Julius´ Chance und ein Gewinn für Deutschland

Solar-, Wind- und Biogasanlagen. E-Mobilität, Logistik und Industrie-Services. In vielen Geschäftsfeldern, in denen die Wealth Collect Holding (WCH) und ihre Tochterunternehmen aktiv sind, fehlt es in Europa mittlerweile an Fach- und Nachwuchskräften. In Kenia dagegen stehen zahlreiche gut ausgebildete junge Menschen in der Startlöchern. Mit Unterstützung der AWE hat Wealth Collect deshalb ein ungewöhnliches Pilotprojekt gestartet: nach einer Qualifizierungsphase am eigenen Campus in Kenia kommen junge Talente nach Deutschland, um ihr Know-how in Zukunftsbranchen zu erweitern.
Julius Kalume hat sich gut eingelebt. Seit wenigen Monaten ist er hier, in Nürnberg, beim Industrieservice Europa (ISE), und hilft mit, Photovoltaikanlagen zu planen. „Ich bin sehr glücklich, hier zu sein“, erzählt er. „Deutschland ist führend in der Solartechnologie, ich kann sehr viel lernen“. Mit den Kollegen kommt er bestens zurecht, sein Deutsch bringt er nach der Arbeit in einem Online-Kurs aufs nächste Level. Julius und ein weiterer junger Kenianer, inzwischen als E-Bike-Mechaniker auf Sylt im Einsatz, sind sozusagen Pioniere: Sie und vierzehn weitere Ingenieure gehören zur ersten Kohorte, die auf dem AW Campus von WCH in Nairobi das vom Unternehmen selbst entwickelte Qualifizierungsprogramm absolviert hat. Nach seinem Studium in Kenia war Julius ohnehin auf der Suche nach Chancen in der Solarbranche – und dementsprechend begeistert darüber, die Zusage für einen festen Job in seiner Wunschbranche in Deutschland zu bekommen.
Deutsch-Unterricht bis B2-Level
„Wir merken in ganz Deutschland, dass es zu wenig Nachwuchs in technischen Berufen gibt“, erklärt Jürgen Kasel, der das Projekt AW Campus bei der ISE maßgeblich verantwortet. „Nach Kenia hatten wir bereits Kontakte – und haben dann 2023 beschlossen, direkt dort Talente genau auf unseren Bedarf weiter zu qualifizieren“. So sind die Einstiegshürden geringer, die Teilnehmer können sich in Ruhe im gewohnten Umfeld auf ihren Einsatz vorbereiten. Damit ihnen möglichst viele Tätigkeitsfelder in der WCH-Welt offenstehen, lernen alle neben den Anforderungen in der Solartechnologie auch die in der E-Mobilität, der Logistik und in den Industrie-Services kennen. Parallel erhalten die Kenianer Deutschunterricht, demnächst sogar bis zum Sprachlevel B1, und absolvieren die entsprechenden Tests des Goethe-Instituts vor Ort. Um den Einstieg in die fremde Kultur zu erleichtern, vermitteln die Lehrkräfte außerdem bereits in Nairobi, was Alltag und Beruf in Deutschland besonders auszeichnet.
Ausweitung auf Pflege und Gastronomie in Planung
Was an Bürokratie alles zu bewältigen ist, bevor Menschen wie Julius hier starten können? „Das ist in der Tat extrem viel, aber dennoch zu schaffen“, sagt Kasel. „Die Unterstützung der Industrie- und Handelskammer, der Agentur für Wirtschaft und Entwicklung und der deutschen Außenhandelskammer war da wirklich wertvoll für uns. Alle haben uns kompetent beraten und vor allem dafür gesorgt, dass wir uns mit den richtigen Ansprechpartnern vernetzen konnten.“ Insgesamt, so Kasel, habe es auch deshalb nur etwa neun Monate von der ersten Idee bis zum Start des AW Campus in Nairobi gedauert. Ein weiteres Qualifizierungs-Zentrum ist bereits in Planung – diesmal allerdings innerhalb Deutschlands. Dort sollen in Zukunft sowohl einheimische als auch im Ausland rekrutierte Fachkräfte miteinander lernen. Das Engagement in Kenia will Kasel ebenfalls noch ausbauen, in der Diskussion sind Qualifizierungsprogramme etwa für Pflegekräfte und Personal für Hotel- und Gastronomiebetriebe. „Wir sind in Gesprächen mit potenziellen Partnern – und freuen uns über jedes deutsche Unternehmen, das den Wert solcher Projekte erkennt und mit anpackt.“
Willkommenskultur im Betrieb – und ein unbefristeter Arbeitsvertrag
In Nürnberg in der Solaranlagen-Planung konzentriert sich das Team einstweilen darauf, für Julius eine echte Willkommenskultur zu schaffen. Braucht er Hilfe bei Ämterbesuchen, begleitet ihn jemand, immer öfter stehen gemeinsame Unternehmungen an. Julius soll auf keinen Fall das Gefühl bekommen, dass man ihn nur als austauschbare Arbeitskraft sieht. Ohnehin ist sein Arbeitsvertrag unbefristet, er entscheidet frei, ob er nur eine Zeit lang oder auf Dauer in Deutschland bleibt. „Das ist uns wichtig, wir wollen ja niemanden zu einer Art Zwangsehe verpflichten“, meint Jürgen Kasel. „Falls er sich irgendwann für eine Rückkehr nach Kenia entscheidet, hat er viel Know-how im Gepäck – und kann die Wirtschaft dort voranbringen.“
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