AGYLE: Inspirierender Austausch mit Kamala Harris
Unternehmerin Mawuse Christina Gyisun aus Ghana ist im westafrikanischen Agrarsektor aktiv – und damit so erfolgreich, dass ihre Arbeit das Interesse von US-Vizepräsidentin Kamala Harris weckte. Im Interview mit der Agentur für Wirtschaft und Entwicklung spricht die Gründerin von Sommalife über das Treffen mit der Politikerin. Außerdem berichtet die AGYLE-Teilnehmerin, wie ihr Unternehmen durch das Young Leaders-Programm der AWE krisensicher wurde und teilt ihre Eindrücke zum Thema Gleichstellung.
AWE: Mawuse Christina Gyisun, Sie sind Gründerin und COO von Sommalife. In welchem Bereich ist Ihr Unternehmen tätig und welche Ziele verfolgen Sie?
Mawuse Christina Gyisun: Sommalife ist ein Agrartechnologieunternehmen, das Software einsetzt, um Kleinbäuerinnen in ländlichen Gemeinden zu einem nachhaltigen Einkommen zu verhelfen. Wir vernetzen Landwirtinnen, die Shea produzieren, mit internationalen Handelspartnern und befähigen sie zusätzlich dazu, die Umwelt zu schützen. Außerdem stellen wir Lebensmittelherstellern nützliche und einfache Tools zur Verfügung, um ihre Erfolge messen und nachverfolgen zu können. Unser Ziel ist es, bis 2030 eine Million Produzierende in Westafrika über die Armutsgrenze zu bringen.
AWE: Sie waren eine von 40 AGYLE-Teilnehmer:innen 2021 unter dem Jahresmotto: „Crisis as a Chance – Young Leaders Prototyping the Future“'. Inwiefern haben Sie und Sommalife von der Teilnahme profitiert? Warum denken Sie, dass ein Programm wie AGYLE wichtig ist?
Gyisun: Das Wichtigste, was ich aus dem AGYLE-Programm mitnehmen konnte, waren Tipps zum Thema Resilienz: Das Programm hat mich dazu gebracht, zu hinterfragen, wie belastbar mein Unternehmen ist, um in einer sich ständig verändernden Welt bestehen zu können. Ich habe mich gefragt, ob mein Unternehmen in der Lage ist, inmitten sozioökonomischer und politischer Herausforderungen weiterhin einen Mehrwert für Kleinbäuer:innen zu schaffen.
Die Corona-Pandemie hat verschiedene Sektoren der ghanaischen Wirtschaft schwer getroffen - auch der Agrarbereich war davon nicht ausgenommen. Aufgrund des hohen Ansteckungsrisikos bei einem Einsatz vor Ort konnte unser Team nicht mit den Shea-Produzent:innen in Ghana zusammenarbeiten. Alle Aktivitäten, bei denen wir persönlich dabei sein sollten, und die für unser Geschäft von Bedeutung sind, kamen durch COVID-19 zum Stillstand. Das AGYLE-Programm hat mir dabei geholfen, ein innovatives und widerstandsfähiges Geschäftsmodell zu entwickeln und gleichzeitig den Mehrwert für die Bäuerinnen zu erhalten.
Wir integrieren jetzt mehr innovative und klimaresiliente Maßnahmen in unsere Arbeit. Davon profitieren auch die Landwirt:innen, die dadurch widerstandsfähiger gegenüber den negativen Auswirkungen des Klimawandels werden. Das alles ist AGYLE zu verdanken.
AWE: Vor kurzem haben Sie die derzeitige Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten, Kamala Harris, getroffen. Wie war das Treffen und was hat Sie dabei am meisten inspiriert?
Gyisun: Ja, das war ein bahnbrechender Moment für mich. Ein wirklich unvergessliches Erlebnis. Als ich zum ersten Mal von der Möglichkeit hörte, mich mit ihr zu treffen, war ich überglücklich und gespannt, worum es bei dem Treffen gehen würde.
Sechs Unternehmerinnen, die in Ghana in verschiedenen Branchen etwas bewegen, wurden ausgewählt, um die Vizepräsidentin in Accra zu treffen.
Wir haben über Herausforderungen diskutiert, mit denen Unternehmerinnen konfrontiert sind, und innovative Lösungsansätze erörtert. Im Fokus des Gesprächs standen die Überwindung der digitalen Kluft zwischen den Geschlechtern und die Bereitstellung von Finanzmitteln für frauengeführte Unternehmen.
Für mich ist das Treffen einer der Höhepunkte auf meiner bisherigen Reise als Unternehmerin. Ich hätte mir zu Beginn nie vorstellen können, dass unsere Arbeit, die wir im Distrikt Wa West in der Upper West Region – der damals ärmsten Region Ghanas – begonnen haben, ein solches Maß an Anerkennung finden würde.
