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Tradin Organic schafft krisensicheres Arbeitsumfeld

Avocado in Händen

Das in den Niederlanden ansässige internationale Lebensmittelunternehmen Tradin Organic Agriculture B.V.  baut in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH eine nachhaltige Lieferkette für Bio-Avocado und Sesamöl in Äthiopien auf. Im März wurde die Partnerschaft um Corona-spezifische Schutzmaßnahmen erweitert. Joost Hemmelder, Operations Director bei Tradin Organic, gibt Einblick in die Arbeit vor Ort und erklärt, was das Unternehmen aus dem Umgang mit der Pandemie gelernt hat. 

Hintergrund

Als Corona Anfang 2020 ausbrauch, waren an den lokalen Produktionsstandorten circa 300 direkte Arbeitsplätze und über 2.000 indirekte Arbeitsplätze entlang der Lieferketten gefährdet. Zudem sahen mehr als 35.500 Bäuerinnen und Bauern ihren Zugang zum Exportmarkt und damit zu wichtigen Einkommensquellen gefährdet. Die Situation forderte schnelles Handeln. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) stockte die bestehende Förderung im Rahmen seines Soforthilfeprogramms develoPPP/COVID-19 Response um zusätzliche finanzielle Mittel auf. Die GIZ setzte die notwendigen Maßnahmen im Auftrag des BMZ gemeinsam mit Tradin Organic um. 

AWE: Herr Hemmelder, Corona ist längst in Äthiopien angekommen und stellt die dortige Wirtschaft vor große Herausforderungen. Wie waren Tradin Organic und die lokalen Werke Ihrer Schwesterunternehmen Sunvado und Selet Hulling von den Auswirkungen der Pandemie betroffen?

Hemmelder: Mit dem Aufbau der Lieferketten für Avodaco und Sesamöl in Äthiopien betraten wir in vielerlei Hinsicht Neuland. Ein sehr gutes Beispiel dafür ist die Avocadoverarbeitung. Obwohl ein großer Teil des äthiopischen Obst-Ackerlandes von Avocadobäumen bedeckt ist, fungieren diese meist nur als Schattenspender. Wir wollten die reifen Früchte nun für den Lebensmittelhandel nutzen und dafür erstmals eine marktorientierte und wettbewerbsfähige Wertschöpfungskette aufbauen. Dafür mussten wir quasi bei null anfangen. Zu unserer großen Freude lief das Projekt mit der GIZ sehr gut an. Doch als Corona Anfang des Jahres plötzlich ausbrach, stellte uns die Situation vor viele unerwartete Herausforderungen. Die Sicherheit unserer Mitarbeiter hatte für uns höchste Priorität. Um die Lage genau einschätzen zu können und bestmögliche Vorsorgevorkehrungen zu treffen, stellten wir den Betrieb unserer lokalen Fabriken von April bis Mai ein. Nicht zuletzt dank der zusätzlichen Unterstützung der GIZ im Rahmen des Covid-Response Programms konnten wir diese Zeit produktiv nutzen. Wir entwickelten ein ganzheitliches Konzept für die effiziente und sichere Wiederaufnahme unserer Produktion und schulten unsere Mitarbeiter und Lieferanten zu den veränderten Arbeitsbedingungen. 

AWE: Aufgrund der Krise müssen Sie nicht nur wirtschaftliche Entscheidungen treffen, sondern auch soziale und gesundheitliche Aspekte Ihrer Mitarbeiter und Zulieferer berücksichtigen. Wie begegnen Sie diesen unterschiedlichen Herausforderungen?  

Hemmelder: Für Tradin hängen das Wohlergehen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens untrennbar zusammen. Die Menschen sind das Herzstück unseres Unternehmens und nur, wer sich sicher fühlt und zufrieden ist, kann auch gute Arbeit leisten. Wir waren als Anbieter biologischer Lebensmittel in mancher Hinsicht in einer günstigen Lage. Obwohl allgemein eine hohe Unsicherheit herrschte, blieb der Nahrungsmittelsektor zunächst genauso wichtig wie vor der Krise. Die Nachfrage war also erstmal kein Problem, weshalb wir uns hauptsächlich auf den Schutz der Mitarbeiter und damit das Aufrechterhalten und Weiterentwickeln unserer Lieferketten fokussieren konnten. 

AWE: Welche Maßnahmen haben Sie genau umgesetzt? 

Hemmelder: Vor allem wollten wir das Arbeitsumfeld unserer Mitarbeiter und Zulieferer so krisensicher wie möglich machen. Dazu haben wir bauliche Anpassungen in den Fabriken vorgenommen und beispielsweise Arbeitsflächen vergrößert oder Sanitäreinrichtungen verbessert. Dort, wo mobiles Arbeiten möglich ist, besorgten wir zusätzliches Equipment für virtuelle Meetings. Außerdem führten wir in Zusammenarbeit mit lokalen Hygiene-Inspektoren Schulungen zu Corona-Schutzmaßnahmen durch und setzten regelmäßige Gesundheitschecks an. Darüber hinaus stellten wir Hygieneartikel bereit und beteiligten uns an mit COVID-19 verbundenen Arztkosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen wurden. Besonders beeindruckend fand ich, dass bei der Umsetzung der Schutzmaßnahmen alle an einem Strang zogen – von unseren eigenen Mitarbeitern bis hin zu unseren Partnern bei der GIZ. Und das hat sich ausgezahlt. Seit Mai sind unsere Fabriken wieder geöffnet und seither gab es keine nennenswerten Corona-bedingten Ausfälle. 

