Zwei Tischlerinnen ebnen den Weg für Frauen im Handwerk
Es ist nicht einfach als Frau in einer männerdominierten Branche zu arbeiten. Eve Zalwango aus Kampala und Orsine Mieland aus Berlin wissen das nur zu gut und möchten mehr Frauen für das Handwerk motivieren. Über das ehemalige Skilled Crafts and Trades Network 4 Africa, welches nun Teil des Business Scouts for Development Programms ist, haben die beiden Tischlerinnen ein Kooperationsprojekt ins Leben gerufen, das sich speziell an Nachwuchstischlerinnen in Uganda richtet. Das Interview führten die Kolleg:innen vom Partnerprogramm Business Scouts for Development.
Business Scout Programm: Frau Zalwango, Sie sind Gründerin von Fundi Women und V Interiors Ltd in Kampala. Frau Mieland, Sie sind Inhaberin der Abitare Tischlerei GmbH in Berlin. Wie sind Sie zu Ihrem jetzigen Beruf gekommen und was hat Sie gereizt die Kunst des Tischlerhandwerks zu erlernen?
Orsine Mieland: Nach der Schule habe ich mich gegen ein Studium entschieden, weil ich lieber etwas Handfestes machen wollte, etwas mit Sinn. Alle waren überrascht, dass ich Schreinerin werden wollte, aber für mich war es nie ein Männerberuf, da ich von klein auf durch meine Familie damit in Berührung gekommen bin. Mir gefiel auch die Vorstellung, im Handwerk frei zu sein: Es gab keine weiblichen Vorbilder und Erwartungen, sodass ich nicht auf eine bestimmte Weise aussehen oder mich verhalten musste. Nachdem ich einige Zeit in Deutschland und im Ausland gearbeitet hatte, wurde ich Tischlermeisterin und arbeite heute mit zwölf Mitarbeiter:innen.
Eve Zalwango: Ich bin von Natur aus ein sehr rebellischer Mensch und mochte es schon immer, anders zu sein. Statt in der Nähe meiner Heimat in Uganda zu studieren, landete ich in Indien, wo ich IT studierte. Dort kam ich in Kontakt mit einer Schule für Tischlerei und Innenarchitektur, die mir auf Anhieb gefiel. Es gab dort nur junge Männer, die mich zunächst ablehnten, mich aber schließlich doch aufnahmen, und so schloss ich mein Studium mit einem IT-Abschluss und einem Diplom als Tischlerin ab. Ich zog zurück nach Uganda, arbeitete eine Zeit lang im IT-Bereich, hatte aber immer das Gefühl, dass das Tischlerhandwerk das war, was ich machen wollte – auch wenn meine Familie und andere Leute es für einen minderwertigen Beruf hielten. Und so kündigte ich meinen IT-Job, übernahm einen Handwerksbetrieb und gründete später mein eigenes Unternehmen.
Business Scout Programm: Frauen sind in handwerklichen Berufen immer noch in der Unterzahl. Was sind Herausforderungen, denen Sie als Frauen in Ihrem Arbeitsumfeld begegnet sind?
Mieland: Vor allem zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn als Schreinerin hatte ich das Gefühl, dass die Männer nicht an Frauen in diesem Berufsfeld gewöhnt waren und mich deshalb unterschätzten. Ich hatte oft das Gefühl, dass Männer lieber mit anderen Männern zusammenarbeiten, obwohl mir das niemand direkt gesagt hat. Als ich einmal eine elektrische Bohrmaschine gekauft habe, gab es einen sehr netten und höflichen Mitarbeiter, der mir sehr ausführlich erklärte, wie die Maschine funktionierte. Und ich habe mich gewundert, warum er das gemacht hat, weil ich genau wusste, wie die Maschine funktioniert! Heute fühle ich mich mehr respektiert. Schwierig ist es nur manchmal bei der Arbeit auf Baustellen, wo ich des Öfteren mit sexueller Belästigung kämpfen muss. Nach ein paar Tagen fangen meine männlichen Kollegen in der Regel an mich zu respektieren, aber ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass manche Männer dich verdrängen wollen, wenn sie merken, dass sie auf dein Fachwissen angewiesen sind.
