„Empowerment ist nicht Kür, sondern Pflicht“
Seit Februar 2022 ist Donya-Florence Amer Chief Information Manager (CIO) von Hapag-Lloyd. Zum ersten Mal in der Unternehmensgeschichte ist damit eine Frau in den Vorstand der Hamburger Traditionsreederei eingezogen. Ihre berufliche Laufbahn startete Amer 1999 bei IBM. 2017 wechselte sie zu Bosch, zunächst als Executive Vice President und Mitglied des CIO Management Boards, später als Co-Founder und CEO der Bosch Climate Solutions. Wir sprachen mit der IT-Expertin über ihre Karriere „abseits von Klischees“, über Veränderung als Dauerzustand und darüber, wie Hapag-Lloyd Geschlechtervielfalt fördern will.
AWE: Frau Amer, Sie sind hochqualifizierte Expertin im Bereich Informationstechnologie und digitale Geschäftsmodellierung. Man könnte sagen, Sie haben eine Karriere abseits von Klischees gewählt. Zum Thema „Vision“: Haben Sie einen langjährigen Traum und wie ist Ihnen die Umsetzung dieser Vision beziehungsweise dieses Traums gelungen?
Donya-Florence Amer: Aus meiner Sicht sind es weniger Träume, sondern Neugierde und Leidenschaft unverzichtbare Eigenschaften, um im Berufsleben erfüllt und erfolgreich zu sein. Zentral sind für mich außerdem regelmäßige Begegnungen und fortwährender Austausch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – im Inland und im Ausland.
AWE: Im Laufe Ihrer Laufbahn hatten Sie unterschiedliche Positionen in verschiedenen Unternehmen. Dabei haben Sie sicherlich viele Veränderungen miterlebt. Hat Empowerment in Ihren Augen auch etwas mit Veränderung zu tun? Was bedeutet es für Sie als Führungsperson Empowerment zu betreiben?
Amer: Das 21. Jahrhundert ist das Zeitalter der Transformation – und damit der kontinuierlichen Veränderungen. Diese fundamentalen Veränderungen sind letztlich nur möglich, wenn die gesamte Organisation daran mitarbeitet. Empowerment ist deshalb nicht Kür, sondern Pflicht.
AWE: Und gibt es hier aus Ihrer Sicht auch interkulturelle Unterschiede?
Amer: Sofern es gelingt, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von notwendigen Veränderungen zu überzeugen und sie von Anfang an einzubeziehen, sind die Leidenschaft für, und Lust auf, Veränderung aus meiner Sicht unabhängig von Kultur oder Herkunft.
AWE: Mit Ihnen, als erstes weibliches Mitglied im Vorstand seit der Gründung von Hapag-Lloyd vor 175 Jahren, endete eine Tradition in der weltweit fünftgrößten Containerrederei. Wo ist Hapag-Lloyd in der Förderung der Geschlechtervielfalt schon aktiv und was haben Sie noch vor?
Amer: Hapag-Lloyd ist bereits auf einem sehr guten Weg, um Diversität noch umfassender und intensiver umzusetzen. Wir wertschätzen, respektieren und fördern die kulturelle, ethnische, sexuelle und weltanschauliche Vielfalt unserer Beschäftigten. Wir wollen und werden die Zahl der Mitarbeiterinnen auf allen Führungsebenen massiv erhöhen und besetzen freiwerdende Stellen bei gleicher Qualifikation bevorzugt mit Frauen. Außerdem wollen wir ab 2023 einen Anteil von 50 Prozent Frauen in unseren Führungskräfte- und Talent-Entwicklungsprogramm erreichen.
AWE: Es ist das Jahr 2030 und Diversität in den Unternehmen sorgt für die erfolgreiche und zukunftsfähige Aufstellung der digitalen Transformation. Denken Sie, dass wir dafür eine Revolution oder eine radikal verordnete Strategie brauchen? Was müsste in Wirtschaft und Politik anders werden, damit dies Realität wird?
Amer: Radikale Verordnungen und Revolutionen sind aus meiner Sicht nicht das richtige Mittel. Was wir vielmehr brauchen – in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur – ist die klare Einsicht, dass divers aufgestellte Organisationen schlichtweg erfolgreicher agieren, bessere Ergebnisse erzielen und zur Steigerung der Arbeitszufriedenheit und der Produktivität führen.
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