Netzwerkpartner berichten: Wie die Krise Projekte in Entwicklungsländern trifft
Coronatagebuch, Folge 3: Die Covid-19-Pandemie und ihre Folgen haben den Alltag weltweit auf den Kopf gestellt. Wir haben Partner in unserem Netzwerk gefragt: Wie trifft sie die Krise? Wie reagieren sie darauf? Und wie ändern sich die Perspektiven?
Für diese Folge haben wir mit dem Unternehmen Advanced Training Technologies GmbH (ATT), dem deutschen Medikamentenhilfswerk action medeor und der GHA – German Healthcare Alliance gesprochen.
„Wir nutzen die Zeit, um unser digitales Angebot auszubauen“
Markus von Rheinbaben ist Projektleiter bei der Advanced Training Technologies GmbH (ATT). Zusammen mit der Konzernschwester GHH Fahrzeuge, einem führenden Hersteller von Berg- und Tunnelbaufahrzeugen, baut ATT in Indien gerade ein Bergbaukompetenzzentrum auf. Zur Projektfinanzierung, zur Planung und Umsetzung hat die Agentur für Wirtschaft und Entwicklung das Weiterbildungsunternehmen mehrfach beraten.
„Als Schulungsanbieter mit viel Präsenzunterricht haben wir die Auswirkungen der Pandemie früh zu spüren bekommen. Schon Anfang März wurden viele unserer Schulungen in Deutschland abgesagt. Seither haben wir in Absprache mit unseren Kunden, Partnern und den entsprechenden Behörden neue Schulungskonzepte entwickelt, um Weiterbildung auch in diesen Zeiten möglich und gleichzeitig maximal praxisrelevant zu machen.
Wir haben also die Zeit genutzt, um unser digitales Angebot auszubauen. So konnten wir eine Plattform, die wir schon länger entwickeln, früher als geplant veröffentlichen. Wir bieten dort bereits vier unserer Kurse virtuell an. Außerdem haben wir mit einer Konzernschwester einen E-Learning-Kurs zur Corona-Risikobewertung konzipiert und umgesetzt. Bei allen Herausforderungen hat durch die Krise also auch bei uns die Digitalisierung einen Schub bekommen.
Die Pandemie verzögert auch den Start unseres Ausbildungszentrums in Indien. Dort stehen noch Verhandlungen mit Partnern vor Ort aus, die wir nur persönlich führen können. Wann das wieder möglich sein wird, ist noch nicht abzusehen.“ Markus von Rheinbaben, ATT
„Die Freigabeprozesse für Sendungen dauerten teilweise drei Wochen“
Der Apotheker Christoph Bonsmann ist Vorstand des Deutschen Medikamentenhilfswerks action medeor und Geschäftsführer von action medeor International Healthcare GmbH, der Auslandsniederlassung des Hilfswerks in Tansania. Derzeit plant action medeor ein Qualifizierungsprogramm in Subsahara-Afrika: Anwenderinnen und Anwender mit unterschiedlichen Vorkenntnissen sollen fit im Umgang mit moderner Medizintechnik werden. Die Agentur für Wirtschaft und Entwicklung hat action medeor zu diesem Projekt beraten.
„In der Pandemie haben wir Veränderungen auf mehreren Ebenen bemerkt: Erstens standen wir intern plötzlich vor der Herausforderung, alle Prozesse bei uns am Standort Tönisvorst am Niederrhein umzustellen – etwa auf digitale Meetings und Online-Seminare. 80 Prozent unser 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren von einem Tag auf den anderen im Homeoffice. Zweitens sind die Logistikketten ganz oder teilweise zusammengebrochen. Dabei sind viele Länder auf Importe angewiesen. Und drittens war es für uns eine echte Herausforderung, die neuen Bedarfe vor Ort zu identifizieren, die wir sonst gut kennen.
Direkt zu Beginn haben wir geholfen, indem wir Sofortmaßnahmen unserer Partner finanziert haben: vor allem Aufklärungsarbeit im Hygienebereich, um Infektionsketten früh zu unterbrechen. Schutzmaterialien zu senden, war eine große Herausforderung. Als Hilfsorganisation sind wir vom Exportverbot ausgenommen. Trotzdem musste jede Lieferung, die auch nur eine Box Einweghandschuhe enthielt, einen manuellen Freigabeprozess durchlaufen, der teilweise drei Wochen dauerte. Allein Technik und Material helfen in der Covid-19-Pandemie aber nicht weiter. Daher ist es unsere aktuelle Projektidee, Menschen im Bereich Medizintechnik zu qualifizieren, damit sie zum Beispiel die gerade besonders nachgefragten Sauerstoffkonzentratoren auch warten, kontrollieren und betreiben können.“ Christoph Bonsmann, action medeor
„Wir haben gelernt, dass man auch anders zusammenarbeiten kann“
Alexander Boxler ist Geschäftsführer der GHA – German Health Alliance am Standort Berlin. Die BDI-Initiative versammelt mehr als 100 Akteure aus Wirtschaft und Industrie, Zivilgesellschaft und Nicht-Regierungs-Organisationen, Wissenschaft und Forschung und positioniert sich als internationale Stimme der deutschen Gesundheitswirtschaft. Die GHA und die Agentur für Wirtschaft und Entwicklung arbeiten als Netzwerkpartner zusammen und unterstützen, begleiten und beraten Unternehmen bei ihren Investitionen in Entwicklungsländern.
„Unsere Arbeit als German Health Alliance basiert auf persönlichen Kontakten und Gesprächen: Wir organisieren Veranstaltungen und versuchen, unsere Mitglieder mit potenziellen Partnern zusammenzubringen. Durch die Kontaktbeschränkungen mussten wir uns radikal umstellen. Wir haben zum Beispiel recht schnell mit einem Partner eine Webinar-Serie zu Covid-19 in Afrika gestartet, die sehr positiv aufgenommen wurde. Die Krise hat also gezeigt, dass man auch anders zusammenarbeiten kann.
Generell hat die Pandemie das Thema Gesundheit stärker in den Fokus der Entwicklungszusammenarbeit gerückt. Oft sind Themen wie Energie und Infrastruktur viel prominenter positioniert, in unseren Partnerländern konkurriert das Thema Gesundheit oft mit Themen wie Energie und Infrastruktur. Der erforderliche ‚Health in all policies‘-Ansatz prägt sich zudem bislang nicht hinreichend aus.
In einer Krise zeigen sich dann die Versäumnisse. Ob wir daraus Lehren für die Zukunft ziehen werden, bleibt abzuwarten. Sehr optimistisch bin ich nicht: Die aktuelle Pandemie ist ja nicht die erste, die wir erleben müssen. Und ich befürchte, es wird nicht die letzte bleiben.“ Alexander Boxler, GHA
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