“Unternehmen haben legitime Interessen“

Marktversagen und -verzerrungen legitimieren den Einsatz von Instrumenten der Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft: Das ist in einem aktuellen Bericht des Deutschen Evaluierungsinstituts DEval zur Zusammenarbeit von Wirtschaft und Entwicklungspolitik nachzulesen. Wie bringt man Unternehmen und staatliche Entwicklungszusammenarbeit also für beide Seiten gewinnbringend zusammen? Im Interview erklärt Amélie Gräfin zu Eulenburg, Mitautorin des Berichts, an welchen Stellschrauben die Verantwortlichen drehen können, um die Zusammenarbeit künftig sowohl effizienter als auch effektiver aufzustellen.
Unterschiedliche Perspektiven – gemeinsamer Erfolg?
Redaktion: Frau zu Eulenburg, Sie haben mit Ihrem Team analysiert, wie effizient die Privatwirtschaft und die Entwicklungspolitik gemeinsame Projekte umsetzen. Was haben Sie herausgefunden?
Amélie Gräfin zu Eulenburg: Die wichtigste Erkenntnis war sicher, dass die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft auf existierende strukturelle und regulative Herausforderungen reagiert. Es gibt im Globalen Süden ganz klare Anzeichen für Marktversagen, Entwicklungslücken und insgesamt schwierige Investitionsbedingungen, die die Förderung durch die Politik notwendig machen – als Voraussetzung dafür, dass Unternehmen überhaupt in diesen Regionen investieren. Selbst wenn das erstmal trivial klingt: Ohne die staatliche Begleitung oder einen öffentlichen Rahmen, der bestimmte Risiken absichert, würden sie dies nicht tun. Die Frage ist nur, ob diese Flankierung so wirksam ist, wie sie es sein könnte. Und da sehen wir noch Potenzial zur Optimierung.
Zusammenarbeit langfristig richtig planen: Ursachenanalyse, Bedarfsorientierung, Strategie & wirtschaftlicher Erfolg
Redaktion: An welchen Stellschrauben kann die deutsche EZ drehen, um die Zusammenarbeit effizienter zu gestalten?
Amélie Gräfin zu Eulenburg: Die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft könnte deutlich mehr bewegen, wenn sie strategischer ausgerichtet würde – und zwar von vornherein. Nicht jedes Problem in jeder Weltregion kann mit jedem Mittel der Zusammenarbeit behoben werden. Aber wenn wir die Maßnahmen noch besser – also bedarfsgerechter – konzipieren und dabei die Interessen der verschiedenen Akteure analysieren und zusammenbringen, wird sie für alle Beteiligten wirkungsvoller.
Redaktion: Wo kann die Zusammenarbeit künftig besser werden?
Amélie Gräfin zu Eulenburg: Bisher handeln viele Beteiligte noch zu sehr aus dem Moment heraus. Sie wollen etwas tun und gehen mit einem gewissen Optimismus an die Zusammenarbeit heran. Das Motto lautet dann häufig: Hier gibt es ein Problem, das könnte ein Unternehmen kurzfristig lösen, die staatliche Entwicklungszusammenarbeit (EZ) unterstützt die Investition. Dabei kommt der strategische Aspekt oft zu kurz. Wenn man in einem komplexen Umfeld mittel- bis langfristig erfolgreich operieren will, muss man das zur Verfügung stehende Instrumentarium strategisch kombinieren und auf die Ursache des Problems ausrichten. Es klingt trivial, aber wenn die Zusammenarbeit im Rahmen der EZ von einem Interesse an langfristig erfolgreichen Geschäftsmodellen geprägt ist, ist sie nachhaltiger für alle Seiten.
Redaktion: Wie könnte eine strategische Ausrichtung aussehen?
Amélie Gräfin zu Eulenburg: Man müsste sagen: Wir intervenieren mit diesem Unternehmen an dieser Stelle in diesem konkreten Fall, weil das auf ein vorher identifiziertes Kernproblem bzw. ein festgelegtes Ziel einzahlt. Wir flankieren diese Intervention durchdacht mit einem Politikdialog, um inhaltliche Ziele der staatlichen EZ wie zum Beispiel die Verbesserung arbeits- oder umweltrechtlicher Rahmenbedingungen immer wieder politisch auf mehreren Ebenen zu thematisieren, zum Beispiel in bestimmten Gesprächsformaten. Auch klar strukturierte Multi-Akteurs-Partnerschaften für einzelne Themengebiete sind hilfreich. So können wir die Rahmenbedingungen vor Ort grundsätzlich verbessern, und das ist ja am Ende das Ziel der Entwicklungszusammenarbeit.
Legitime Interessen der Unternehmen berücksichtigen
Redaktion: Welche Perspektiven machen Sie zuversichtlich?
Amélie Gräfin zu Eulenburg: Wir stehen am Anfang einer neuen Legislaturperiode. Wir haben in den nächsten Jahren die Chance, die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft strategischer auszurichten. Die private Wirtschaft ist eine besondere Akteursgruppe. Unternehmen haben eigene, legitime Interessen. Um zu überleben, braucht ein Unternehmen Profit, und dafür muss es sich mit seinen Produkten oder Dienstleistungen im Wettbewerb behaupten. Sie haben eigene, typischerweise auf Effizienz ausgerichtete Arbeitsweisen, die ich in meiner beruflichen Tätigkeit im Privatsektor kennengelernt habe. Das sollten die Politik und die EZ-Community in der Partnerschaft anerkennen und von vornherein in die Zusammenarbeit einbeziehen. Die Entwicklung eines gemeinsamen Wirkungsmodells ist eine der Chancen, braucht aber von Anfang an klare und ehrliche Kommunikation, realistische Zielsetzungen und verbindliche Absprachen. So können wir die Kooperation zwischen Privatwirtschaft und Entwicklungspolitik in den kommenden vier Jahren auf ein neues Level bringen.

„Die Empfehlung zur strategischen Ausrichtung der Zusammenarbeit mit der Wirtschaft ist für uns sehr interessant. Wir haben bereits in Ländern, in denen wir präsent sind, die Handlungsfelder identifiziert, in denen die Ziele der Entwicklungszusammenarbeit Opportunitäten für Unternehmen bieten. Nun gilt es, dort gezielt mit unseren Partnern aus der Außenwirtschaftsförderung und den lokalen Akteuren Rahmenbedingungen zu verbessern und Risiken zu mindern. Als One-Stop-Shop für die Wirtschaft möchte die AWE zukünftig noch stärker die verschiedenen Instrumente zusammenbringen und Kooperationen anschieben.“
Susanne Friedrich, Leiterin der Agentur für Wirtschaft und Entwicklung (AWE)
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