Ich finde das sehr beruhigend. Die glücklichen Frauen, mit denen wir arbeiten, die Anerkennung durch Programme wie AGYLE und unser Treffen mit US-Vizepräsidentin Harris sind für uns ein klares Signal, dass wir etwas richtig machen. Das spornt mich an, mehr zu tun. Das spornt mein Team an, noch mehr zu tun.
Ich hoffe, dass sich in Zukunft noch weitere Möglichkeiten für unsere Arbeit und unsere Wirkung auf Bäuerinnen in Westafrika eröffnen. Ich hoffe auch sehr, dass dies andere junge Führungskräfte, vor allem Frauen, dazu anregt, zu träumen und Spitzenleistungen anzustreben.
AWE: Die Regierung Biden-Harris fördert weiterhin die wirtschaftliche Stärkung von Frauen. Mit Sommalife haben Sie sich an den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen, den SDGs, orientiert. Eines davon ist die Gleichstellung der Geschlechter. Was bedeutet Gleichstellung für Sie als Führungskraft?
Gyisun: Das ist für mich einer der wichtigsten Aspekte – als Unternehmerin, aber auch persönlich. Ich bin an dem Ort aufgewachsen, an dem ich Sommalife gegründet habe. Dort habe ich beobachtet, wie Frauen meist an den Rand gedrängt und von Entscheidungsprozessen ausgeschlossen wurden. Viele hatten zudem Schwierigkeiten, Zugang zu Bildung zu erhalten. Ich war eine der Glücklichen, die das geschafft hat.
Als ich 2020 mit Sommalife anfing, stieg ich frühmorgens auf mein Motorrad, um mich in der Gemeinde zu engagieren. Ich musste mich mit männlichen Gemeindevorstehern treffen, um die Erlaubnis zu erhalten, mit den Bäuerinnen zu sprechen und sie an Bord zu holen. Das Gespräch mit den Frauen öffnete mir die Augen für die Herausforderungen, mit denen sie tagtäglich konfrontiert sind. Ich hatte außerdem die Möglichkeit, mit ihnen über ihre Hoffnungen, Träume und Wünsche zu sprechen.
Ein besonderes Erlebnis, das einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen hat, war die Begegnung mit einer Gruppe von Frauen, die traditionell von den Entscheidungsprozessen in ihren Gemeinschaften ausgeschlossen war. Durch unsere Unterstützung erleichterten wir ihnen die Teilnahme an Gemeindeversammlungen und verhalfen ihnen zu mehr Mitspracherecht bei der Gestaltung von Entwicklungsinitiativen, die sich direkt auf ihr Leben auswirken. Es war wirklich beeindruckend zu sehen, wie sich dadurch ihr Selbstvertrauen und ihr Selbstwertgefühl steigerten.
Das unterstreicht die Tatsache, dass Frauen zu Akteurinnen des Wandels und der Veränderung werden können, wenn sie die Möglichkeit erhalten, sich zu beteiligen, einen Beitrag zu leisten und Projekte in verschiedenen Lebensbereichen zu leiten. Wir bei Sommalife haben das erkannt und setzen uns dafür ein, bis 2030 1 Million Bäuerinnen zu befähigen. Das ist unsere Agenda 2030.
AWE: Was sind die nächsten Schritte für Sie und Sommalife? Gibt es etwas, das Sie in naher Zukunft erreichen wollen?
Gyisun: Wachstum. Skalierung. Mehr Wirkung. In den nächsten Jahren wollen wir unsere Wirkungen in Ghana steigern und auf andere westafrikanische Länder ausweiten. Wir wollen wiederholen, was wir mit unseren Programmen zur Marktanbindung und Innovationsfinanzierung bewirkt haben.
Im vergangenen Jahr konnten wir über 7.000 Frauen mit unseren Kunden weltweit in Kontakt bringen und ihnen 22,7 Prozent über dem lokalen Marktdurchschnitt zahlen. In diesem Jahr wollen wir 12.000 Frauen an globale Märkte anbinden. Wir arbeiten hart daran, unsere Software TreeSyt zu verbessern und sie für Agrarunternehmen und Entwicklungsorganisationen, die ihre Effizienz und Rückverfolgbarkeit in der landwirtschaftlichen Wertschöpfungskette verbessern wollen, verfügbar zu machen.
Darüber hinaus machen wir den Naturschutz zu einem wichtigen Teil unseres Geschäfts, indem wir lokale Gemeinschaften dabei unterstützen, früh reifende Sheabäume zu pflanzen und zu pflegen. Wir wollen, dass sie sich für die Erhaltung einsetzen und gleichzeitig Anreize schaffen, mehr Bäume zu kultivieren. Wir machen es unseren Partnern leicht, in Naturschutzprojekte zu investieren und mit Hilfe unserer Software sehr genaue und zeitnahe Berichte zu erhalten. Jede interessierte Organisation oder Einzelperson kann sich mit mir oder meinem Team in Verbindung setzen.
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