Projekt „Cool White“. Neuer Anstrich für die Klimawende
Die Sonne brütet über Daressalam. In der Hafenstadt, einem wichtigen Handelszentrum Tansanias in der aufstrebenden Region Ostafrikas, wird es ganzjährig bis zu 35 Grad Celsius heiß, auch im Dezember. An bestimmten Punkten misst das Thermometer gar bis zu 60 Grad Celsius, etwa an Hausfassaden. Wie behält man da einen kühlen Kopf in einem Gebäude, wo man das ganze Jahr über Zeit verbringt, lebt und arbeitet?
Elektronische Kühlsysteme kosten viel Geld und sind weltweit für fast 20 Prozent des Stromverbrauchs und zehn Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich – Tendenz steigend. Einen Hinweis darauf, wie Unternehmen diese Energie mit einfachen Lösungen in Zukunft einsparen und können, findet sich auf Dach und Hausfassade eines Krankenhauses in Daressalam. Anfang November startete hier ein Ableger des Projekts „Cool White“, das vom Bundesverband für Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen (BGA), den Business Scouts for Development der AWE und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) mit Unterstützung der GIZ ins Leben gerufen wurde. Unter der Leitung des Malermeisters Heiko Herzog strichen lokale Hilfskräfte, die Herzog selbst ausbildete, das Krankenhausdach weiß an. Der Kniff: Die weiße Farbe soll das Licht reflektieren, sodass sich weder das Dach selbst noch die Innenräume im Krankenhaus erhitzen. Herzog stellte durch Messungen fest, dass die weiße Farbe die Temperatur auf der Dachfläche um fast 20 Grad Celsius senkte. Die Ärzte des Krankenhauses, die von den schnellen Effekten begeistert waren, wollen in Zukunft die Messungen fortführen. Das Daressalamer Krankenhaus ist nicht das erste Gebäude, das dank „Cool White“ einen neuen Anstrich erhalten hat. Und geht es nach den Verantwortlichen von BGA, AWE und PTB, wird es auch nicht das letzte gewesen sein.
Schonung für Klima, Menschen – und Solaranlagen
Die Idee der kühlenden Farbe ist nicht ganz neu: Bereits vor 15 Jahren schlug der Physik-Nobelpreisträger und damalige US-Energieminister Steven Chu vor, alle Häuser in den USA weiß anzustreichen, um sie nachhaltig zu kühlen. Projekte wie „Cool White“ füllen diese Idee in Ländern des globalen Südens mit Leben. „Cool White“ bekämpft den Klimawandel und deren Folgen auf mehrere Arten und Weisen. Es verringert nicht nur den Bedarf von Kühlsystemen. Die Kühlungseffekte steigern zudem das Wohlbefinden der Menschen, die sich in den gekühlten Gebäuden aufhalten. Davon profitieren nicht nur Ärzt:innen und Patient:innen in Krankenhäusern, sondern auch Unternehmen. Besonders Betriebe, in denen Angestellte körperlich arbeiten müssen, wie in Fabriken, können so ihre Arbeitsproduktivität sichern. Dies ist insofern besonders wichtig, da Studien befürchten, dass die globale Arbeitsproduktivität in Zukunft aufgrund von Hitze um 20 Prozent senken könnte.
Für Betreiber:innen von Solaranlagen bringt das kühle Weiß einen angenehmen Nebeneffekt: Erste Studien legen nahe, dass Photovoltaik-Module bei niedrigeren Oberflächentemperaturen über mehr Spannung verfügen und deshalb vermutlich effizienter arbeiten, wenn sie auf Oberflächen mit Cool-White-Anstrich angebracht sind. Die weiße Farbe zählt zu den so genannten Passive (Daytime) Radiative Cooling-Materialien (kurz P(D)RC, zu Deutsch: "Passive Strahlungskühlung"). Was steckt dahinter?
Wie die Farbe (nachweisbar) funktioniert
PRC-Technologie umfasst Materialien, die Gebäudeaußenflächen und -innenräume kühlen, ohne dass Energie aufgebracht werden muss. Neben der Cool-White-Farbe zählen zum Beispiel Kühlkeramik und Nano-Filmschichten dazu. Dank ihrer optischen Eigenschaften können PRC-Materialien Licht reflektieren und gleichzeitig Wärme durch das sogenannte Infrarot-Transparenzfenster in den Weltraum abstrahlen. Aufgrund dieses Effektes ist es sogar theoretisch möglich, dass Objekte geringere Temperaturen erreichen als die Umgebungstemperatur.
Ob auch die Cool-White-Farbe dieses Versprechen einlöst, wollte ein Forschungsteam der PTB in Ruanda und Südafrika herausfinden. In Ruanda hatten Malermeister Heiko Herzog und ein Team von lokalen und deutschen Maler:innen bereits im Jahr 2023 die Dächer von Schul- und Firmengebäuden weiß angestrichen. Anschließend zeichnete das Forschungsteam über einen längeren Zeitraum Temperatur- und Feuchtedaten auf und wertete sie aus. Dabei stellen sie fest, dass sich die Temperaturen unter dem Dach einer Fabrik um 9,2 Grad Celsius (gemittelt über 4 Monate) und im Innenraum um 2,3 Grad Celsius verringert haben, seit das Dach weiß angestrichen wurde. Das Forschungsteam ist zufrieden mit den Ergebnissen. Für Dr. Albert Adibekyan vom PTB ist das nur der Beginn intensiver Forschung: „Die Wirkung von Passive Radiative Cooling ist unbestritten. In den nächsten Schritten wollen wir herausfinden, welchen Einfluss genau der zusätzliche 'Kühlkanal' durch das Infrarot-Transparenzfenster der Erdatmosphäre hat.“ Auch die Farbe selbst will Adibekyan in den Blick nehmen: „Wir wollen herausfinden, wie langzeitbeständig die Farbe und ihre Eigenschaften tatsächlich sind, und wie wir sie vielleicht verbessern können."
Ambitionierte Zukunftspläne
Auf dem German African Business Summit (GABS) im Dezember 2024 warb der BGA für einen breiteren Einsatz der smarten Farbe. Nun geht es für die beteiligten Akteur:innen darum, das Projekt auszuweiten. Dazu gehört auch die Entwicklung eines Ausbildungsprogramms für Fachkräfte aus Entwicklungs- und Schwellenländern. Für die Projektverantwortlichen um BGA und PTB ist es besonders wichtig, dass auch die Farbe von lokalen Produzent:innen stammt. In Südafrika soll das klare Weiß in Zukunft von dem Unternehmen Splash stammen. Deren CEO Bonga Masoka ist von dem Projekt überzeugt: "Das Cool-White-Projekt ist ein Beweis dafür, wie innovative Beschichtungen Komfort und Nachhaltigkeit in Afrika neu definieren können." Für Masoka helfen Projekte wie „Cool White“ dem Kontinent auf mehreren Ebenen: "Die steigenden Temperaturen in Afrika sind nicht nur eine Klimakrise, sondern auch eine Bildungskrise, da sie unerträgliche Lernbedingungen schaffen, die zu Schulabbrüchen beitragen. So einfach das Aufbringen weißer Beschichtungen auf Dächern auch klingen mag, die Auswirkungen sind entscheidend für den Aufbau einer kühleren, nachhaltigeren und gerechteren Zukunft.“
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