„Globale Probleme brauchen oft lokale Lösungen“
„AGYLE – African German Young Leaders in Business“ bietet jungen Führungskräften aus Deutschland, Ghana, Ruanda, Äthiopien, Senegal und Tunesien die Möglichkeit, sich zu vernetzen, neue Methoden zu lernen und innovative Geschäftsideen zu entwickeln.
Das Programm wird von der Agentur für Wirtschaft und Entwicklung (AWE) und Deutschland – Land der Ideen durchgeführt und durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefördert.
In diesem Jahr geht AGYLE in die dritte Runde. Martin Haagen, AGYLE-Young Leader im Jahr 2022, berichtet im Gespräch, warum sich die Teilnahme für ihn und sein Unternehmen eeaser gelohnt hat. Der Geschäftsführer gibt außerdem Einblicke in den „eeaser accelerator“, der Fabriken weltweit bei der Verbesserung derEnergieeffizienz unterstützt.
AWE: Herr Haagen, Sie haben das Unternehmen eeaser GmbH 2021 gegründet, das Industrieunternehmen weltweit Zugang zu Knowhow für industrielle Energieeffizienz ermöglicht. Wie funktioniert Ihr Ansatz?
Martin Haagen: Kurz zur Einordnung: Die Industrie ist für rund ein Drittel der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Während momentan viel Fokus auf der Schwerindustrie – insbesondere Stahl – liegt, dürfen wir andere Industrieunternehmen nicht vergessen. Diese sogenannte „light industry“ hat laut Internationaler Energieagentur (IEA) das größere Einsparpotential. Das bedeutet aber auch, dass es einer Lösung bedarf, die schnell viele Millionen Unternehmen weltweit erreichen kann. Dies geht nur mit digitalen Mitteln. Daher haben wir den „eeaser accelerator“ entwickelt – eine Web-Anwendung, die für Unternehmen, basierend auf ihren Energiedaten, spezifische Einsparmöglichkeiten identifiziert und quantifiziert. Um die Umsetzung zu erleichtern, stellen wir auch detaillierte Hintergrundinformationen zu jeder Lösung zur Verfügung. Wichtig dabei: Effizienzmaßnahmen sind wirtschaftlich! Viele Maßnahmen haben Amortisationszeiten von weniger als zwei Jahren. Indem wir Unternehmen Zugang zu spezifischem Wissen geben, helfen wir also Emissionen und Kosten zu sparen.
AWE: Und was war Ihre Motivation dahinter?
Haagen: Jedes einzelne Industrieunternehmen weltweit soll Zugang zu Wissen haben, das für Energieeffizienz notwendig ist. Das ist die Vision, die uns täglich antreibt. Energieeffizienz ist unumstritten: Alle möchten Emissionen senken und zugleich Kosten reduzieren. Wir agieren global. In vielen Ländern bedeuten geringere Produktionskosten mehr Arbeitsplätze und auch eine schnellere sozioökonomische Entwicklung – das motiviert uns. Und die digitalen Mittel stehen ja zur Verfügung: Wir nutzen sie, um unsere Vision zu erreichen.
AWE: Aus Ihrer Erfahrung: Was sind die größten Herausforderungen für industrielle Energieeffizienz und wie tragen Sie zu einer Lösung bei?
Haagen: Die industrielle Energiewende steht vor vielen technischen, politischen und organisatorischen Herausforderungen. Wir vereinfachen den Zugang zu Know-how. Wie bereits erwähnt, gibt es Millionen von Unternehmen, die wirtschaftliche Effizienzmaßnahmen nicht umsetzen, da sie nicht genug darüber wissen. Das klingt bei gewinnorientierten Unternehmen kontraintuitiv, ist aber die Realität in Deutschland, in afrikanischen Ländern und weltweit. Sprich: Eine der größten Herausforderungen ist es, Firmen in die Lage zu versetzen, wirtschaftliche Maßnahmen zu identifizieren und umzusetzen. Das gehen wir an.
