnen sind in diesem Bereich immer noch unterrepräsentiert. Ich habe außergewöhnliche Frauen kennengelernt, die eine unglaubliche Stärke entwickelt und sich eine gute Portion Pragmatismus zugelegt haben, um sich in ihrer jeweiligen Branche überhaupt erst durchzusetzen. Das alles sind Fähigkeiten, die ihnen bei der Anbahnung von Projekten in Entwicklungsländern zugutekommen und von den Partnern sehr geschätzt werden. Auch entwicklungspolitisch ist es deshalb entscheidend, dem Thema weiterhin eine Bühne zu geben. Das ist ein Ziel, für das es sich zu kämpfen lohnt.
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