Die Vereinten Nationen – ein interessanter Geschäftspartner für Unternehmen
Die Vereinten Nationen mit ihren vielen Unterorganisationen beschaffen jährlich Waren und Dienstleistungen im Wert von 22 Milliarden US-Dollar . Welche Möglichkeiten gibt es da für deutsche Unternehmen und wie können diese an den UN-Ausschreibungen teilnehmen? Darüber sprach die AWE mit Joscha Kremers von der Beschaffungsabteilung der Vereinten Nationen in New York.
AWE: Herr Kremers, wie können Unternehmen mit den Vereinten Nationen zusammenarbeiten?
Josha Kremers: Grundsätzlich empfehle ich Unternehmen, den Aufbau von Geschäftsbeziehungen mit den Vereinten Nationen in drei Schritten anzugehen. Als erstes ist es wichtig, den Bedarf der verschiedenen UN-Organisationen zu verstehen, insbesondere welche Organisation(en) am besten zu den eigenen Produkten oder Dienstleistungen passen. Als zweiter Schritt steht die Registrierung des Unternehmens auf der Online Plattform UN Global Marketplace. Danach heißt es: an Ausschreibungen teilnehmen! Erfahrung hierbei zahlt sich aus und führt hoffentlich früher oder später zu einem Vertrag.
AWE: In welchen Wirtschaftssektoren gibt es besonders häufig Ausschreibungen? Wo findet man diese?
Kremers: In der Liste der meistgekauften Güter und Dienstleistungen finden sich oft pharmazeutische Produkte, Transportdienstleistungen, Nahrungsmittel sowie Dienstleistungen in den Bereichen Ingenieur- und Bauwesen, Informationstechnologie und Kommunikation. Allerdings ist die Bandbreite der Wirtschaftssektoren deutlich größer und ich empfehle bei Interesse an weiteren Details, die Statistiken und Informationsbroschüren auf dem UN Global Marketplace nachzulesen. Hier finden Sie auch aktuelle Ausschreibungen von zahlreichen UN-Organisationen.
AWE: Werden auch Consultingleistungen eingekauft? Zu welchen Themen?
Kremers: Natürlich, unsere Abteilung für Beschaffung, die UN Procurement Division, hat ein eigenes Team, das auf die Beschaffung von sogenannten Professional Services spezialisiert ist. Consultingleistungen aus den folgen Bereichen werden regelmäßig eingekauft: Operations & Supply Chain, Organization & Change, Marketing, Brand & Pricing und IT-Consulting
AWE: Wie langfristig sollte man als Unternehmen planen, wenn man sich an Ausschreibungen beteiligen möchte? Wie aufwändig ist es?
Kremers: Einige Unternehmen bekommen Aufträge innerhalb weniger Tage oder Wochen. Die meisten Unternehmen müssen sich ein paar Monate gedulden – in Einzelfällen auch mehr als ein Jahr, vor allem bei langfristigen und komplexen Verträgen. Der Zeitaufwand einer Ausschreibung hängt stark vom jeweiligen Bedarf ab. Während einer Ausschreibung empfehlen wir Unternehmen, jegliche Fragen schriftlich mit der jeweiligen Beschaffungseinheit zu klären. Und je häufiger ein Unternehmen an Ausschreibungen teilnimmt, desto mehr profitiert es von der Erfahrung und desto weniger Aufwand hat es in der Regel mit einzelnen Ausschreibungen.
AWE: Wie stark ist die deutsche Wirtschaft bei den UN vertreten? Wie wichtig ist der Preis im Angebot?
Kremers: Im Jahr 2020 betrug das Beschaffungsvolumen der Vereinten Nationen von deutschen Unternehmen 392 Millionen US-Dollar und stand damit an 15. Stelle aller UN-Mitgliedsstaaten. Gemessen an der Zahl der UN-Mitglieder (193) ist dies kein schlechter Rang, allerdings in Anbetracht der deutschen Wirtschaftsleistung und Exportvermögen noch ausbaufähig.
Der Preis ist nur einer von vielen Faktoren, die bei Ausschreibungen eine Rolle spielen. Je nach Wirtschaftssektor oder Bedarf, Wettbewerbssituation und Art der Ausschreibung (Stichwort „Invitation to Bid“ oder „Request for Proposal“) kann der Preis mehr oder weniger bedeutend sein. Generell sind Luxusgüter weniger gefragt als solide Produkte und Dienstleistungen, die den teils schwierigen Anforderungen im Feld gerecht werden und bezahlbar sind.
AWE: Haben Sie ein paar Tipps, die Unternehmen unbedingt beachten sollten, wenn sie sich für die Zusammenarbeit mit den UN interessieren?
Kremers: Bei Ausschreibungen ist es wichtig, die Evaluierungskriterien genau zu kennen und das Angebot entsprechend daran auszurichten. Besonders Unternehmen, die im Geschäft mit den Vereinten Nationen noch unerfahren sind, empfehle ich unbedingt an öffentlichen Angebotseröffnung, den Public Bid Openings, teilzunehmen oder eine Liste der angebotenen Preise anzufragen, um die Konkurrenzsituation besser einschätzen zu können. Sollte ein Unternehmen in einer Ausschreibung nicht erfolgreich sein, ist es hilfreich, eine Angebotsauswertung (debrief) anzufordern, bei der die Stärken und Schwächen des Angebots aufgezeigt werden. So können sie sich in der folgenden Ausschreibung verbessern. Zu guter Letzt hoffe ich natürlich, wenn weitere deutsche Unternehmen in naher Zukunft einen Vertrag mit den Vereinten Nationen unterschreiben können, und freue mich auf eine gute Zusammenarbeit!
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