„Die Krise unterstreicht die Relevanz unseres Geschäftsmodells“
Coronatagebuch, Folge 2: Die Covid-19-Pandemie und ihre Folgen haben den Alltag weltweit auf den Kopf gestellt. Wir haben Partner in unserem Netzwerk gefragt: Wie trifft sie die Krise? Wie reagieren sie darauf? Und wie ändern sich die Perspektiven? Hier sprechen wir mit Maria-Yassin Jah, Gründerin und CEO der Aspuna Group. Das soziale Unternehmen plant und implementiert nachhaltige Agrarprojekte in Entwicklungsländern und wurde dabei bereits von der Agentur für Wirtschaft und Entwicklung beraten.
AWE: Frau Jah, was hat sich seit März in Ihrem Unternehmensalltag geändert?
Frau Jah: Unser Headquarter sitzt in London. Hier kamen die Ausgangsbeschränkungen erst Ende März, die Infektionszahlen waren lange sehr hoch, es gibt viele Tote. Zeitgleich ging auch Gambia in den Lockdown. Gambia ist der Standort unserer wichtigsten Tochtergesellschaft, unseres Flaggschiffs. Hier verarbeiten wir zurzeit Maniok, gleichzeitig ist Gambia für uns auch eine Art Testfeld für neue kommerzielle und technische Strategien. Gambia ist aber nicht mehr unser täglicher Arbeitsschwerpunkt: Über unsere Tochtergesellschaft Aspuna Tansania sind wir auch in Tansania aktiv, gerade bauen wir in Nigeria einen Standort auf, dazu kommen Projektentwicklungsaufträge in vielen weiteren Ländern des Kontinents. Insgesamt sind wir überall gut durch diese Phase des Lockdowns, des „künstlichen Komas“, gekommen. Auch für uns ist es letztlich eine positive Überraschung, dass uns die Krise im Kern nicht viel anhaben konnte. Wir hoffen sehr stark, dass Afrika diese Pandemie gut übersteht.
AWE:Was bedeutete der Lockdown für Ihre Tochtergesellschaft in Afrika?
Frau Jah: Im Frühsommer ist an unseren Standorten in Gambia, Tansania und bald auch Nigeria Produktionsstart. Währenddessen sind wir eigentlich vor Ort. Der größte Einschnitt war daher, dass wir nicht mehr reisen konnten. Durch die Abstandsregelungen produzieren wir außerdem in geringerem Umfang als geplant. Dazu kommt in Gambia die unklare Coronastrategie: Die Regierung steht vor großen Herausforderungen. Sie kann die Strategien aus Europa nicht einfach kopieren. Das liegt auch an der wirtschaftlichen Struktur – viele Menschen sind Tagelöhnerinnen und Tagelöhner, die täglich zur Arbeit gehen müssen, um sich überhaupt etwas zu essen kaufen zu können. So wurde der Lockdown zwar verlängert, er gilt aber nicht für alle. Das ist mitunter chaotisch. Wir selbst orientieren uns an den internationalen Organisationen vor Ort und vor allem an der Weltgesundheitsorganisation WHO. So haben wir trotz des halben Lockdowns bereits wieder mit der Produktion begonnen.
AWE:Was nehmen Sie aus der Krise mit?
Frau Jah: Wir haben ziemlich schnell gemerkt, dass die Krise eine Chance ist, unser bisheriges Arbeiten zu überdenken: Wir haben starke Teams vor Ort, die wir auch virtuell begleiten können. Das hat sehr, sehr gut geklappt. Teilweise haben wir mit Videos gearbeitet, zum Beispiel, um ein technisches Problem mit einer der Maschinen zu lösen. Vor allem nutzen wir aber Messengerdienste über Smartphones. Gerade im Agrarsektor sind die Leute ja selten in Büros. Die Netze sind gut ausgebaut, sodass es technisch keine Hürden gibt.
AWE: Sie haben es bereits angesprochen: Neben der tatsächlichen Produktion sind Sie auch in der Projektentwicklung tätig.
Frau Jah: Als Aspuna Group ist es unsere Mission, mit lokalen Verarbeitungskapazitäten in Subsahara-Afrika dazu beizutragen, dass die Wertschöpfung auf dem Kontinent bleibt. Mit unserer "Project Development Service Unit" sind wir heute in weiten Teilen Afrikas aktiv, etwa in Uganda, Nord-Nigeria und Simbabwe, gerade bearbeiten wir Anfragen aus Botswana, Sierra Leone, Senegal, Malawi, Ghana und Togo. Konkret entwickeln wir mit dieser Unit Verarbeitungsprojekte für Regierungsorganisationen oder Privatunternehmen, binden Kleinbauern als Lieferanten ein und schaffen qualifizierte Arbeitsplätze für junge Menschen. In Gambia hat sich unsere Fabrik bereits zu einem Ausbildungszentrum entwickelt – jetzt exportieren wir das Wissen, wie man solche Fabriken und seine Lieferkette managt. Wir haben uns bewusst für dieses Wachstumsstrategie entschieden: So können wir unser Modell breiter streuen; und zusammen mit den Partnern können wir die Projekte schneller umsetzen.
AWE:Wie wirkt sich die Krise auf diesen Unternehmensbereich aus?
Frau Jah: Durch die Pandemie und den dadurch bedingten Einbruch der globalen Handelsketten wird die Abhängigkeit von Lebensmittelimporten in Subsahara-Afrika deutlich sichtbar. Vor allem Länder, die wie Uganda keinen Hafen haben, sind vulnerabel. Dadurch rücken unsere Themen, die Weiterverarbeitung der agrarischen Rohstoffe und die lokalen Wertschöpfungsketten, verstärkt in den Fokus. Die Krise unterstreicht also die Relevanz unseres Geschäftsmodells.
AWE:Und Operativ?
Frau Jah: Da hat uns die Krise natürlich getroffen: Wir mussten unsere Reisepläne fürs zweite Quartal komplett umwerfen. Gerade unsere Projektsentwicklungs-Unit kann aber gut remote weiterarbeiten und zumindest die ersten Phasen der Projektentwicklung, also Recherchen und Datenanalysen, virtuell machen. Das ist sogar effizienter. Allerdings liegt das auch an den Partnern: In der Pandemie sind alle Institutionen offen für diese Arbeitsweise und wir konnten so an viele Daten kommen. Sonst wird in vielen afrikanischen Ländern der Face-to-Face-Kontakt sehr geschätzt und oft auch vorausgesetzt.
AWE:Wie steht es um Ihre Investitionspläne in Nigeria?
Frau Jah: Bisher können wir noch nicht absehen, inwieweit sich dort Dinge verzögern – noch liegen wir zumindest bei drei der vier Teilprojekte im Plan.
AWE:Wann planen Sie Ihre nächste Reise nach Afrika?
Frau Jah: Die Quarantäneregelungen in Großbritannien und auf dem gesamten afrikanischen Kontinent sind zurzeit noch ein großes Hindernis. Wir hoffen aber, dass wir im vierten Quartal wieder reisen können. Wir haben wirklich viele Anfragen und dadurch eine lange Projektliste für Vor-Ort-Besuche. Sogar eine Anfrage aus Südamerika bearbeiten wir gerade.
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