„Die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit für Deutschland ist immens“
Susanne Friedrich leitet seit Juli die Agentur für Wirtschaft und Entwicklung (AWE). Sie hat ein Team übernommen, das sich seit Anfang des Jahres neu definiert und zusammenfindet. Wie blickt sie auf ihre ersten 100 Tage und mit welchen Plänen und Ideen geht sie mit der AWE ins neue Jahr.
Redaktion: Es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck: Was waren Ihre ersten Gedanken, als Sie bei AWE angefangen haben?
Susanne Friedrich: Mein erster Gedanke war: Diese Agentur hat ein enormes Potential! In Zeiten in denen geopolitische Spannungen, Konflikte, der Klimawandel und weitere Krisen das Weltgeschehen prägen, müssen wir besondere Anstrengungen machen, um Deutschland international noch besser zu vernetzen. Wir müssen Beziehungen mit den Ländern des globalen Südens pflegen, die für beide Seiten gewinnbringend sind. Wirtschaftsakteure spielen dabei mit ihrem Know-how und ihren finanziellen Mitteln eine zentrale Rolle. Die AWE hat beste Voraussetzungen, um diese Ressourcen für die internationale Zusammenarbeit zu hebeln. Wir haben einerseits fachliche Expertise in Zukunftsthemen wie Energie, Digitalisierung und Gesundheit, um nur einige Beispiele zu nennen. Andererseits kennen wir die Vorhaben der deutschen Entwicklungszusammenarbeit und ihre politischen, wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Partner in den Ländern des Südens. Das heißt, wir können Wirtschaftsakteure so beraten, dass sie erfolgreiche Geschäftsmodelle im globalen Süden aufbauen und gleichzeitig einen wirkungsvollen Beitrag zur wirtschaftlichen Transformation leisten können.
Die Erwartungen an uns sind hoch
Redaktion: Was hat Sie dazu bewogen, Chefin der AWE zu werden?
Friedrich: Die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft wird in der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) zunehmend als ein entscheidender Hebel für die Erreichung der Sustainable Development Goals (SDGs) angesehen. Die AWE ist der zentrale Akteur der EZ, um dieses Potential in Kooperation mit anderen Akteuren in Wert zu setzen. Das bietet einen enormen Gestaltungsspielraum und ist gleichzeitig mit vielen Herausforderungen und hohen Erwartungen verbunden. Beides reizt mich und spornt mich an. Ich finde Arbeit muss Spaß machen und das ist genau die richtige Mischung.
Redaktion: Was haben Sie in der AWE bereits dazugelernt?
Friedrich: Ich habe mir viel Zeit genommen, die verschiedenen Partner der AWE kennen und verstehen zu lernen. Da kommen Akteure mit ganz unterschiedlichen Perspektiven zusammen. Das deutsche Handwerk möchte aus einem Verständnis gesellschaftlicher Verantwortung einen Beitrag in der internationalen beruflichen Bildung leisten. Der BDI erwartet, dass die EZ sich bei den großen, strategischen Herausforderungen der deutschen Wirtschaft wie Rohstoffsicherung in konfliktiven Kontexten einbringt. Die Gewerkschaften kämpfen dafür, dass es sozial gerecht zugeht, wenn sich Wirtschaftssysteme weiterentwickeln. Die Partner im globalen Süden wiederum erwarten, dass wir Nachhaltigkeitsaspekte und potenzielle deutsche Investoren zum Auf- und Ausbau von Wertschöpfungsketten einbringen. Das sind alles legitime Interessen. Manchmal sind die Erwartungen an uns sehr hoch. Wir müssen deshalb einen guten Weg finden, um sinnvoll zu priorisieren und unsere Arbeit so zu strukturieren, dass wir konkrete Lösungen mit messbarem Erfolg aufsetzen können.
Redaktion: Was waren die wichtigsten Entscheidungen, die Sie in den ersten 100 Tagen getroffen haben?
Friedrich: Die heutige AWE ist ja ein Zusammenschluss aus drei Vorgängervorhaben. Wir mussten also zunächst eine gemeinsame Perspektive entwickeln, wie wir unseren Auftrag erfüllen wollen und dazu klare Verabredungen treffen, wie wir den Weg dahin gestalten. Wir haben ungeheures Wissen und einen reichen Erfahrungsschatz in der AWE. Den gilt es bestmöglich zu verzahnen. Gleichzeitig können wir bei sinkendem Budget nicht in allen Themenfeldern ständig aktuelle Entwicklungen verfolgen. Wir brauchen gute Partner, bei denen wir dieses Know-how abrufen können. Deshalb war es mir wichtig, dass wir uns alle Dienstleistungen aus der Kundenperspektive anschauen und zwar gemeinsam im Team. Das haben wir gemacht und optimieren nun die Prozesse und Schnittstellen. Damit gehen wir gut gerüstet ins nächste Jahr.
Wichtige Beiträge zur nachhaltigen Gestaltung unserer Wirtschaften
Redaktion: Wo sehen Sie die die größten Stärken der AWE?