Foto Joost Hemmelder
Interviewpartner Joost Hemmelder ist Operations Director bei Tradin Organic

AWE: Tradin Organic stand als internationales Unternehmen einer weltweiten Pandemie gegenüber, die letztlich alle Unternehmensstandorte betraf. Inwiefern unterschied sich die Situation in Äthiopien für Sie von der in anderen Ländern?

Hemmelder: Die Pandemie stellte die ganze Welt vor noch nie dagewesene Herausforderung. In Äthiopien, wie in vielen anderen Entwicklungsländern, wurde die Situation außerdem durch den Lebensstandard und die lokalen politischen Bedingungen beeinflusst. In Europa gab es zum Ausbruch der Pandemie deutlich mehr staatliche Unterstützung und einen verlässlicheren Informationsfluss. Da die wirtschaftliche Situation der äthiopischen Bevölkerung um einiges instabiler ist, als zum Beispiel die unserer Beschäftigten am Hauptsitz in den Niederlanden, waren auch die Ängste der dortigen Mitarbeiter größer. In Äthiopien gibt es weniger Alternativen, wenn man seinen Job verliert und ein finanzieller Puffer oder ein soziales Rettungsnetz fehlt oft. Im Umgang mit der Pandemie bedeutete das für uns, dass das Schaffen einer Vertrauensbasis zwischen dem Unternehmen und den Mitarbeiten und Zulieferern höchste Priorität haben musste. Wir wollten den Leuten die Sicherheit geben, dass sie bei Problemen offen mit uns sprechen können und ihre Jobs auch im Krankheitsfall sicher sind. Wir haben deutlich mehr Zeit darauf verwendet, Schutzmaßnahmen zu erklären und das Bewusstsein für deren Notwendigkeit zu schärfen als andernorts. 

AWE: Wieso haben Sie sich zum Aufbau der Lieferketten und die spätere Einführung der Corona-Schutzmaßnahmen für eine Kooperation im Rahmen des develoPPP Programms entschieden? 

Hemmelder: Wenn man als Unternehmen in Entwicklungsländern wie Äthiopien in Punkto Nachhaltigkeit vorankommen möchte, braucht man multidisziplinäre Partnerschaften und Kooperationen. Hier sind große, internationale Organisationen wie das Bundesministerium für Wirtschaft und Entwicklung (BMZ) und die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH fachlich und finanziell natürlich ganz anders aufgestellt und vernetzt als private Unternehmen. Bereits beim Aufbau der Wertschöpfungskette für Avocado- und Sesamöl haben wir sehr gute Erfahrungen mit dem effizienten Herangehen der Kollegen von develoPPP gemacht. Und als die Pandemie plötzlich die Sicherheit unserer Mitarbeiter und das Aufrechterhalten unserer Lieferketten bedrohte, war es uns umso wichtiger, einen starken Partner an unserer Seite zu haben der uns half, die notwendigen Schutzmaßnahmen so schnell wie nötig umzusetzen. Einer der Hauptgründe für uns, um mit der GIZ zusammenzuarbeiten, war, dass sie sehr früh sehr proaktiv vorausdachten und finanzielle und technische Unterstützung für Corona-Maßnahmen anboten. 

AWE: Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit mit der GIZ vor Ort?  

Hemmelder: Was mir besonders gut gefällt ist die pragmatische Herangehensweise aller Beteiligten. Auch wenn wir uns alle plötzlich in einer völlig neuen Situation befanden, mit unklaren Bestimmungen und einem hohen Maß an Unsicherheit, haben alle Kollegen in Deutschland, den Niederlanden und Äthiopien zu jeder Zeit effektiv kommuniziert und so viele Schwierigkeiten überwunden. 

Mann mit Maske an Schaltanlage
Schulungen und bauliche Anpassungen ermöglichen krisensicheres arbeiten in den Fabriken

AWE: Gibt es Lehren, die Sie für die Zukunft aus dieser schwierigen Situation ziehen können?

Hemmelder: Die Krise hat uns darin bestärkt, auch künftig vermehrt in den Austausch mit unseren Mitarbeitern zu gehen und sie aktiv in wichtige Entscheidungsprozesse zu involvieren. Wir haben gemerkt, wie kreativ und flexibel unsere Leute auch in Ausnahmesituationen sind und wie wichtig gegenseitiges Vertrauen im Krisenfall ist. Eine Pandemie kann man schließlich nur gemeinsam bekämpfen. 

AWE: Was heißt das konkret?

Hemmelder: Zum Beispiel wollen wir die Möglichkeit zum mobilen Arbeiten beibehalten und auch in anderen Bereichen verstärkten Fokus auf die Schulung unserer Mitarbeiter legen. Noch klarer als vor der Pandemie sehen wir, dass es sich langfristig auszahlt, früh in seine Mitarbeiter zu investieren. Die Leute sind motivierter, offener für Veränderungen und können dank ihrer neuen Fähigkeiten noch stärker zum Erfolg des Unternehmens beitragen. 

AWE: Wie geht es jetzt weiter? 

Hemmelder: Das Projekt mit der GIZ zum Aufbau der Avocado- und Sesam-Lieferkette läuft noch bis Mitte 2022 und die Corona-spezifischen Schutzmaßnahmen wollen wir bis Ende 2020 größtenteils umgesetzt haben. Darüber hinaus würden wir gerne die hohe Geschwindigkeit bei der Umsetzung neuer Prozesse beibehalten und die Zusammenarbeit entlang unserer neu aufgebauten Lieferketten weiter optimieren. Dafür entwickeln wir aktuell beispielsweise umfassende Prozesse im Datenmanagement. 

Was die Partnerschaft mit der GIZ betrifft, so sind wir mehr als zufrieden mit dem, was wir gemeinsam erreicht haben. Tradin ist voller Ideen und Ambitionen und wir würden uns freuen, auch in Zukunft wieder zusammenzuarbeiten. 

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