Kein Grund, sich auszuruhen. Entwaldungsrichtlinie der EU wird verschoben

Die EU-Entwaldungsverordnung, die Sorgfaltspflichten für Naturstoffe in der Lieferkette verlangt, wird voraussichtlich um ein Jahr verschoben. Der Baggerhersteller Komatsu braucht viel Gummi und bereitet sich vor.
Yvonne Löffler hat sich eingefuchst. Monatelang hat sie alles versucht, um es der EU-Verordnung zum Import von Naturkautschuk recht zu machen. Die Zeit drängte. Zum 30.12.2024 sollte die Verordnung scharf gestellt werden, nach der Importeure nur noch „entwaldungsfreien“ Kautschuk einführen dürfen. Die Expertin verantwortet die Importkontrolle bei der Komatsu Germany GmbH, Mining Division. Das Unternehmen aus Düsseldorf produziert Großhydraulikbagger für den internationalen Tagebau und ist Mitglied des Unternehmensnetzwerks Nachhaltiges Lieferkettenmanagement. Die Tochter des global operierenden Unternehmens Komatsu benötigt den weltweit begehrten Milchsaft des Gummibaums vor allem, um O-förmige Ringe und Dichtungen zu fertigen. Die EU-Entwaldungsverordnung, (EUDR) will das „Gummi elasticum“ aus den Lieferketten verbannen, falls es auf Flächen gewonnen wurde, die nach Dezember 2020 entwaldetet oder geschädigt worden sind.
Die sichere Herkunft des Kautschuks ist schwer nachzuweisen
Ein konsensfähiger Ansatz. Exemplarisch für die schwierige Umsetzung ist aber die sogenannte Geolokalisierung, also das exakte Ausweisen der Produktionsflächen. In Thailand, Indonesien, Vietnam und Indien, den wichtigsten Ländern, produzieren zu 80 Prozent Kleinbauern den Naturkautschuk. Katasterämter wie in Deutschland gibt es dort nicht. Stattdessen gilt oft noch das traditionelle, aber nicht verschriftlichte Recht der indigenen Bevölkerung. Auch Dienstleister, die die benötigten Geodaten nur zu gern gegen Honorar europäischen Importeuren zur Verfügung stellen, sind keine sichere Quelle. Dr. Gerhard Langenberger, Experte für Naturkautschuk bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), weiß: „Viele Länder geben solche Polygondaten nur ungern aus der Hand. Einige arbeiten aktiv an eigenen, nationalen Rückverfolgbarkeitssystemen und Geolokalisierung, was wir als GIZ unterstützen.“
Dr. Elke Stoffmehl, Referentin für Internationales Wirtschaftsrecht bei der IHK Düsseldorf, warnt Unternehmen vor zu viel Gelassenheit: „Auch wenn die Geolokalisierung schwierig ist und die Länder weltweit noch nicht risikoeingestuft sind, gilt: Wer die erforderlichen Nachweise nicht bringen kann, darf nicht einführen.“ Deshalb suchte Löffler aus den rund 30.000 verwendeten Produkten bei Komatsu diejenigen heraus, die mit einer„40“ für Kautschuk in der Zolltarifnummer geführt werden. Eine Sisyphusarbeit. Aus den knapp 6.000 gefundenen Kandidaten extrahierte sie Stück für Stück solche mit Naturkautschuk statt des synthetischen Ersatzes. Beide Arten haben identische Nummern. „Zolltarifnummern werden jährlich einer Revision unterzogen und neu vergeben, warum unterscheidet der Zoll die Varianten nicht einfach“, fragt sich Löffler.
Am Ende stellte sich heraus: Gerade mal zwei Prozent des in Düsseldorf benötigten Naturkautschuks fallen unter die Verordnung. „Dieser unverhältnismäßige Aufwand ärgert mich, weil ich aus Überzeugung hinter den Zielen einer nachhaltigen Wirtschaft stehe“, erklärt Löffler. Der wachsende Bedarf kann entweder durch die Ausweitung der Fläche mit dem Risiko der Entwaldung oder durch eine effizientere Produktion auf den aktuellen Flächen erreicht werden.
Aussitzen ist keine Option
Die GIZ unterstützt die Kleinbauern mit Kooperationen, so Langenberger: „Naturkautschuk ist eine wichtige Existenzgrundlage für rund sechs Millionen Kleinbauern in häufig abgelegenen Regionen.“ Er befürwortet die EUDR: „Vorher war doch niemandem klar, woher der Naturkautschuk kommt und wie er produziert wird.“ Der neutrale Experte wird sich aber in Geduld üben müssen. Denn das EU-Parlament befindet sich seit dem 14. November 2024 in einer neuen Abstimmungsrunde, dem sogenannten Trilogverfahren. Ziel ist es, die Anwendung der Verordnung um ein Jahr zu verschieben. Steht nicht mindestens sechs Monate vor dem Geltungsbeginn die nötige Plattform für den Informationsaustausch und die Risikoeinstufung der Länder voll funktionsfähig zur Verfügung, könnte dann noch weiter verschoben werden. Einige Kautschukproduzenten und -importeure hatten Druck gemacht. Doch selbst die Branche ist sich uneinig.
Zeitgleich plädierte die Global Platform for Sustainable Natural Rubber für das Gegenteil: Ihre Unternehmen, die weltweit über die Hälfte des Kautschuks produzieren, hätten bereits viel Kapital investiert, um die Auflagen zu erfüllen und seien ausreichend vorbereitet.
Aufatmen und Aussitzen - das ist jetzt keine Option für betroffene Unternehmen. Darin sind sich alle drei Expert:innen einig. Yvonne Löffler empfiehlt: „Ich kann jedem Unternehmen nur raten, sich weiterhin über seine Zulieferer Gedanken zu machen. Das gilt auch für die Untersuchungsverfahren im Antidumping-Bereich. Für alle, die kalt erwischt werden, wird es umso teurer.“
Dieser Beitrag ist zuerst im IHK-Magazin der IHK Düsseldorf erschienen,. Autorin Anke Henrich..
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