Think big in small units. Günstiger grüner Wasserstoff
Klimafreundlich hergestellter Wasserstoff wird in den nächsten Jahren die grüne Transformation der Industrie beherrschen. Noch ist er zu teuer – auch weil die Produzenten bislang vor allem mit großen Anlagen arbeiten und die herkömmlichen Elektrolyse-Verfahren ineffizient sind. Die Enapter AG geht genau den anderen Weg – mit kleinen, flexiblen und erweiterbaren AEM-Elektrolyseuren, die vergleichsweise wenig kosten. Wir haben mit Sebastian-Justus Schmidt, Geschäftsführer und Mitgründer, über diesen einzigartigen Ansatz gesprochen – und erfahren, was sein Wohnhaus in Thailand mit damit zu tun hat.
Agentur für Wirtschaft und Entwicklung (AWE): Herr Schmidt, die Enapter AG ist im Wasserstoffsektor zuhause und international tätig. Wie sieht Ihr Geschäftsfeld aus?
Sebastian-Justus Schmidt: Wir wollen grünen Wasserstoff günstiger machen als fossile Brennstoffe wie Gas oder Öl. Erinnern Sie sich an die ersten Computer? Das waren riesige Rechner, die ganze Räume gefüllt haben. Seit es PC gibt werden Rechenzentren aus PC-ähnlichen Modulen zusammengestellt – diese sind in Masse kostengünstiger und flexibler. Im Prinzip machen wir das genauso: Wir wollen alle mehr (grünen) Wasserstoff. Aber anstatt einen größeren Elektrolyseur zu bauen, setzen wir mit unserer Elektrolyse-Technologie auf kleine kompakte Module, die sich kombinieren lassen. Je mehr Module man zusammenfügt, desto mehr Wasserstoff entsteht. Weil wir derzeit nur einen „Core“ also einen Stack einer Größe herstellen, können wir größere Mengen davon produzieren und so die Kosten senken.
Unsere Technologie basiert auf der Anion Exchange Membrane (AEM)-Elektrolyse, die die Vorteile der Alkalischen Elektrolyse und der Elektrolyse mittels Polymerelektrolytmembran (PEM) auf innovative Weise verbindet. Wir verwenden im Vergleich zu anderen Herstellern außerdem kostengünstigere Elektroden und benötigen kein teures Titanium oder Iridium für die Elektrolyse. Auch das senkt die Kosten – und im Endeffekt eben den Wasserstoffpreis.
AWE: Wie unterscheidet sich Enapter noch von anderen Elektrolyseur-Herstellern?
Schmidt: Unsere absolute Überzeugung und unser starker Wille nachhaltig zu entwickeln und produzieren – neben den Technischen Details unserer Produkte - darin unterscheiden wir uns im weltweiten Vergleich besonders. Wir wollen unseren gesamten Produktionsprozess im Sinne der Kreislaufwirtschaft gestalten und der Umwelt nicht schaden. Dieses Ziel verfolgen wir mit unserem „Life-Cycle-Impact-Zero“-Projekt am Enapter Campus im nordrhein-westfälischen Saerbeck.
Außerdem arbeiten wir als derzeit einziger Hersteller weltweit mit den AEM-Membranen. Und haben mehr als 3.700 Systeme an über 350 Partner in rund 50 Ländern verkauft – das dürfte uns weltweit zahlenmäßig zu den Elektrolyser Hersteller mit den meisten Auslieferungen machen. Unsere Elektrolyseure sind digital, selbst die kleinsten Systeme verfügen über mehr als 30 Sensoren. Wir bieten ausführliche technische Informationen leicht zugänglich an und machen unsere Software als Open Source Code verfügbar.
AWE: Haben Sie Beispiele, wie Ihre Elektrolyseure zum Einsatz kommen?
Schmidt: Unsere Kunden verwenden unsere Systeme als Stromspeicher, als Power-to-Heat- oder Power-to-Gas-Anwendung, für industrielle Lösungen oder für Mobilität und Forschung. Ein schönes Beispiel ist auch das Haus meiner Familie in Thailand. Das Phi Suea House (Heimat der Schmetterlinge) ist das weltweit erste Mehrfamilienhaus, das Solar- und Wasserstofftechnologie kombiniert. Es ist netzunabhängig, denn Sonne und Regen decken in Kombination mit Enapter-Elektrolyseuren den gesamten Energie- und Wasserbedarf. Aber weltweit gibt es ganz viele verschiedenartige Anwendungen, die wir auch ausführlich auf unser Website beschreiben.
AWE: Wie gewährleisten Sie die Sicherheit der Anlagen?
