Per Mobiltelefon zum Geschäftskredit
Kleinste, kleinere und mittlere Unternehmen (KKMU) in ländlichen Regionen Subsahara-Afrikas haben oft keinen Zugang zu klassischen Finanzdienstleistungen. So bleibt ihnen auch die Möglichkeit verwehrt, mit Krediten ihr Betriebskapital zu erhöhen und damit zu expandieren. Hier setzt das kenianische Start-up Pezesha mit einem innovativen Geschäftsmodell an: Mithilfe einer digitalen, automatisierten Crowdfunding-Infrastruktur bringt es auf einfache Weise Kreditnehmende und Investor:innen zusammen. Im Jahr 2022 nutzte Pezesha eine Wachstumsförderung durch das develoPPP Ventures Programm. Was das Unternehmen mit der Förderung erreichte und warum Pezesha insbesondere Frauen als Zielgruppe adressiert, erläutert die Gründerin und Geschäftsführerin von Pezesha, Hilda Moraa, im Gespräch mit der AWE.
Wie das kenianische Unternehmen Pezesha kleine Unternehmen mit Betriebskapital versorgt
AWE: Was ist das Innovative an der Geschäftsidee von Pezesha?
Hilda Moraa: Wir haben in den vergangenen Jahren in Kenia eine robuste Infrastruktur für die digitale Kreditvergabe an kleinste, kleine und mittlere Unternehmen aufgebaut. Damit ermöglichen wir es diesen Unternehmen, sich Betriebskapital zu beschaffen und es produktiv sowie wirtschaftlich sinnvoll einzusetzen.
Das Herzstück der robusten Infrastruktur von Pezesha ist unsere digitale Kreditscoring-Technologie Patascore, die besondere Daten nutzt, um die Kreditwürdigkeit von Unternehmen zu bewerten, die bisher vom Finanzmarkt ausgeschlossen waren. Die meisten dieser Unternehmen werden von Frauen geführt, die in kleinen Geschäften Konsumgüter und landwirtschaftliche Produkte verkaufen. Wir verwenden einen eingebetteten Finanzierungsansatz, um diese Segmente zu erreichen. So arbeiten wir beispielsweise mit ihren Zulieferern in der Wertschöpfungskette zusammen, die uns Transaktionsdaten und andere Datensätze von Patascore zur Verfügung stellen, um ihre Kreditwürdigkeit zu ermitteln. Wenn die KKMU uns pünktlich bezahlen, können sie höhere Kreditlimits auf der Pezesha-Leiter freischalten. Wenn sich das KKMU nicht für unseren Kredit qualifiziert, unterstützen wir es mit den richtigen digitalen Tools und Finanzwissen, um einen guten Kreditscore aufzubauen. Pezesha verfolgt einen kollaborativen Ansatz, bei dem sich Banken, monetäre und andere Finanzinstitute oder Netzwerke auf unserer Plattform zusammenschließen können, um mit kreditwürdigen KKMU entlang der gesamten Wertschöpfungskette zusammengebracht zu werden und so die finanzielle Eingliederung zu fördern.
AWE: Können Sie dies nochmals anhand eines konkreten Beispiels erklären?
Moraa: Gerne. Eine unserer Kundinnen betreibt in einem Slumviertel Nairobis einen kleinen Kiosk. Ihr fehlten umgerechnet 50 Euro, um Waren einzukaufen. Obwohl sie monatlich etwa 100 Euro verdienen könnte, hätte sie aufgrund der fehlenden Barmittel ihr Geschäft vorübergehend schließen müssen. Über ihr Smartphone konnte sie jedoch innerhalb von Minuten einen Kredit über 50 Euro aufnehmen, um bei ihrem Lieferanten Waren einzukaufen und ihren Kioskumsatz entsprechend zu steigern.
Das Geschäftsmodell von Pezesha:
AWE: Wie wurde Ihre Idee am Markt aufgenommen?
Moraa: Wir mussten anfangs feststellen, dass vielen Frauen finanzielles Basiswissen fehlt, das sie als Grundlage für gute Geschäftsentscheidungen und zum Wachstum ihrer Unternehmen benötigen. Wir haben daher viel in die Finanzbildung unserer Zielgruppen investiert. Je mehr Wissen und Erfahrung die Unternehmer:innen haben, desto höher steigt ihr individueller Kreditscore. Pezesha hat sich zu einem ganzheitlichen Marktplatz entwickelt, auf dem wir Finanzdienstleistungen, aber auch Alphabetisierungskurse und Schuldnerberatungen anbieten.
AWE: Warum haben Sie sich entschieden, Ihre Geschäftsaktivitäten mit Hilfe von develoPPP Ventures zu erweitern?
