Tim Schleicher erklärt, warum KI in der EZ wegweisend ist
Tim Schleicher ist Gründer von LEAD Machine Learning und möchte Digitalisierung für Unternehmen greifbarer und erfolgreicher gestalten. Während der AGYLE 2021 Veranstaltungswoche leitete er unter dem Slogan ‚Code your own AI‘, einen Workshop für die jungen Führungskräfte, in dem sie selbst programmieren und sich in die Materie einarbeiten durften. Mit der AWE hat er sich über die Herausforderungen der Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI) in der Entwicklungszusammenarbeit ausgetauscht.
AWE: Deutschland als Wirtschaftsstandort hat großen digitalen Nachholbedarf. Was muss getan werden, damit Deutschland bei der Digitalisierung wieder punkten kann?
Tim Schleicher: Zuallererst muss man sagen, dass es in Deutschland digitale Leuchtturmprojekte gibt, die begeistern. Beispielsweise gibt es einen mittelständischen Stahlverarbeiter, der sich als erster in der Branche an KI herangewagt und seinen Vertrieb revolutioniert hat. Oder die Berliner Entsorgungswirtschaft, die in den Bereichen Digitalisierung und KI richtig Fahrt aufgenommen hat. Wir müssen genau diese Praxisbeispiele in den Vordergrund rücken und zeigen, wie dort mutig und werteorientiert an Digitalisierung herangegangen wird. Zu oft stehen aber Skeptiker:innen im Fokus. So können wir keine europäische Erfolgsgeschichte schreiben.
AWE: Aus Ihrer Erfahrung: was sind die größten Probleme vor denen Unternehmen im Bereich Digitalisierung derzeit stehen?
Schleicher: Wir haben kein Momentum bei dem Thema. Viele Unternehmen denken, da sie jetzt Microsoft Teams benutzen, wären sie so richtig digital. Dabei meint Digitalisierung nicht analoge Dinge jetzt einfach digital machen. Digitalisierung verändert fundamental, wie wir interagieren, wirtschaften und Wert schöpfen. Die Herausforderung, vor der viele Unternehmen stehen, ist daher das Mindset. Wir müssen radikal aus der Perspektive von Kund:innen denken. Das geht besonders gut, wenn wir aus Daten lernen, was der Kern von KI ist.
AWE: Sie haben LEAD Machine Learning gegründet. Was war Ihre Motivation dahinter?
Schleicher: Viele KI-Projekte scheitern. Die meisten werden aus überzogener Vorsicht erst gar nicht richtig umgesetzt. Und die, die umgesetzt werden, erzielen nur selten Wirkung. Das liegt daran, dass die meisten Unternehmen nicht wissen, was hinter KI steckt und dass es zum erfolgreichen Gelingen sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeiter:innen an Bord braucht. Mit LEAD Machine Learning wollen wir diese Problematik lösen, indem wir mit Organisationen anhand zunächst kleiner, schneller Piloten Digitalisierung und KI greifbar machen und dann gemeinsam in die Praxis überführen. Dieser Prozess funktioniert mit großen Gewerkschaften oder DAX-Konzernen, aber eben auch mit Berliner Start-ups oder Mittelständlern in ländlichen Regionen.
AWE: Wie passen Datenanalyse und Künstliche Intelligenz in die Entwicklungszusammenarbeit?
Schleicher: Hier kann ich nur sagen: Schauen Sie sich exemplarisch UN Global Pulse an, eine Initiative des VN Generalsekretärs. In dieser Initiative wurde nicht nur über KI gesprochen, sondern direkt an werteorientierten KI-Tools gebaut, die tatsächliche Probleme lösen. Zum Beispiel kann man hier die Modellierung von COVID-19 Ausbrüchen in Geflüchtetenlagern nennen. Das kann sich sehen lassen!
AWE: In ihrem Slot „Leadership in times of digitalisation“ in der AGYLE Veranstaltungswoche haben Sie einen Workshop zu ‘Code your own AI’ gehalten. Was konnten Sie den deutschen und afrikanischen Führungskräften beibringen und wie konnten Sie von diesem Austausch profitieren?
Schleicher: Was hinter KI steckt, versteht man am besten, wenn man sie selbst baut. Deshalb haben die Führungskräfte in 60 Minuten ihr eigenes Neuronales Netzwerk in Python programmiert. Diese Hands-on Erfahrung, nimmt die Angst und zeigt Potentiale sowie Risiken auf. Danach sprudelt man richtig vor Anwendungsfällen und Ideen. Es sind insbesondere Führungskräfte, die KI gestalten müssen, denn KI braucht mehr Führung, nicht weniger.
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