Friedrich: Da fallen mir verschiedene Dinge ein: Erstens haben wir einen Auftraggeber, das Referat Wirschaftsnetzwerke im BMZ, mit dem wir sehr vertrauensvoll und kreativ zusammenarbeiten. Dafür bin ich sehr dankbar, denn das ist ja eine ganz wichtige Voraussetzung für unseren Erfolg. Zweitens verfügt die AWE über ein tolles Team mit breit gefächerter Expertise, guten Netzwerken und sehr viel Erfahrung im Umgang mit den Unternehmen. Unsere Beraterinnen und Berater müssen die Sprache der Entwicklungszusammenarbeit in die Logik der Wirtschaft „übersetzen“, und gleichzeitig einen guten Blick für Opportunitäten haben, um die richtigen Partner am richtigen Ort zusammenzubringen. Das erfordert viel Erfahrung aber auch Offenheit und Neugier. Und drittens, die AWE hat über die Jahre ein hervorragendes Netzwerk aus Partnerinstitutionen, Unternehmen und Akteuren aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft aufgebaut, mit denen wir sehr gut zusammenarbeiten. Deshalb bin ich sehr zuversichtlich, dass wir auch in Zeiten gesellschaftlicher Spannungen und einer teilweise sehr kritischen Haltung gegenüber der Entwicklungszusammenarbeit konkrete und wichtige Beiträge zur nachhaltigen Gestaltung unserer Wirtschaften leisten können. Wir sollten dabei realistisch bleiben, was EZ leisten kann, aber andererseits auch nicht zu bescheiden sein. Denn die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit für Deutschland kann meines Erachtens gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Redaktion: Welche Erfahrungen aus Ihrem bisherigen Berufsleben sind für Sie bei der AWE am hilfreichsten und warum?
Friedrich: Jahrzehntelang habe ich verschiedene Akteure aus Wirtschaft und Politik mit unterschiedlichen Perspektiven zusammengebracht und Räume geschaffen, in denen sie innovative und praxisnahe Lösungen für konkrete Probleme entwickeln können. Wenn man die richtigen Bedingungen, insbesondere Vertrauen und Transparenz schafft, kann das wunderbar funktionieren. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir mit der AWE in Zukunft die Potentiale, die in diesem Zusammenspiel zwischen diversen Akteuren liegen, ebenfalls gut in Wert setzen können. Außerdem setze ich auf ein sehr stabiles und breites Beziehungsnetzwerk, das ich in den vergangenen Jahren meiner beruflichen Laufbahn aufbauen konnte. Es öffnet mir viele Türen in meiner neuen Funktion und gibt mir auch das kritische Feedback, das ich benötige, um kontinuierlich besser zu werden.
Redaktion: Was werden Sie in der AWE, die Sie vorgefunden haben, ändern?
Friedrich: Wir haben ja erst seit kurzem den Auftrag, die bestehenden Vorhaben der deutschen Entwicklungszusammenarbeit in den Ländern des globalen Südens für die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft besser in Wert zu setzen. Dazu haben wir unter anderem unsere Präsenz an den Auslandsstandorten verstärkt. Wir richten nun unser ganzes Bemühen darauf, langfristige Geschäftsinteressen der Unternehmen mit Nachhaltigkeitsanforderungen unserer Partnerländer gut zu matchen. Dabei profitieren wir von den EZ-Strukturen im globalen Süden als Türöffner. Die Kolleginnen und Kollegen vor Ort sind sehr an einer engeren Zusammenarbeit mit uns interessiert. Wir möchten ihnen und auch den Außenhandelskammern vor Ort, mit denen wir schon seit Jahren in vielen Ländern sehr erfolgreich zusammenarbeiten, ein strukturiertes und zugleich flexibles Unterstützungsangebot machen. Diese Matchmaking-Funktion muss noch mit Leben gefüllt werden. Daran arbeiten wir auf Hochtouren.
Unternehmen können von vielen Finanzierungs- und Beratungsinstrumenten profitieren
Redaktion: Wo steht die AWE in fünf Jahren, wenn es nach Ihnen geht?
Friedrich: In fünf Jahren wird die AWE genauso wie die Außenwirtschaftsförderung (AWF) als zentraler Ansprechpartner von Unternehmen genutzt, wenn sie im Globalen Süden zu Nachhaltigkeitsthemen aktiv sind. Das gilt auch und ganz besonders für den deutschen Mittelstand. Verschiedene Leuchttürme belegen den Erfolg der Zusammenarbeit. Das ist meine Vision.
Redaktion: Warum sollten Unternehmen mit der AWE zusammenarbeiten?
Friedrich: Wir unterscheiden uns von der Außenwirtschaftsförderung durch unseren Fokus auf Nachhaltigkeit in den Ländern des globalen Südens. Jedes Unternehmen, das in diesem Bereich einen Beitrag leisten will, kann von einer Vielzahl von Finanzierungs- und Beratungsinstrumenten profitieren, sei es develoPPP, ImpactConnect, der Infodesk Ukraine, der Helpdesk Wirtschaft und Menschenrechte und viele andere. Darüber hinaus können wir aber auch passgenau nach Lösungen suchen, wo Unternehmen mit ihrem Know-how, ihrer Technologie oder auch ihren finanziellen Ressourcen einen Beitrag leisten können. Probieren Sie es aus!
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