Moora: Die Finanzierung durch develoPPP Ventures ermöglichte es uns, unsere Expansionsstrategie umzusetzen, mit der wir mehr kleinste, kleine und mittlere Unternehmen in ländlichen Gebieten in Kenia erreichen wollen. Hierfür hatten wir in den Jahren zuvor, mit dem Aufbau einer soliden digitalen Infrastruktur, die notwendige Vorarbeit geleistet. Wir nutzten die Finanzierung unter anderem für intensive Marktforschung, um den Bedarf und die richtigen Ansätze für die Ausweitung auf weitere lokale unterversorgte Frauengruppen zu ermitteln.
AWE: Wie hat sich dies auf Ihre Unternehmensergebnisse ausgewirkt und welche weiteren Ziele verfolgen Sie?
Moraa: Durch den Zuschuss von develoPPP erreichten wir ein größeres Wachstum als ursprünglich gedacht: Im Jahr 2022 konnten wir uns in neuen Märkten etablieren und Pezesha finanzierte mehr als 200.000 Kredite, durch die Tausende von Arbeitsplätzen entstanden sind. Etwa 60 Prozent der Kreditnehmenden waren Frauen. Wir als Unternehmen konnten unseren Umsatz verdoppeln und nach fünf Jahren seit unserer Gründung erstmals die Gewinnzone erreichen.
Unsere Ziele sind dabei weiter sehr ehrgeizig: Mittelfristig planen wir, mehr als 100.000 KKMU in Kenia und Uganda zu erreichen und langfristig in ganz Ost- und Westafrika zu expandieren. In den nächsten fünf Jahren sollen durch die Bereitstellung von Betriebskapital für unsere Zielgruppen mindestens eine Million Arbeitsplätze entstehen.
AWE: Pezesha wird von Frauen geführt. Wie wirkt sich das auf das Unternehmen aus?
Moraa: Ich glaube, es ist für den Aufbau eines erfolgreichen Unternehmens insbesondere in der FinTech-Branche wichtig, auf eine ausgewogene Gender-Balance zu achten. Unser Team besteht zur Hälfte aus Frauen und wir stellen immer wieder fest, dass dies zur Vielfalt der Perspektiven beiträgt, die für die Entwicklung unserer Produkte und unseren integrierten Ansatz so wichtig ist. Schließlich richten sich unsere Produkte auch an von Frauen geführte Unternehmen, um sicherzustellen, dass wir eine ganzheitliche Wirkung auf die finanzielle Eingliederung erzielen, weshalb wir ihren Bedürfnissen besondere Aufmerksamkeit schenken müssen.
AWE: Und welche Erfahrungen haben Sie persönlich als Gründerin in der männerdominierten FinTech-Branche gemacht?
Moraa: Es ist für Frauen immer noch sehr schwierig, Kapital in angemessener Höhe aufzubringen, wobei sich die Situation schon verbessert hat. Je erfolgreicher man mit einem starken Geschäftsmodell wird, desto einfacher wird es.
AWE: Sie waren bereits Teil der Jury, die develoPPP-Ventures Unternehmen bewertet. Welche Projekte haben Ihrer Meinung nach die besten Chancen, gefördert zu werden?
Moraa: Es gibt sehr viele gute Ideen. Wichtig ist aber, dass sie Lösungen für relevante Probleme liefern – mit umfassenden, langfristigen und nachhaltigen Wirkungen. Afrika benötigt skalierbare, an seinen Kontext angepasste Lösungen, die vor allem das Bruttoinlandsprodukt steigern und damit Armut lindern und den Wohnstand erhöhen. Das kann in vielen Sektoren passieren, von der Landwirtschaft über die Energiewirtschaft bis hin zur Finanztechnologie.
AWE: Wie beurteilen Sie die Bewerbungen allgemein?
Moraa: Ich war beeindruckt von ihrer hohen Qualität. Ich bin ja schon lange Teil des Ökosystems, habe selbst den develoPPP-Bewerbungsprozess durchlaufen und kann daher die Reife des gesamten Ökosystems bestätigen. Es wird von jungen Menschen und genau von dem Geist getragen, den wir für mehr Innovation auf dem Kontinent benötigen. Das ist sehr ermutigend!
AWE: Welchen Rat können Sie Unternehmen geben, die sich am kommenden Ideenwettbewerb von develoPPP Ventures beteiligen wollen?
Moraa: Denken Sie vom ersten Tag an die Skalierbarkeit Ihrer Geschäftsidee. Viele Unternehmen versäumen es in ihrer Anfangsphase, in diese Richtung zu denken. Schaffen Sie zudem eine solide Grundlage, betreiben Sie also eine intensive Marktanalyse und prüfen Sie damit, ob Ihre Idee wirklich relevant ist.
Aber nicht die Idee allein ist entscheidend, sondern vor allem auch eine klare Strategie zur Skalierung, zur Nachhaltigkeit und zur Kooperation mit den richtigen Partnern. Wir sind mit Pezesha einen solchen Weg gegangen und können heute die Früchte dieses Ansatzes ernten.
AWE: Frau Moraa, vielen Dank für das Gespräch!
Übersicht über die Funktionsweise von Pezesha
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