Dr. Bronner’s setzt sich für Kleinbauern und Landarbeiter in Indien ein
Dr. Bronner’s ist ein Hersteller bio-zertifizierter und fair gehandelter Biokosmetikprodukte, der sein Minzöl fast ausschließlich aus dem indischen Bundesstaat Uttar Pradesh bezieht. Der coronabedingte Lockdown im Frühjahr 2020 hatte zur Folge, dass die Landarbeiter dort kein Einkommen mehr hatten. Dr. Gero Leson, Vice President of Special Operations bei Dr. Bronner’s erklärt, welche Not damit verbunden war und wie das Unternehmen mit Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) geholfen hat.
AWE: Wie war die Situation zu Beginn der Pandemie im indischen Uttar Pradesh?
Leson: Als der Lockdown Anfang März 2020 absehbar war, baten wir unsere Projektpartner vor Ort, die Augen offen zu halten für Nöte der Mitarbeiter, die von den Maßnahmen betroffen waren. Der lokale Manager bei Pavitramenthe, unserem indischen Partnerunternehmen und Lieferanten von bio-zertifiziertem und fair gehandeltem Minzöl, informierte uns dann Mitte März recht schnell: Den Bauern gehe es gut, sie könnten auf die Felder und die Minze anbauen, die von April bis Juni geerntet, dann von Pavitramenthe destilliert wird und die wir in unserem Produkten verarbeiten. Die Landarbeiter allerdings, die die Bauer beschäftigen und die nicht nur landlos sind, sondern häufig auch niedrigen Kasten angehören, benötigten Hilfe, denn ihnen war die Arbeit auf dem Feld aufgrund des Lockdowns verboten. Sie hatten von einem Tag auf den anderen kein Einkommen mehr und auch keinen Zugang zu staatlichen Leistungen. Und das betraf nicht nur diese 4.000 Landarbeiter und Landarbeiterinnen, sondern auch ihre Familien. Wir haben dann sehr schnell eine Lebensmittelverteilung organisiert. Das klappte hervorragend, weil wir auf bestehende Strukturen bauen konnten. Mit 25.000 US-Dollar von Dr. Bronner’s kauften wir in großen Mengen Reis, Zucker, Öl und Linsen günstig ein und schnürten 4.000 Care-Pakete für die Familien der Landarbeiter. Das haben wir insgesamt dreimal im April und Mai gemacht.
AWE: Wie kam es dann zur Zusammenarbeit mit der GIZ?
Leson: Uns war schnell klar, dass es mit dieser kurzfristigen Nothilfe nicht getan war. Da wir mit der GIZ bereits im Rahmen eines Bodenfruchtbarkeitsprojektes in Indien erfolgreich zusammenarbeiteten, lag es nahe, mittels des vom BMZ geförderten develoPPP.de-Sonderprogramms COVID-19 Response Mittel für die Linderung der COVID-19-Auswirkungen zu beantragen. Es wurden eine ganze Reihe von Maßnahmen mit der GIZ, einer Durchführungsorganisation des BMZ, geplant und umgesetzt, die nicht nur den betroffenen Landarbeitern halfen, sondern auch deren Familien sowie den Kleinbauern.
AWE: Um welche Maßnahmen ging es genau?
Leson: Da die medizinische Versorgung auf den Dörfern in der Regel miserabel ist, konnten wir mit Mitteln des BMZ zehn sogenannte Medical Camps finanzieren. Das heißt, Ärzte und Ärztinnen kommen extra aus der Stadt und bieten der Dorfbevölkerung Zugang zu medizinischen Leistungen an, unter anderem auch COVID-19- und Malaria-Tests. Die Nachfrage ist enorm, teilweise kommen einige hundert Menschen zu den Terminen. Unter allen, die lesen können, haben wir außerdem Hinweise zur COVID-19-Vorsorge verteilt, wie sie sich schützen können, welche Symptome die Krankheit aufweist und was im Infektionsfall zu tun ist.
Ein Anliegen war uns auch Hilfe zur Selbsthilfe. Erstaunlicherweise ist es bei Bauern und Bäuerinnen noch gar nicht so verbreitet, einen eigenen Hausgarten zur Selbstversorgung zu unterhalten. Wir haben den Kleinbauern dann Saatgut und Anleitungen zur Verfügung gestellt, weil es sich teilweise um Gemüsearten handelte, die sie nicht aus eigener Felderfahrung kannten.
Es war uns auch wichtig, die Landarbeiterinnen und Kleinbauern mit Heilpflanzen wie Kamille oder Tulsi, dem indischen Basilikum, zu versorgen, um ihr Immunsystem zu stärken, was gerade in der Pandemie von großer Bedeutung ist. Daneben ging es um die Vermittlung eines gewissen Traditionsbewusstseins und einer Motivation, sich auf eigene und alte Methoden der Immunstärkung zu besinnen.
Zudem haben wir die Bauern und Bäuerinnen dabei unterstützt, sich angesichts der vielfältigen COVID-19-Regularien zurechtzufinden und sie im Umgang mit Behörden und Händlern zu schulen.
AWE: Sie erwähnten auch die Einbindung der Familien in die Hilfe?
Leson: Ja, genau. Die Bereitstellung von Nothilfepaketen für Familien von Landarbeitern und Kleinbauern konnte fortgesetzt werden. Dadurch erhielten mehr als 30.000 Bedürftige Mehl, Reis, Gemüse, Senföl, Obst, Gemüse und Kräutertees. Darüber hinaus wurden 100.000 von Frauen der Landarbeiter und Kleinbauern selbst gefertigte textile Mund- und Nasenmasken sowie Seife verteilt. Kinder haben wir während des Lockdowns mit Schul- und Spielsachen versorgt. Speziell Frauen unterstützen wir zudem im Rahmen eines Projektes bei der Menstruationshygiene. Dieses läuft bereits seit 1,5 Jahren und konnte nun mit Unterstützung der GIZ ausgeweitet werden. Das Problem ist häufig, dass Frauen im Dorf aus finanziellen und kulturellen Gründen keinen Zugang zu Hygieneprodukten haben. Tampons sind weitgehend verpönt, Einmalbinden zu teuer, außerdem führen sie zu einem Müllproblem. Wir konnten nun 5.000 Frauen mit einem Set waschbarer Binden ausstatten, die bis zu zwei Jahre halten. Obwohl das Thema stark tabuisiert ist, hat es nun auch der indische Premierminister aufgegriffen, was uns wirklich begeistert.
AWE: Wie steht es um die Pandemie heute, ein knappes Jahr nach dem Beginn des Lockdowns?
Leson: Der Lockdown wurde nach einigen Wochen wieder aufgehoben, obwohl sich die Pandemie seither deutlich verschärft hat. Da es kein vernünftiges soziales Auffangsystem gibt, war das auch nötig, sonst wären viele Menschen verhungert. Damit konnten die Landarbeiter und Landarbeiterinnen wieder aufs Feld, die Ernte im Sommer einholen und auch die Weiterverarbeitung war gewährleistet. Ein kleiner Teil des Budgets wurde aber zurückgestellt, für den Fall, dass es zu einem neuerlichen Lockdown kommt und wir wieder Lebensmittel verteilen müssen.
AWE: Herr Dr. Leson, wir danken Ihnen für das Gespräch.
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