Interview mit Günther Nooke
Im Gespräch mit dem persönlichen Afrikabeauftragten der Bundeskanzlerin
AWE: Herr Nooke, Sie sind seit fast 10 Jahren der Afrikabeauftragte der Bundeskanzlerin, seit 2014 auch des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Wie hat sich in dieser Zeit die Rolle Afrikas in der deutschen Politik verändert?
Nooke: Die Aufmerksamkeit für Afrika ist gewachsen. Das hängt vor allem mit der Debatte um Flüchtlinge und Migranten 2015 und danach zusammen. Die Bundeskanzlerin sagte im Oktober 2016 in Addis Abeba: „Das Wohl Afrikas liegt im Interesse Deutschlands und Europas.“ Ich sehe das genauso. Dieser Satz nimmt aber auch beide Seiten in die Pflicht. Aus meiner Sicht heißt das zuerst, eine ehrliche Debatte zu führen: über das, was mit uns möglich ist, und das, was mit uns nicht geht, aber auch darüber, was Afrika selbst beitragen kann und muss, und was unrealistisch ist, weil es seit 20 Jahren nicht funktioniert.
AWE: Mit dem „Compact with Africa“ der G20 sind konkrete Vereinbarung mit einer Reihe afrikanischer Staaten getroffen worden in Bezug auf Reformen auf politischen und wirtschaftlichen Feldern. Können Sie uns hier ein kurzes Update zur Umsetzung geben?
Nooke: Die Bundesregierung hat mit dem Compact for Africa bei unserer G20-Präsidentschaft 2017 Afrika neu in den Mittelpunkt gestellt. Deutschland ist gut vorangekommen. Die Privatwirtschaft zeigt mehr Interesse und hat speziell in den Compact-Ländern mehr investiert. Das BMZ hat seitdem mit einzelnen CwA-Ländern Reformpartnerschaften abgeschlossen, die jetzt ausgestaltet werden. Die Bundeskanzlerin nimmt sich wie in den beiden letzten Jahren wieder einen ganzen Tag am 19. November Zeit für das Treffen mit den Staats- und Regierungschefs der Compact-Länder. Der Einladungskreis ist über Afrika hinaus auch auf G20-Länder ausgeweitet worden, denn der CwA ist keine rein deutsche Initiative. Auch die internationalen Finanzinstitutionen könnten noch etwas aktiver werden.
AWE: Die deutsche Wirtschaft wird in den letzten Jahren verstärkt in den Blick genommen, wenn es um Afrika geht. Mehr Investitionen aber auch ein verstärkter Technologietransfer und Ausbildung durch deutsche Unternehmen sollen dazu beitragen, dass in Afrika nachhaltige Jobs entstehen. Mit welchen Angeboten unterstützt die Bundesregierung Unternehmen auf dem Weg nach Afrika?
Nooke: Es gibt so viele, dass ich sie nicht alle aufzählen kann! Neu sind der Entwicklungsinvestitionsfonds mit den beiden Fenstern Africa Connect und Africa Grow. Aber es geht nicht nur um Finanzinstrumente oder Risikogarantien. Um in Afrika überhaupt effizient und wettbewerbsfähig produzieren zu können, braucht es bessere Infrastruktur, gut ausgebildete Fachkräfte und den Zugang zu interessanten und großen Märkten. In allen Bereichen ist die Bundesregierung zusammen mit afrikanischen Partnern sehr aktiv: Wir unterstützen das AU Programme for Infrastructure Development in Africa (PIDA), die Berufsausbildung und Skills-Initiativen, die Öffnung des europäischen Marktes für Produkte aus Afrika, vor allem aber die Umsetzung der AfCFTA, der afrikaweiten Freihandelszone, um den innerafrikanischen Handel zu stärken.
AWE: Noch immer sind die Zahlen für FDI nach Afrika sehr niedrig. Nur 0,6 Prozent der deutschen Auslandinvestitionen fließen nach Afrika. Welche Gründe sehen Sie dafür? Was muss passieren, damit mehr wirtschaftliche Beziehungen zwischen Deutschland und Afrika entstehen?
Nooke: Ein Markt von einer Milliarde Menschen und in zwanzig Jahren von zwei Milliarden, der mit der AfCFTA entsteht, ist immer interessant. Und zwar nicht zuerst für die Einfuhr europäischer Produkte, sondern für Investitionen zur Produktion von Waren und vor allem IT-Dienstleistungen vor Ort, die die Menschen in Afrika wirklich brauchen. Da geht es um die vielen Menschen, die nicht mehr als fünf Dollar am Tag zur Verfügung haben, nicht die wenigen, die sich deutsche Premium-Autos leisten können. Deutsche Unternehmen sollten viel mehr in Innovationen, angepasste Produkte und digitale Lösungen für Afrika investieren. Meiner Meinung nach sollte die europäische Afrikapolitik Beihilfen aus dem Strukturfonds zahlen, wenn Unternehmen in Afrika investieren. Und zusammen mit afrikanischen Regierungen müssen endlich Bedingungen angeboten werden, die sicher sind und frei von Korruption funktionieren. Denn Geld zum Investieren war noch nie so viel vorhanden wie derzeit.
AWE: Sie reisen sehr viel auf dem Kontinent: haben Sie einige Empfehlungen aus wirtschaftlicher Sicht für interessante Standorte und Branchen?
Nooke: Funktionierende Wirtschaftssonder- oder Entwicklungszonen – Inseln der Prosperität und guter Regierungsführung – halte ich als Zwischenschritt für wichtiger als die nächste Unterweisung in Good Governance. Wenn verlässliche Rahmenbedingungen nicht im ganzen Land zu erreichen sind, dann sollte Afrika hier von China lernen. Dafür könnten sich alle Staaten interessieren, von Äthiopien und Ägypten bis hin zu Burundi und Somalia. Auch sollten wir Afrika ein Angebot machen, künstliche Kraftstoffe aus Sonnen- und Windstrom zu produzieren; da kann man an Nordafrika oder auch Namibia oder küstennahe Standorte am indischen Ozean denken.