Digitalisierung als Motor für inklusives Wachstum

Der Softwarehersteller SAP bildet Menschen an seinen Standorten im Globalen Süden zu IT-Fachkräften aus. Dr. Caroline King, Globale Leiterin Geschäftsentwicklung bei SAP, spricht über das Engagement des Unternehmens unter anderem in Afrika und sie erklärt, was Deutschland in Sachen Digitalisierung von diesem Kontinent lernen kann. King ist Teil des „Team Transformation“, einer Gruppe von fünf Vordenker:innen, die sich gemeinsam mit den Partners in Transformation für eine nachhaltige Ausrichtung der Wirtschaft einsetzen.
Agentur für Wirtschaft und Entwicklung (AWE): Die digitale Transformation ist ein wichtiger Treiber für die wirtschaftliche Entwicklung im Globalen Süden. Wie engagiert sich SAP vor Ort in den Ländern?
Dr. Caroline King: Wir bei SAP sehen digitale Konnektivität als Motor für inklusives Wachstum und verstehen uns als Brückenbauer zwischen Entwicklungszusammenarbeit und der Privatwirtschaft. Das ist natürlich nicht rein altruistisch: Wir brauchen junge Talente. Deshalb engagieren wir uns insbesondere in der Aus- und Weiterbildung von IT-Fachkräften.
AWE: Können Sie Zahlen nennen, um eine Vorstellung zu bekommen, wie viele Menschen von dem Engagement profitieren?
King: Von 2019 bis 2022 haben wir mehr als 7,6 Millionen Jugendliche in Ländern wie Indien, der Türkei oder Vietnam mit digitalen Fähigkeiten ausstatten können. Das ursprüngliche Ziel waren 1,7 Millionen. Das haben wir weit übertroffen. Das ist ein Beispiel, das zeigt, dass der Bedarf einfach wahnsinnig groß ist.
Viele Jugendliche haben keine richtige Ausbildung oder machen einen Schulabschluss, der sie nicht für den Arbeitsmarkt qualifiziert. Hier spielen die Entwicklungspolitik und ihre Partner eine große Rolle. Zum Beispiel haben wir gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) im Rahmen der Initiative Africa Code Week Schülerinnen und Schülern das Programmieren beigebracht.
AWE: In welchen Ländern engagiert sich SAP?
King: Wir engagieren uns generell in Ländern, in denen wir Standorte haben und unser Netzwerk, entweder die eigenen SAP-Mitarbeitenden oder die Partner, gut einsetzen können. Mit unserem Young Professionals Program, vormals Skills for Africa, haben wir zum Beispiel, auch in Zusammenarbeit mit der GIZ, zwischen 2013 und 2023 etwa 1.400 Menschen in 20 afrikanischen Ländern zu technischen Beraterinnen und Beratern ausgebildet und konnten rund 1.330 Arbeitsplätze schaffen.
Afrikanische Länder werden zukünftig am globalen Markt bestimmen, wo das Wachstum stattfindet
AWE: Welche Rolle spielt die digitale Transformation konkret in Afrika?
King: Die Bevölkerung Afrikas ist jung. Hier liegt großes digitales Potenzial. Afrikanische Länder werden zukünftig am globalen Markt bestimmen, wo das Wachstum stattfindet. Europa ist mit seiner älteren Bevölkerung im Nachteil.
In Afrika sehen wir Chancen im öffentlichen Sektor, aber auch in der Versorgungsindustrie, der Fertigung, in Öl, Gas und Energie, bei Banken und Versicherungen oder in der Telekommunikation und Landwirtschaft. Bedauerlich ist aber: Trotz verschiedener Bemühungen Deutschlands, einschließlich des „Compact with Africa“ und der „German Desks“, um private Investitionen in Afrika zu fördern, sind die Ergebnisse bescheiden. Weniger als ein Prozent der Investitionen deutscher Unternehmen ins Ausland fließen nach Afrika. Das ist ein Thema, an dem wir direkt mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) arbeiten. Ich selbst bin neuer Vorsitz vom BDI Arbeitsausschuss Entwicklungspolitik.
Deutschland ist einer der größten Geber weltweit. Aber es geht nicht so viel an die deutsche Wirtschaft zurück. Aus meiner Sicht müssen wir Finanzierung gezielter für digitale Projekte ausrichten. Und wir müssen in Vergabeverfahren Nachhaltigkeit und soziale Aspekte wie Arbeiterrechte und -schutz berücksichtigen. Oft gehen Vergaben noch an finanziell günstigere Bieter. Und das sind meist chinesische Unternehmen. Wir hoffen, bald mehr Wachstum und mehr deutsche Investitionen in Afrika zu sehen. Es muss etwas von deutscher Seite aus passieren, sonst verlieren wir Afrika an China.
AWE: Was kann Deutschland in Sachen Digitalisierung vom Globalen Süden lernen?
King: Die Bürokratie ist wahrscheinlich nach wie vor das größte Hindernis für die digitale Entwicklung in Deutschland. Datenschutz ihr hierzulande ein großes Thema. Aber wir könnten langwierige Prozesse mit digitalen Technologien effizienter machen und trotzdem Datenschutz gewährleisten.
Wir haben im öffentlichen Sektor noch nicht mal die Cloud völlig verdaut und jetzt kommt Künstliche Intelligenz. Da kommt auch das Thema Bildung ins Spiel: Personal muss ausgebildet werden, um KI-Tools einsetzen zu können. Da hat ein junges Afrika vielleicht den Vorteil.
In vielen Entwicklungsländern sehen wir Agilität, Innovationskraft und Kreativität im Einsatz digitaler Lösungen, zum Beispiel mobile Zahlungssysteme oder Online-Lernplattformen. Wir sollten mit unserer Erfahrung, unserer Expertise und der finanziellen Kraft in Kombination arbeiten und dort investieren, wenn wir inklusives Wachstum wollen.
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