Frauen setzen wirtschaftliche Potenziale frei
In der gleichberechtigten Förderung und Finanzierung von Frauen in der Wirtschaft liegt ein wichtiger Hebel, um die gendergerechte sozial-ökologische Wirtschaftstransformation voranzutreiben. Finanzierungen für junge Unternehmerinnen und Gründerinnen stärken nicht nur deren Unabhängigkeit und soziale Stellung, sondern führen auch zu unternehmerischem Erfolg.
Wer die wirtschaftliche Teilhabe von Frauen fördert, profitiert von sozialen, finanziellen und ökologischen Vorteilen: Studien und Datenauswertungen zeigen, dass Unternehmen – und die gesamte Gesellschaft – einen großen Nutzen daraus ziehen, wenn Frauen gleichberechtigt Verantwortung tragen. Weniger bekannt ist, was es kostet, wenn die Leistungsfähigkeit der weiblichen Bevölkerung unterbewertet oder sogar missachtet wird. Bleibt das wirtschaftliche Potenzial von Frauen ungenutzt, entgehen der Weltwirtschaft laut eines Berichts der Weltbank rund 160 Billionen US-Dollar.
Finanzierung von Frauen in Lateinamerika
Frauen erhalten weltweit immer noch weniger Startkapital als Männer. Lediglich zwei Prozent des weltweiten Risikokapitals fließen laut einer Studie des Verbands deutscher Unternehmerinnen beispielsweise an Gründerinnen. Auch in Lateinamerika bremst die Ungleichheit der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt ein solides Wirtschaftswachstum und die soziale Entwicklung aus. Dort sind derzeit nur etwa 15 Prozent der Führungspositionen von Frauen besetzt. Gleichzeitig ist die Region in Aufbruchstimmung: So will Deutschland im Hinblick auf die Energiekrise in bestehende und neue Partnerschaften im Bereich der erneuerbaren Energien, zum Beispiel in Brasilien, investieren. Wie passt das zusammen und wo liegen die Herausforderungen und Hürden in der Region?
Krisen befeuern Ungleichheit
Einem Bericht des Weltwirtschaftsforums zufolge ist die Welt noch mehr als ein Jahrhundert davon entfernt, die globale Geschlechterkluft zu schließen. Sie arbeiten beispielsweise in schlechter bezahlten Pflege- und Sorgeberufen oder machen unbezahlte Haus- und Pflegearbeit. Zu der ungerechten Verteilung von Arbeitszeit und Gehalt kommen Benachteiligungen und Gefahren durch Sexismus und Gewalt.
Aktuelle Krisen befeuern diese Ungleichheiten und verursachen Rückschritte, so Ana Güezmes, Direktorin der Abteilung für Gender-Angelegenheiten der Economic Commission for Latin America and the Caribbean der Vereinten Nationen (ECLAC). In ihrer Keynote auf der Veranstaltung „Women EmPOWERed in Business – Strategische Partner für die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft“ betont die Expertin, dass gerade durch die COVID-19-Pandemie viele Frauen ihre Arbeit verloren hätten oder sich verstärkt um Familie und Kinder kümmern müssten: „Eine von zwei Frauen ist nicht am Arbeitsmarkt – dies betrifft hingegen lediglich einen von vier Männern.“
Privat-öffentliche Partnerschaften als Schlüssel
Privatwirtschaftlich-öffentliche Partnerschaften können mit Blick auf diese komplexe Problemlage Grundlagen für mehr Gleichberechtigung schaffen. Güezmes stellt fest: „Es ist wichtig, dass der Privatsektor mit Regierungen und den Vereinten Nationen zusammenarbeitet, um Investitionen zu fördern, die Frauenrechte garantieren, die Umwelt schützen und menschenwürdige Arbeitsplätze schaffen.“ Gerade in den Bereichen Innovation, Technologie und Nachhaltigkeit entfalte sich dann großes Potenzial für Gesellschaft und Wirtschaft.
Gleichberechtigung für unternehmerischen Erfolg
Ähnlich sieht das auch Monika Beck, Geschäftsführerin der DEG - Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft, im Panel der Veranstaltung. „Frauen spielen eine große Rolle für die Themen Klima, Ökologie und für technische Innovationen“, so die Finanzexpertin. Um bewusst Frauen und Geschlechtervielfalt in Entwicklungs- und Schwellenländern über Finanzierungen zu fördern, bietet die DEG mehrere Instrumente an, unter anderem das Gender Smart Opportunities Assessment. Damit unterstützt sie Finanzinstitute in sich entwickelnden Märkten bei der Entwicklung geeigneter Produkte und Dienstleistungen speziell für die weibliche Zielgruppe.