AWE: Letztes Jahr stand AGYLE unter dem Motto „Green Innovation – wie junge Führungskräfte den Klimawandel anpacken“. Hier waren Sie einer von insgesamt 40 Teilnehmenden. Inwiefern haben Sie von dieser Teilnahme profitiert?
Haagen: Das AGYLE-Programm war aus vielen Gründen eine tolle Erfahrung. Zum einen haben wir agile Methoden wie Design Thinking nicht nur theoretisch kennengelernt, sondern auch direkt gemeinsam angewendet. Zum anderen ist es sehr spannend und hilfreich von und mit den anderen Teilnehmenden zu lernen. Globale Probleme brauchen oft lokale Lösungen – das gilt auch für uns. Wir haben mit vielen Teilnehmenden aus den afrikanischen Ländern darüber gesprochen, vor welchen konkreten Herausforderungen industrielle Energieeffizienz in ihrem Land steht und was wir für unsere Arbeit bei eeaser davon lernen können. Das beginnt bei Sprachen und der Nutzung von digitalen Mitteln und schließt auch kulturelle Aspekte mit ein. Wie unterscheiden sich zum Beispiel Hierarchien und Entscheidungsprozesse in Unternehmen und welche Schlüsse müssen wir daraus für die Ansprache ziehen? Wann adressieren wir die Managerin, wann den Techniker? Bei AGYLE hatten wir direkten Zugang zu vielen kompetenten und hilfsbereiten Ansprechpersonen, mit denen wir auch noch im Austausch stehen. Ach ja, Spaß hat es natürlich auch gemacht!
AWE: Worin liegen Ihrer Meinung nach die größten Potenziale der deutsch-afrikanischen Zusammenarbeit? Wo gibt es noch Schwierigkeiten?
Haagen: Der afrikanische Kontinent erlebt ein rasantes Bevölkerungswachstum. Das birgt große Chancen, aber auch Risiken. Aufgrund der geografischen Nähe halte ich es für sehr wichtig eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zu pflegen, um gemeinsam die Chancen zu nutzen. Ein gutes Beispiel ist die Energieversorgung durch Solarenergie in den sonnenreichen Regionen. Auch im Bereich der Arbeitskräfte sehe ich ein großes Potenzial. Denn es ist unumstritten, dass wir in Deutschland qualifizierte Fachkräfte aus anderen Ländern brauchen. Schwierigkeiten sehe ich noch in der Kommunikation auf Augenhöhe. Besonders die innovativen Unternehmen aus afrikanischen Ländern, zum Beispiel Anbieter für mobilen Geldtransfer, sind daher eine inspirierende Bereicherung. Sie sind uns in vielem voraus.
Als Gründer möchte ich auch besonders die Situationen von Start-ups hervorheben. Es gibt viele Institutionen, auch in der Entwicklungsarbeit, die die Wichtigkeit von Unternehmertum und Start-ups zur Lösung von globalen Problemen betonen – AGYLE ist hier ja nur ein Beispiel. Und es gibt wahnsinnig viele innovative und kompetente Unternehmen. Für junge Unternehmen ist es aber wichtig, dass sie ihre innovativen Lösungen in echten Projekten anwenden können. Hier besteht Aufholbedarf, für den ich auch öffentliche Stellen in der Verantwortung sehe. Die Lösungen sind vorhanden, wir müssen sie nur zur breiten Anwendung bringen.
AWE: Welche nächsten Schritte planen Sie mit eeaser?
Haagen: Wir haben viel geschafft: Wir haben ein Produkt und erste zahlende und wiederkehrende Kund:innen. Als nächstes wollen wir den „eeaser accelerator“ in weiteren Projekten unter Beweis stellen und dabei lernen, welche weiteren technischen Entwicklungen notwendig sind. Hier adressieren wir sehr konkret afrikanische Länder. Ägypten, Nigeria, Kenia und Südafrika haben gemeinsam über 400 Millionen Einwohner:innen und die Energieversorgung ist für die Industrie in jedem der Länder ein großes Problem. Wir sind in der Lage schnell und kosteneffizient für viele Firmen wirtschaftliche Einsparmaßnahmen zu identifizieren. Das werden wir tun und suchen dafür Partner.
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