„Finanzielle Freiheit ist der Schlüssel zu wahrem Empowerment“
Pauline Koelbl ist ein Business-Polyglott. Sie ist Impact Investorin mit einem Gender-Blick, ein Innovationskatalysator und die Gründerin und Managing Partner von ShEquity. Als Expertin und Zukunftsgestalterin haben wir mit Pauline über ihre Perspektiven zur Zukunft von Frauen und Empowerment in der Wirtschaft gesprochen.
AWE: Zum Thema „Vision": Was war schon immer Ihr Traum und wie haben Sie an der Umsetzung dieser Vision gearbeitet?
Pauline Koelbl: Eines Tages fragte mich ein Freund: „Wenn man dein Leben in ein Buch verwandeln würde, wie würde der Titel lauten?“ Ohne darüber nachzudenken, antwortete ich: "Pay it Forward", auf Deutsch also „Gib etwas zurück“. Das hat sich für mich intuitiv ergeben. Denn ich bin hier, weil mir Menschen die Möglichkeit gegeben haben. Als ich 1994 während des Genozids Ruanda verließ und zur Geflüchteten wurde, öffneten mir viele Menschen Türen. Unter anderem indem sie im Flüchtlingslager ihr Brot mit mir teilten. Alle diese Menschen haben auch meine Träume und meine Hoffnung am Leben erhalten. Als ich anfing erfolgreich zu sein, beschloss ich eine Karriere zu verfolgen, die „purpose driven“ ist - sprich das Leben anderer Menschen positiv beeinflusst. Der Gedanke, etwas Gutes zu bewirken, steht also stets hinter meinem Handeln und meiner Vision. Ich kann mich nicht bei allen Menschen revanchieren, die mir damals auf meinem Weg geholfen haben. Aber wenn ich diese Impulse weitergeben kann, dann hoffe ich, dass dieselbe Person es für andere tut. Auf diese Weise können wir einen Kreislauf schaffen, der Chancen für andere eröffnet und eine bessere und gerechtere Welt schafft.
AWE: Sie hatten bisher ein sehr ereignisreiches Leben. Was bedeutet es für Sie als Führungspersönlichkeit, Impact Investorin und Innovationskatalysator, "Empowerment" zu betreiben? Und hat dieses Wort in verschiedenen Kontexten unterschiedliche Bedeutungen?
Pauline Koelbl: Jeder Mensch hat Macht in sich. Aber diese Macht kann einem genommen werden, wenn man abgewiesen oder ignoriert wird. Wahre Ermächtigung verstärkt bereits vorhandene Kräfte und setzt Möglichkeiten frei. Wenn ich mir meinen Weg anschaue, sehe ich, dass „Empowerment" eine unterschiedliche Bedeutung hat, je nachdem, wo man sich befindet. Das Schlimmste, was einem als Flüchtling passiert: Man wird zu einer Nummer. Deshalb empfand ich es bereits als Empowerment, wenn mich jemand daran erinnerte, wer ich war, woher ich kam und dass ich sichtbar bin. Als ich mit begrenzten Englischkenntnissen in die USA einwanderte, fühlte ich mich jedes Mal ermächtigt, wenn sich Menschen bemühten, mit mir zu sprechen. Sie erinnerten mich daran, dass ich das Zeug dazu hatte, Englisch und alles andere zu lernen, was ich lernen wollte. Nicht zuletzt fühlte ich mich durch Professor:innen gestärkt, die an meine Lernfähigkeit glaubten und mich zu einem Summa cum Laude-Abschluss führten. Heute konzentriere ich mich auf wirtschaftliche Förderung, weil ich glaube, dass finanzielle Freiheit ein Schlüssel zu wahrem Empowerment ist.
AWE: Empowerment ist auch eines der Ziele Ihres Unternehmens ShEquity. Können Sie uns ein wenig mehr über ShEquity und Ihre Ziele erzählen?
