Was sind eigentlich frugale Innovationen?
„Weniger ist mehr“ oder „Keep it simple“ – das lässt sich auch auf Produkte anwenden. Gerade für den Markteintritt in Entwicklungs- und Schwellenländern sind solche Einstiegslösungen oft besser geeignet als vermeintliche Premiumvarianten. Was Sie darüber wissen sollten: fünf Fakten zu frugalen Innovationen.
1. Worum geht es bei frugalen Innovationen?
Was wäre, wenn neue Produkte auf den Markt kämen, die genau dem Kundenbedarf entsprächen – weder komplex noch teuer bei gleichzeitig guter Qualität? Das wäre – und dafür gibt es ein Wort: frugal. Frugale Produkte und Lösungen zielen auf einfache und zuverlässige Anwendung statt auf einen überbordenden Leistungsumfang, der oft am Bedarf der Nutzerinnen und Nutzer vorbeigeht. Sie sind erschwinglich, fokussieren auf wesentliche Funktionen, sparen Ressourcen, sind wartungsarm und robust. „Weniger ist mehr“, so das Prinzip.
2. Welche Beispiele gibt es?
Frugale Innovationen sind grundsätzlich in jeder Branche möglich. In der Medizintechnik zählen etwa kleine und mobile Ultraschallgeräte oder Computertomographen dazu, textile Brutkästen für Frühchen sowie urinbasierte Verfahren zur Malaria-Schnelldiagnostik. Im Energiesektor sind es Solar-Home-Systeme und autarke Off-Grid-Lösungen. Robuste, einfache und kostengünstige Fahrzeuge für unwegsame Regionen, spezielle Truck-Modelle für Indien sowie Onlinevermittlungsdienste zur Personenbeförderung sind Beispiele für frugale Mobilitätskonzepte. Überhaupt spielt die Digitalisierung als Treiber frugaler Lösungen eine große Rolle: Sie ermöglicht den Zugang zu Services, und dieser Zugang wird zunehmend wichtiger als der Besitz eines Produktes. Digitale Bezahlsysteme für Menschen ohne Bankkonto, Sharing-Economy-Plattformen und Smart Farming sind frugale Geschäftsmodelle aus dem Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik.
3. Worin liegen die Vorteile?
Frugale Ansätze setzen der Niedrigpreiskonkurrenz Qualität entgegen. Und sie bieten neue Absatz- und Produktionsmöglichkeiten in neuen Märkten; die wachsende Mittelschicht in Entwicklungs- und Schwellenländern ist eine relevante Zielgruppe. In Industrieländern sind bewusster Konsum, Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit Treiber für frugale Lösungen. Zudem gibt es spezifische Kundengruppen wie zum Beispiel die alternde Bevölkerung, die einfache und robuste Produkte nachfragt. Ein weiterer Nutzen neben der wirtschaftlichen Rentabilität: die ökologische und soziale Verträglichkeit. Das zahlt auch auf globale Vorhaben ein, etwa auf die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDG) der Vereinten Nationen.
4. Was ist so neu an dem Konzept?
Bei frugalen Innovationen geht es nicht ums bloße Weglassen, sondern um ein Neudenken des kompletten Innovationsprozesses und der gesamten Wertschöpfungskette. Das geht nur mit einer offenen Unternehmenskultur und echtem Change Management: weg vom heutigen „Over-Engineering“ deutscher Ingenieurinnen und Ingenieure, die – auch vom eigenen Anspruch getrieben – oft Lösungen entwickeln, die aufwändiger sind als nötig. Frugale Innovationen sind hingegen radikal kundenorientiert, der spätere Nutzerinnen und Nutzer rückt mit seinen Bedürfnissen in den Fokus. Voraussetzung ist eine hohe Empathie für die Kundinnen und Kunden, um deren relevante Kriterien herauszufiltern sowie im Anschluss die Produktmerkmale zu priorisieren. Als Credo gilt: „Verlieb dich in die Herausforderung, nicht in die Lösung“. Das heißt, aufs Beispiel heruntergebrochen, dass im Mittelpunkt der Überlegungen die Frage nach der kostengünstigen Kühlung von Lebensmitteln (die Herausforderung) steht – und nicht die Frage nach einem günstigen Kühlschrank (die Lösung).
5. Was können Unternehmen tun?
Unternehmensseitig sind interdisziplinäre Teams und ein kreativer, iterativer, agiler Prozess gefragt. Außerdem sollten Unternehmen ihre Zielmärkte kennen. Dabei helfen
Partnerschaften mit Technologieführern und Institutionen vor Ort wie Universitäten, Nichtregierungsorganisationen, Außenhandelskammern und lokalen Unternehmen. Sie sind sehr wichtig, um den Nutzungskontext und die lokalen Gegebenheiten zu verstehen: von den Umweltbedingungen über die Infrastruktur und Regularien bis hin zu kulturellen Aspekten. Unsere Beraterinnen und Berater unterstützen Unternehmen gern beim Aufbau eines solchen Netzwerks und helfen dabei, geeignete Förderinstrumente zu identifizieren. Selbst wenn es für frugale Innovationen aktuell keine expliziten Angebote gibt, können – je nach Konstellation und Vorhaben – Förderprogramme von Bund und Ländern genutzt werden. Infrage kommen zum Beispiel die Angebote des Entwicklungsinvestitionsfonds, Programme wie develoPPP.de und Projektförderungen, zum Beispiel über den Innovationsgutschein Bayern, die Bayerische Forschungsstiftung oder die Bayerische Forschungsallianz. Eine erfahrene Ansprechpartnerin zum Thema, nicht nur für bayerische Unternehmen, ist Dr. Petra Blumenroth, Programmmanagerin Frugale Innovation bei Bayern Innovativ – Bayerische Gesellschaft für Innovation und Wissenstransfer mbH.
Interessierte Unternehmen in der Region können sich auch direkt an den EZ-Scout des Außenwirtschaftszentrums Bayern bei der IHK München werden.
Sie haben Fragen zum Thema? Ihr Kontakt in der AWE
Almuth Dörre
AWE Expertin für Bildung und Qualifizierung
almuth.doerre(at)wirtschaft-entwicklung.de
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