Grüne Transformation im globalen Süden: Expert:innen im Gespräch
Wie Entwicklungszusammenarbeit und Wirtschaft kooperieren können, um die soziale und ökologische Transformation in Entwicklungs- und Schwellenländern zu gestalten, diskutierten am 22. November hochrangige Expert:innen beim Forum Wirtschaft und Entwicklung 2022 in Berlin. Veranstaltet wurde das Forum von der Agentur für Wirtschaft und Entwicklung (AWE) im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).
Angesichts globaler Krisen wie des Klimawandels, des Angriffskriegs auf die Ukraine oder der Folgen der Corona-Pandemie ist ein Wandel unserer Wirtschaftssysteme keine Option mehr, sondern eine Generationenaufgabe. Das unterstrich zum Auftakt der Veranstaltung Dirk Meyer, Abteilungsleiter Globale Gesundheit, Wirtschaft, Handel und ländliche Entwicklung im BMZ. Dabei betreffe die sozial-ökologische Transformation Entwicklungs- und Schwellenländern in besonderem Maße. Damit der Wandel gelinge, stünden auch deutsche Unternehmen als Partner und Mitgestalter eines nachhaltigen Wandels in der Verantwortung, so Meyer. Er betonte aber auch die Chancen: „Wir wollen, dass innerhalb dieser Transformation auch Geschäfte gemacht werden können, von denen Entwicklungs- und Schwellenländer ebenso wie Unternehmen gleichermaßen profitieren.“
Antworten auf die Krise: Diversifizierung und Dekarbonisierung
Wie Strategien im Umgang mit diesem globalen Strukturwandel aussehen können, wurde in der anschließenden Podiumsdiskussion, moderiert von Dr. Stefan Mair, Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), erörtert. Die Antwort auf globale Krisen sei Diversifizierung und Dekarbonisierung, unterstrich BMZ-Abteilungsleiter Meyer. Grundsätzlich müssten dabei Synergieeffekte zwischen Entwicklungsländern und Unternehmen entstehen: „Wir können am Beispiel grüner Wasserstoff unsere beiden Sichtweisen verknüpfen. Für das BMZ steht natürlich immer an erster Stelle, dass eine örtliche Wertschöpfung entsteht. Ein Ziel sollte sein, dass bei diesen Projekten beispielsweise gute Ökosysteme rund um Ausbildung, Zulieferung oder Transport aufgebaut werden. Wir wollen damit aber auch die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass unsere Unternehmen ihr Know-how einbringen und von dieser Partnerschaft profitieren können. Eine klassische Win-Win-Situation.“
Dass Anstrengungen im Hinblick auf Ökologie und soziale Ziele auch explizit gefördert werden müssen, forderte Multi-Aufsichtsrätin Simone Menne „Derzeit wird ein Unternehmen maßgeblich durch Investor:innen zu kurzfristiger Profitabilität gedrängt. Wir müssen durch Handelsabkommen neue Wege im Hinblick auf Förderung und Finanzierung finden. Und ich halte auch den Einfluss auf die Unternehmensbewertung für ganz wichtig, Nachhaltigkeit und auch soziale Aktionen müssen sich in der Bewertung eines Unternehmens niederschlagen. Das macht es interessant für Investoren und könnte tatsächlich auch die Entwicklungszusammenarbeit fördern.“
„Klimaclubs“ als sinnvolle Ergänzung zu internationalen Klimaverhandlungen
Vor dem Hintergrund der kürzlich in Ägypten abgehaltenen COP 27-Klimakonferenz betonte Prof. Manfred Fischedick, Präsident und wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie, die Bedeutung flexiblerer Kooperationsformate; „Die zwei intensiven Verhandlungswochen im Rahmen der internationalen Klimakonferenz, COP 27 im ägyptischen Sharm el Sheik, haben mehr als deutlich gezeigt, wie komplex dieses Format ist und dass dieses nicht zuletzt wegen des Konsensprinzips nur zu sehr geringen Fortschritten führt. Insofern kommt es in Zukunft darauf an, dass wir parallel zu solchen internationalen Verhandlungen andere Diskussions- und Kooperationsformate stärker in den Mittelpunkt stellen. Geeignete Kooperationsformate können zum Beispiel in Form sogenannter Klimaclubs entstehen. Dabei ergeben sich vor allem über sektorale Vereinbarungen große Chancen, schneller voranzukommen. Ein sektoraler Klimaclub für die Stahlindustrie könnte hier den Anfang machen. Dazu müssten gemeinsam Regeln definiert werden, um gleiche oder zumindest ähnliche Wettbewerbsbedingungen zu erzeugen. Dies betrifft insbesondere klimaschutzbezogene Regeln und Standardsetzungen, aber auch soziale Aspekte sowie die Verpflichtung zur Erstellung von Transformationsfahrplänen. So können wir gemeinsam – zumindest in bestimmten Branchen – schneller vorankommen. Eine andere Möglichkeit bieten Just Energy Transition Partnerships, wie sie für Südafrika und Indonesien mittlerweile vorliegen. Industrieländer stellen den Ländern zinsgünstige Kredite für den Ausstieg aus der Kohleverstromung zur Verfügung und vergeben zum Teil auch direkt Zuschüsse für die Ablösung von Kohlekraftwerken“.
Bei diesen Transformations- und Diskussionsprozessen müssten gemeinsame Entscheidungen mit den Menschen vor Ort getroffen werden, so Ndiarka Mbodji, CEO des Energieunternehmens Kowry Energy:
„Wir haben die Tendenz gut zu finden, was gut für uns in Deutschland und Europa ist. Aber das, was man hier erreicht, kann man nicht eins zu eins in Entwicklungs- und Schwellenländern umsetzen. Wir müssen lokale Partner einbeziehen, gemeinsame Ziele definieren und auch abweichende Meinungen akzeptieren, damit die Wertschöpfung in den Partnerländern deutlich steigt. Wir werden die Transformation nie erreichen, wenn wir nicht auch den Anteil der Wertschöpfung in Entwicklungs- und Schwellenländern deutlich erhöhen können.“
Auch Unternehmen fordern höhere Standards für Nachhaltigkeit
Dr. Dominik Schnichels, Abteilungsleiter für Außenwirtschaftspolitik im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), betonte auch das unternehmensseitige Interesse an fairen Lieferketten und Nachhaltigkeit. Das liege zum einen an den kritischen Verbraucher:innen, die darauf achten, ob Produkte beispielsweise durch Kinderarbeit hergestellt worden sind oder ob unter Verletzung von Umweltschutzstandards produziert wurde. Außerdem wünschten sich viele Unternehmen ein Level Playing Field: "Unternehmen, die Produkte in Drittstaaten unter Verletzung der Regeln und Standards billig herstellen lassen, verschaffen sich einen Wettbewerbsvorteil. Wenn wir den Standort Deutschland schützen wollen, dann müssen wir uns für faire Lieferketten und für Nachhaltigkeit einsetzen".
Rückblick auf die Veranstaltung
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