Dr. Tilman Altenburg forscht am German Institute of Development and Sustainability (IDOS) zur Frage, wie sich die Kräfte von Unternehmen in Deutschland und in den Partnerländern am besten bündeln lassen, – damit auf beiden Seiten die Transformation der Wirtschaft vorankommt. Wie entstehen sichere neue Wirtschaftsbeziehungen in einer Welt im Umbruch?
„Die gemeinsame Herausforderung lautet: Die Wirtschaft zukunftssicher machen“

Redaktion: Herr Dr. Altenburg, radikale technologische Umbrüche und die Verschiebung weltwirtschaftlicher Machtzentren, insbesondere der Aufstieg Chinas, wirken sich auf die Privatwirtschaft aus – sowohl hierzulande als auch im globalen Süden. Viele Unternehmen sind jetzt auf der Suche nach neuen Strategien und Partnerschaften, um ihre Lieferketten und Geschäftsmodelle wieder sicher aufzustellen. Kann Entwicklungszusammenarbeit Kooperationen fördern, die deutschen Unternehmen, unseren Gesamtinteressen als Land und auch jenen der Partnerländer gleichermaßen nützen?
Altenburg: Ja, das geht. Ein Beispiel: Internationale Wertschöpfungsketten müssen CO2-neutral werden. Das ist unverzichtbar für das Klima, und die verschiedenen Beteiligten können profitieren. Brasilien zum Beispiel hat Eisenerz und reichlich erneuerbare Energien. Dort können Zwischenprodukte wie Eisenschwamm also kostengünstig „grün“ produziert werden. Das Land erhöht so seine Wertschöpfung, während die Kosten der deutschen Industrie für grünen Stahl sinken. Das nützt all den technologieintensiven Unternehmen im Bereich von Spezialstahl und weiterverarbeiteten Produkten. Entwicklungszusammenarbeit kann dafür zum Beispiel Technologiekooperation und die Entwicklung gemeinsamer Standards fördern und Unternehmenskooperationen vermitteln.
Partnerschaften entwicklungspolitisch zu beiderseitigem Nutzen ausgestalten
Redaktion: Solche Partnerschaften muss man allerdings systematisch über einen langen Zeitraum aufbauen. Was muss sich in der Praxis ändern?
Altenburg: Wir müssen unsere strategischen Ziele klar haben. Zum Beispiel: In Brasilien interessieren uns die Industriedekarbonisierung, der Zugang zu kritischen Rohstoffen, der gemeinsame Freihandel. In Kenia beeindrucken uns die IT-Kompetenzen zu niedrigen Kosten, die uns ermöglichen, Unternehmensprozesse dorthin kostengünstig auszulagern. In Marokko interessieren uns Energie- und Migrationspartnerschaften. Diese Prioritäten gilt es dann jeweils entwicklungspolitisch im beiderseitigen Nutzen auszugestalten. Dafür muss man verschiedene Akteure zusammenbringen, zum Beispiel die politischen Ressorts – auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene.
Redaktion: Können Sie uns auch für eine solche Kooperation ein Beispiel geben?
Altenburg: Gerne. Nehmen wir den klimaneutralen Umbau der globalen Megastädte. Derzeit boomen diese Städte vor allem in Ost- und Südasien und in Afrika. Dabei wird Zement und Stahl verbaut, dessen klimatischer Fußabdruck weit jenseits dessen liegt, was sich unser Planet noch leisten kann. Die Städte werden für individualisierten Pkw-Verkehr konzipiert. Wenn wir Kooperationsprogramme anbieten, die nachhaltiges Bauen und Verkehr fördern und dabei frühzeitig deutsche Unternehmen in die Programmgestaltung einbinden, erhöht das die Wirksamkeit. Und es erleichtert deutschen Unternehmen die Geschäftsanbahnung. Zum Beispiel könnten Stadtplanungs- und Architekturbüros sowie Mobilitätsanbieter eingebunden werden.
Internationale Zusammenarbeit und Kooperation leisten einen wichtigen Beitrag zu Sicherheit und Stabilität
Redaktion: Ist das in der aktuell angespannten geopolitischen Lage denn überhaupt umsetzbar? Der Fokus liegt aktuell ja eher darauf, unsere Verteidigungsfähigkeit zu stärken.
Altenburg: Der Wunsch nach mehr Sicherheit und Stabilität ist allseits groß, das ist auch verständlich. Aber Sicherheit lässt sich eben nicht ausschließlich militärisch sicherstellen, und auch nicht dadurch, dass jedes Land wirtschaftlich nur noch auf sich selbst schaut und an vermeintlich Altbewährtem festhält. Internationale Zusammenarbeit und Kooperation leisten einen wichtigen Beitrag zu Sicherheit und Stabilität. Und zwar nicht nur, indem sie langfristig die Wirtschaft und Gesellschaft stabilisieren. Sondern auch, indem sie kurz- und mittelfristig neue Chancen eröffnen, um die nötige Anpassung der Wirtschaft an veränderte Rahmenbedingungen voranzutreiben: Indem man neue Zugänge zu Rohstoffen, zu Wissen und Technologie schafft. Und indem man gemeinsam die Entwicklung von Zukunftsbranchen und -Technologien vorantreibt.
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