Aber wie sieht das in der Praxis aus? Als Beispiel nannte Monika Beck das mexikanische Familienunternehmen „Operadora de Servicios MEGA“. Es bietet kleinen und mittleren Unternehmen maßgeschneiderte Lösungen im Bereich Maschinen- und Anlagen-Leasing im Agrarbereich an. MEGA nahm an dem Assessment teil, um zum einen seine eigene Gender-Performance im Vergleich mit anderen Finanzanbietern im Segment zu vergleichen. Zum anderen ging es darum, gendersmarte Finanzierungslösungen für die weibliche Zielgruppe zu identifizieren.
Dank der abgeleiteten Maßnahmen im Zuge des Assessments konnte nicht nur die interne Expertise mit mehr weiblichen Personen in der Führung gestärkt werden. Durch die gezielte Ansprache von Frauen durch Mitarbeiterinnen im Vertrieb erweiterte MEGA auch das weibliche Kundensegment maßgeblich. „Seit 2018 konnte das Unternehmen die Anzahl von Kundinnen von 8 auf 25 Prozent erhöhen“, sagte Beck.
Außerdem führte MEGA 2020 als neues Produkt Leasing für weiblich geführte Start-ups ein. Über die Investition in die Start-ups entscheidet ein eigenes, rein mit Frauen besetztes Investment-Committee. MEGA schafft so mehr Finanzierungschancen für Gründerinnen von kleinen Unternehmen und stärkt so Frauen in der mexikanischen Wirtschaft.
Innovatorinnen im Energiesektor
Frauen können also neuen Wind in vornehmlich männlich geprägte Branchen bringen. So sieht die gebürtige Brasilianerin Rachel Andalaft, die gemeinsam mit Beck an der Panel-Diskussion teilnahm, Potenziale im aufstrebenden Energiesektor in Brasilien. Die Investment-Managerin und Gründerin arbeitet mit ihrem Unternehmen REA Consult mit Energie-Investor:innen aus ganz Europa sowie Nord- und Südamerika zusammen. 2016 gründete Andalaft REA Consult und spezialisierte sich auf die Finanzierung von nachhaltigen internationalen Projekten. Ihr Ziel ist es, ausländische Investitionen in Südamerika zu ermöglichen.
Der Markt für erneuerbare Energien ist weltweit einer der stark wachsenden Sektoren, der Arbeitsplätze und Möglichkeiten für sozioökonomische Entwicklung schafft und auch ökologische Vorteile bringt. Doch die Beteiligung von Männern und Frauen in diesem Sektor ist immer noch ungleich – auch in Brasilien. Je mehr der Energiemarkt geöffnet und Geschäftsmodelle neu gedacht werden, desto inklusiver und diverser sind sie, und desto attraktiver für Frauen.
„Wir müssen weg vom reinen, männlich dominierten Installationsmarkt hin zu anspruchsvollen Finanzierungs- sowie Wertschöpfungskonzepten. Das eröffnet Frauen neue Perspektiven und Möglichkeiten, sich einzubringen“, sagt Rachel Andalaft. Frauen hätten als Fachleute im Energiesektor viel zu bieten, insbesondere in Zeiten des Wandels. Modelle, wie beispielsweise neue Finanzprodukte im Zusammenhang mit der Produktion von erneuerbarer Energie in Haushalten oder kleinen Unternehmen, könnten auch in Brasilien gut funktionieren. Hier hält die Unternehmerin einen Austausch von Know-how mit deutschen Partnern für essenziell.
Politisches und unternehmerisches Umdenken
Das Fazit der drei Expertinnen liegt auf der Hand: Um Frauen unter anderem in Lateinamerika gezielt zu fördern, ist sowohl politisches als auch unternehmerisches Umdenken gefragt. Neue Geschäftsmodelle finden erst dann Raum, wenn Frauen genauso finanziert und gefördert werden wie Männer. Genau das setzt dann Potenziale für echte Innovationen in einer sozial-ökologischen Wirtschaftstransformation frei.
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