Zalwango: Ich habe auch sexuelle Belästigung und mangelnden Respekt erlebt, was sehr erniedrigend sein kann. Wenn ich Baustellen besuche, stehen die Männer häufig in einer Reihe und fangen an zu pfeifen oder mich zu beleidigen. Inzwischen kennen mich viele Arbeiter allerdings schon und sagen Dinge über mich wie: „Mit ihr ist nicht zu spaßen, geh ihr einfach aus dem Weg und mach genau das, was sie dir sagt“. Aber so sollte es ja eigentlich nicht sein. Wir sollten als Frauen ja generell in der Lage sein, im gleichen Arbeitsumfeld auf Augenhöhe mit Männern zu arbeiten.
Business Scout Programm: Was ist Ihrer Einschätzung nach der Grund dafür, dass immer noch wenige Frauen im Handwerk tätig sind und was könnte getan werden, um die Beteiligung von Frauen zu erhöhen?
Zalwango: Zunächst einmal ist es die Einstellung, dass das Tischlerhandwerk ein Männerberuf ist. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele Frauen das sofort ablehnen, weil sie Handwerk mit der Arbeit mit den Händen am Holz assoziieren. In meiner Firma haben wir etwa 50 Prozent Handwerkerinnen und 50 Prozent Handwerker, aber die Frauen sind hauptsächlich im Büro oder in der Endfertigung tätig. Frauen wie ich, die bereits im Handwerk arbeiten, müssen andere Frauen ermutigen und ihnen zeigen, dass es in diesem Bereich eine große Vielfalt an Berufen gibt, die sie wählen können. Frauen brauchen mehr Vorbilder, damit sie sich selbst in dieser Position vorstellen können.
Mieland: Ja, wie Frau Zalwango schon sagte, wird das Handwerk oft mit der Bearbeitung von Holz in Verbindung gebracht, während das Zimmererhandwerk heutzutage vor allem planerische Fähigkeiten und ein Verständnis für das gesamte Projekt in all seinen Details von Anfang an erfordert, da wir digitale Unterstützung und computergestütztes Design nutzen. Abgesehen davon denke ich, dass das Verhalten von vielen Männern in diesem Beruf auch einige Frauen abschrecken könnte.
Business Scout Programm: Gemeinsam haben Sie ein Ausbildungsprogramm für Frauen im Tischlerhandwerk in Uganda entworfen. Worum geht es dabei und was ist Ihr Plan für die Zukunft?
Zalwango: Alles begann mit meiner ältesten Tochter, die genau das tun wollte, was ich tue. Wir begannen zu experimentieren, und auch ihre Freunde in der Schule wurden neugierig. Das führte schließlich zu einem Kinderprogramm, an dem ich mitwirkte bis ich mit dem Skilled Crafts Hub des BSfD-Programms in Kontakt kam. Das Programm brachte mich mit Frau Mieland, zusammen, was die beste Erfahrung in meiner beruflichen Laufbahn war, weil ich nun jemanden hatte, an den ich mich wenden und der mich verstehen konnte. Wir leben zwar in einer anderen Welt, aber wir befinden uns in der gleichen Situation, da wir beide Frauen sind, die im Handwerk arbeiten und mit unseren Unternehmen vor ähnlichen Herausforderungen stehen. Diese Partnerschaft mit Frau Mieland hat mich davon überzeugt, dass es auch andere Frauen im Handwerk geben muss.
Deshalb haben wir gemeinsam eine Schulung für Frauen im Tischlerhandwerk geplant, welche ich in den Sozialen Medien beworben habe und begeistert war, dass es über 120 Anfragen gab. Am Ende hat der Kurs sehr gut funktioniert, vier Frauen aus dem Kurs arbeiten jetzt in meinem Unternehmen und werden die Ausbilderinnen für den nächsten Kurs sein. Wir planen diese Ausbildung fünf Jahre lang jährlich mit 40 Frauen pro Jahr fortzusetzen, sodass wir am Ende etwa 300 Frauen in Uganda zu Tischlerinnen ausgebildet haben.
Mieland: Ich finde diese Erfahrung auch sehr spannend. Ich denke das Kinderprogramm ist sehr wichtig, um jungen Menschen ihre Möglichkeiten aufzuzeigen. Vorbilder spielen entscheidende Rollen für die zukünftige Ausbildung. Ich denke aber auch, dass es sehr wichtig ist, Frauen in einem Alter, in dem sie nach Möglichkeiten für ihre berufliche Zukunft suchen, eine Berufsausbildung zu geben. Für mich war es eine sehr inspirierende Möglichkeit und Ehre, dieses Projekt von Eve zu begleiten. Und das hier ist erst der Anfang.
Ihre Ansprechpartnerin der Business Scouts for Development
Marina Neuendorff
Business Scout Schwerpunkt Handwerk
marina.neuendorff(at)giz.de
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