Kooperation in der Kreislaufwirtschaft – „Lateinamerika ist bereit für Wandel“
Der Lateinamerika-Tag stand in diesem Jahr unter dem Motto „Bereit für Veränderung?! ¿Preparados para el cambio! A postos para a mudança?! Ready for change?!“ Dass diese Bereitschaft notwendig und auch vorhanden ist, machte das Panel zum Thema „Circular Economy – Building resilience in the economy“ deutlich, das AWE-Beraterin Karla Luzette Beteta-Brenes moderierte. Vertreter:innen von drei innovativen deutschen Unternehmen, die im Bereich Kreislaufwirtschaft auf dem lateinamerikanischen Kontinent tätig sind, teilten ihre Erfahrungen.
„Wir müssen immer in beide Richtungen schauen“, sagte Jens Utecht von WISTEMA GmbH, einer der Sprecher des Panels. Was kann Deutschland von Lateinamerika lernen, und welchen Beitrag kann umgekehrt Deutschland in den Ländern dieses Kontinents leisten? „Wenn wir nur in eine Richtung schauen, können wir nicht das volle Potenzial ausschöpfen.“ Utechts Firma, die Dienstleistungen im Bereich des Stoffstrommanagements anbietet, hat Repräsentant:innen in Brasilien, Kolumbien und Costa Rica und arbeitet mit vielen lokalen Partnerunternehmen zusammen, beispielsweise um Stoffe aus Produkten zurückzugewinnen, die WISTEMA schließlich einer neuen Verwendung zuführt.
Deutschlands Rolle sieht Utecht vor allem darin, die benötigten Technologien zur Verfügung zu stellen. „Da sind wir fortgeschritten.“ Andererseits könne Deutschland von der grundsätzlichen Einstellung und Denkweise lernen, die in Lateinamerika vorherrsche. „Meine persönliche Sichtweise ist, dass Lateinamerika viel eher bereit ist für Wandel“, so Utecht. Um Kreislaufwirtschaft zu erreichen, sei Veränderung nötig – und dafür bleibe nicht viel Zeit. „Wegen dieser Grundhaltung ist Lateinamerika für WISTEMA eine sehr attraktive Region.“
Utecht sprach damit das übergreifende Thema des 72. Lateinamerika-Tags an, den der Lateinamerika Verein gemeinsam mit der Handelskammer Hamburg am 4. und 5. November in Hamburg veranstaltete: die vielfältigen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen, vor denen die lateinamerikanischen Länder angesichts globaler Herausforderungen wie der Coronapandemie und dem Klimawandel stehen. Internationale Expert:innen und Branchenfachleute diskutierten auf der Konferenz darüber, wie eine Neuausrichtung in der Region aussehen und umgesetzt werden kann.
Teil der Lösung
Dem nötigen Wandel zugute kommt aus Sicht von Naemi Denz von der Steinert GmbH, einem Hersteller von Sortiermaschinen, auch die Lösungsorientierung der Unternehmen in Lateinamerika. Steinert ist seit 15 Jahren in Brasilien aktiv. Wenn deutsche und brasilianische Teams zusammenkämen, zeige sich häufig, dass die Deutschen sich stark auf alle möglichen Probleme fokussierten, die auftreten könnten. Die Brasilianer:innen hingegen vertrauten darauf, gute Lösungen für die Probleme zu finden, die auch im Sinne der Kund:innen sind. „Eine solche Mischung der Kulturen ist sehr gut für ein Technologieunternehmen wie Steinert“, sagte Denz in dem Forum.
Sie wies darauf hin, dass die Kreislaufwirtschaft ein politisches Thema, aber auch ein Geschäftsmodell ist. „Jedes Jahr werden 400 Millionen Tonnen Plastik produziert, und mehr als 80 Prozent davon landen in der Umwelt.“ Es liegt auf der Hand, dass es einen ganzen Wirtschaftszweig braucht, um all dieses Plastik zu sammeln, zu trennen und zu recyceln. „Steinert ist Teil der Lösung“, so Denz. Von der Politik wünscht sie sich, dass der Abbau von Zöllen auf Maschinen, den die Europäische Union im Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay vereinbart hat, schneller geht als innerhalb der zehn Jahre, die im Gespräch seien.
Mehr als Geschäfte
Rafaela Craizer betonte die entwicklungspolitische Dimension der Zusammenarbeit in der Kreislaufwirtschaft. Ihre Firma BlackForest Solutions GmbH, die auf Abfallmanagement-Lösungen für gefährliche und nicht-gefährliche Abfälle spezialisiert ist und einen besonderen Fokus auf Beratung legt, beteiligt sich an vielen Projekten der Entwicklungszusammenarbeit, beispielsweise in Kolumbien. Neben dem Aufbau lokaler Produktion gehe es unter anderem um Kapazitätsaufbau, lokale Ownership und die Schaffung des nötigen rechtlichen und regulatorischen Rahmens. Ein Beispiel: „Wenn die Technologien nicht vorhanden sind, bedeutet das gleichzeitig, dass es keine qualifizierten Arbeitskräfte gibt, um die Maschinen zu bedienen“, erklärte Craizer.
Kreislaufwirtschaft ist ein wichtiges Thema auch für Deutschlands staatliche Entwicklungszusammenarbeit mit lateinamerikanischen Ländern. So führt etwa die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH diverse Projekte in dem Bereich durch. In der Initiative Ressourceneffizienz und Klimaschutz fördert sie internationale Dialog- und Kooperationsprozesse, darunter den Erfahrungsaustausch mit und zwischen Schwellenländern wie Argentinien und Mexiko über verschiedene Vernetzungs- und Lernformate. In Mittelamerika setzt sie sich unter Einbeziehung der Wirtschaft und Zivilgesellschaft für die Vermeidung von Plastikmüll ein. Und im Projekt PREVEC geht es darum, das Recycling von Abfällen in städtischen Großräumen in Kolumbien zu verbessern.
Auch für deutsche Unternehmen gibt es zahlreiche Möglichkeiten, sich im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit in Lateinamerika im Sinne der Entwicklung der Partnerländer zu engagieren. Die AWE berät dazu, unsere Förderdatenbank Entwicklungsländer bietet einen Überblick über staatliche Förderinstrumente.
„Zusammenarbeit ist der Schlüssel“, sagte AWE-Beraterin Beteta-Brenes zum Abschluss des Forums. Für den Wandel zur Kreislaufwirtschaft müssten Unternehmen, Politik und Wissenschaft ebenso kollaborieren wie große Firmen mit kleinen Innovator:innen und Akteur:innen über alle Sektoren und Lieferketten hinweg. Jetzt sei die Zeit, Produkte und Dienstleistungen anders zu designen, die Art Geschäfte zu machen zu verändern und die Zukunft neu zu gestalten. „Wir können das nächste Kapitel in der Geschichte der Menschheit schreiben und sicherstellen, dass es gut endet“, so Beteta-Brenes.
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