Pauline Koelbl: Die Vision von ShEquity besteht darin, die 42 Milliarden US-Dollar große „Gender-Funding-Gap“ in Afrika zu schließen. Diese Lücke beschreibt den Mangel an verfügbarem Risikokapital für Startup-Gründerinnen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen. Unser spezifisches Ziel ist es, afrikanischen Gründerinnen die innovative, und wirkungsvolle Unternehmen gründen, intelligente Investitionen zu bieten. Diese Gründerinnen bitten nicht um Wohltätigkeit; sie brauchen einfach nur Zugang zu Kapital wie alle anderen auch. Frauen machen mehr als 50 Prozent der Bevölkerung aus und im afrikanischen Kontext leiten sie etwa 40 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen, haben aber eine Finanzierungslücke von 42 Milliarden US-Dollar. Und das, obwohl Frauen eine höhere Rendite erzielen: etwa 2,5-mal mehr als Männer. Die Investitionsphilosophie von ShEquity zielt auf die Erzielung einer dreifachen Rendite ab: Gewinn mit positiven Auswirkungen auf die Menschen und den Planeten. Unsere Strategie besteht darin, einen Ökosystem-Ansatz für Investitionen zu verfolgen. Mit Ökosystemansatz meine ich die Kombination von Geldmitteln mit technischer Unterstützung und die Verbindung mit den richtigen Netzwerken, die für den Zugang zu neuen Märkten und Feldpartnern erforderlich sind.
AWE: Was sind die nächsten Schritte für ShEquity?
Pauline Koelbl: Wir sammeln 25 Millionen US-Dollar für unser zweites Investmentvehikel und sind auf der Suche nach Investoren und Partnern mit der Vision, die ‚Gender-Funding-Gap‘ in Afrika zu schließen und die Erreichung der Sustainable Development Goals zu beschleunigen. Ich lade alle ein - einschließlich privater und öffentlicher Institutionen - sich uns anzuschließen und die Finanzierungslücke zu schließen. Dann können wir gemeinsam bis 2025 das Bruttoinlandsprodukt Afrikas um 316 Milliarden Dollar steigern.
Wir betreiben auch einen Accelerator mit dem Namen SHEBA (ShEquity Business Accelerator), der Zugang zu risikoarmen und investitionsbereiten Geschäften ermöglicht. Mit SHEBA bauen wir eine vertrauenswürdige Plattform afrikanischer Unternehmen auf, die von Frauen geführt und besessen werden. Wir führen SHEBA derzeit in Westafrika ein und planen, das Programm mit den richtigen Partnern auf andere Märkte auszuweiten.
AWE: Es ist zu hoffen, dass die Gleichstellung der Geschlechter bis 2030 in immer mehr Unternehmen ein fester Bestandteil sein wird: Wie kann das Ziel der Gleichstellung der Geschlechter durch die Maßnahmen eines Unternehmens zum Ausdruck gebracht werden?
Pauline Koelbl: Jeder, der ein Unternehmen führt, muss sich darüber im Klaren sein: Ein Unternehmen, das 50 Prozent der Bevölkerung ignoriert, ist nicht zukunftsfähig. Einfach ausgedrückt: Geschlechtergerechtigkeit bedeutet Vielfalt und das sollte Teil jeder Unternehmensstrategie sein. Unterschiedliche Stimmen und Sichtweisen ermöglichen eine andere Perspektive auf den Markt, das Produkt und die Dienstleistung. Wir brauchen Pionier:innen, die Risiken eingehen. Sie können zeigen, was diejenigen, die sich für Geschlechtergerechtigkeit, Vielfalt und Integration einsetzen, bereits wissen. Wenn diese Daten erst einmal allgemein verfügbar sind, wird jede logisch denkende Führungskraft Gender-Inklusion als intelligente Strategie für den Aufbau nachhaltiger und rentabler Unternehmen betrachten. Nachhaltigkeit erfordert Geschlechtervielfalt. Ich hoffe, dass diese Geschlechtervielfalt bis 2030 in offizielle Risikometriken aufgenommen wird. Wir wissen, dass wir das globale Bruttoinlandsprodukt bis 2025 um 28 Billionen Dollar steigern können, wenn wir die Geschlechterungleichheiten beseitigen und dabei auch andere gesellschaftliche Herausforderungen, einschließlich ökologischer Probleme, angehen. Dies ist eine Win-Win-Strategie: Geschlechtergerechtigkeit kommt allen zugute.
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