Schmidt: Wasserstoff ist das einzige Gas, das nicht giftig ist. Es ist sehr leicht und das schafft eine eigene, besondere Sicherheit. Trotzdem ist es natürlich durch den hohen Energiegehalt gefährlich. Der Elektrolyseur von Enapter ist eigensicher konzipiert und führt in regelmäßigen Abständen Testroutinen durch. Elektrolyseure ab der Generation 2020 sind CE-zertifiziert, was eine einfache Integration in bestehende Sicherheitskonzepte ermöglicht. Ebenfalls sind die Geräte in einigen Ländern zusätzlich zertifiziert. Bei größeren Anlagen, wo viele Systeme zusammengeschaltet werden, kann es erforderlich sein, zusätzliche Sicherheitsvorrichtungen, zum Beispiel Wasserstoffdetektoren auf der Oberseite des Schrankes oder des Raumes zu installieren. Das ist der Fall, wenn lokale Vorschriften und Sicherheitskonzepte erfüllt werden müssen. Die Systeme verfügen über mehrere Abschalttechniken im Falle von Leckagen.
Natürlich bleibt ein Restrisiko. Aber: In unserem Alltag existieren tausende Gefahren wie Toaster oder Stromleisten oder Gaskocher. Und wir haben gelernt, mit diesen Gefahren umzugehen und vorsichtig zu sein. Genauso können wir lernen, Wasserstoff zu handhaben.
AWE: Wie bewerten Sie die Rolle von grünem Wasserstoff und seinen Folgeprodukten in Schwellenländern?
Schmidt: Wasserstoff ist für Schwellenländer besonders interessant. Bereits heute ist Solarenergie günstiger als fossiler Strom. Das Problem ist die Speicherung: Wenn die Speichersysteme deutlich preiswerter werden, kann Strom die Wirtschaftskraft von Schwellenländern enorm steigern. Die benötigte Solar- und gegebenenfalls auch Windenergie kann lokal und regional erzeugt werden, funktioniert dezentral und braucht keine große Netztechnologie mehr. Das eröffnet völlig neue Möglichkeiten.
AWE: Sie wohnen und arbeiten in Thailand. Wie engagiert sich Ihr Unternehmen vor Ort?
Schmidt: Als Unternehmen möchten wir natürlich unsere Anlagen verkaufen. Wir haben es uns aber auch vorgenommen, das Verständnis für grüne Energiethemen in Thailand und in der ganzen Region zu wecken. Daher haben wir früh angefangen, das Phi Suea House der Öffentlichkeit vorzustellen. Wir hatten in den letzten Jahren über 1.000 Besucherinnen und Besucher, denen wir den Nutzen von Wasserstoff als Energieträger vorführen konnten.
Wir nehmen außerdem an Veranstaltungen der Handelskammer und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) teil. Im Rahmen des International Hydrogen Ramp-Up Programme (H2Uppp) der GIZ haben wir 2023 gemeinsam mit der Universität Chiang Mai ein Trainingszentrum für grünen Wasserstoff eröffnet. Hier können sich Fachleute fortbilden und mehr über den Ausbau von Wasserstoffinfrastrukturen lernen. So wollen wir als Pioniere der modularen Wasserstoff-Technologie den Standort Chiang Mai und (Nord-)Thailand stärken.
Enapter Ko-Gründerin Vaitea Cowan im TED Talk
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AWE: Was sind die größten Herausforderungen beim Einsatz grüner Wasserstofftechnologie in Thailand?
Schmidt: Eigentlich gibt es keine spezifischen Probleme in Thailand. Die Herausforderungen sind die gleichen wie überall: Es ist neu und es müssen viele Fragen geklärt werden. Auch gibt es einen erheblichen Widerstand von den Vertretern der fossilen Energien, den man weltweit spürt.
Und dann machen uns natürlich die noch zu hohen Preise zu schaffen. Wir erwarten jedoch, dass diese in kürzester Zeit massiv sinken werden. Dann schaffen wir es leicht, unsere Ziele zu verwirklichen: Wasserstoff wird dann in Thailand und überall auf der Welt eingesetzt werden. Zuerst werden sicher Off-Grid-Installationen und Installationen als Gas-Ersatz vorkommen, dann werden wir Wasserstoff in Micro Grids und zuletzt bei Zwischenspeichern in zentralen Energienetzen finden.
AWE: Wie bewerten Sie die Marktchancen für deutsche Unternehmen im Wasserstoffsektor vor Ort?
Schmidt: Thailand ist kein „first mover“. Wenn Wasserstoff woanders komplett alltäglich und zu einem echten Wirtschaftsfaktor geworden ist, wird man ganz schnell nachziehen wollen. Aber kein Land will sich in vollständige Abhängigkeit von Lieferanten begeben. Das bedeutet, deutsche Unternehmen müssen sich Gedanken machen, wie sie Teile der Fertigung von Teilen oder gesamten Anlagen übergeben. Wer auf echte Partnerschaften setzt, der kann was erreichen.
AWE: Was würden Sie interessierten Unternehmen aus dem Wasserstoffsektor raten, die sich ebenfalls in Südostasien oder anderen Ländern des Globalen Südens einbringen wollen?
Schmidt: Einfach herkommen und anfangen. Und etwas mehr Geduld und Zeit mitbringen.