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„Ich sehe den Helpdesk Wirtschaft und Menschenrechte als Brückenbauer“

Vier Jahre war Reinhard Junker stellvertretender Referatsleiter für „Nachhaltige Lieferketten“ im Bundesentwicklungsministerium (BMZ). In dieser Funktion hat er nicht nur die Verhandlungen rund um das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) begleitet, sondern auch die verschiedenen Unterstützungsmaßnahmen des BMZ für Wirtschaft und Zivilgesellschaft gesteuert: darunter den Helpdesk Wirtschaft und Menschenrechte. Nun steht ein Jobwechsel an. Im Abschieds-Interview zieht Reinhard Junker eine persönliche Bilanz der vergangenen Jahre – und verrät, was er sich für die Zukunft des Helpdesks wünscht.

Redaktion: Herr Junker, als Sie im Referat „Nachhaltige Lieferketten“ anfingen, war das Konzept der unternehmerischen Sorgfaltspflichten neu für Sie, oder?

Reinhard Junker: Das ist richtig. Ich musste den Begriff auch erstmal googeln - und muss auch gestehen, dass ich mit dem Konzept zunächst gefremdelt habe, so wie viele Unternehmen auch. Aber nach und nach habe ich erkannt, wie smart dieser Ansatz eigentlich ist! Mit dem LkSG geben wir den Unternehmen zwar gewisse Vorgaben, aber am Ende überlassen wir es ihnen zu entscheiden, wann sie was machen, worauf sie sich konzentrieren und mit wem sie umsetzen wollen. Ich finde, der Due Diligence Ansatz ist ein Konzept, das den Unternehmen unheimlich viel Freiheit lässt.

Aber zur Freiheit gehört auch Mut. Daher appelliere ich an die Unternehmen: Vertrauen Sie Ihrem „professional judgment“ und haben Sie Mut zur Lücke!

Von Skepsis zu pragmatischer Umsetzung: In den Unternehmen hat ein Wandel stattgefunden

Redaktion: Ein Konzept, das viel Freiheit lässt. Sehen die Unternehmen das auch so?

Junker: Wie auch ich waren viele erstmal skeptisch. Doch in den vergangenen Jahren hat ein Wandel stattgefunden; die Skepsis ist einer sehr pragmatischen Haltung gewichen.

Wissen Sie, ich rede viel mit denjenigen, die mit der konkreten Umsetzung des Gesetzes im Unternehmen befasst sind. Und die sind alle voll dabei, sie haben das Thema längst angenommen und treiben es voran. Sie wollen Rechtssicherheit, damit sie von ihren Vorständen Mittel bekommen, um gute Ideen umzusetzen!

Apropos Bürokratie: Mit Staunen habe ich in einer Umfrage des JARO-Instituts gesehen, dass ein Großteil der deutschen Unternehmen beim Thema Lieferkettengesetz nur geringen Änderungsbedarf sieht. Sie wünschen sich Entlastung durch geringere Energiekosten, schnellere Genehmigungsverfahren, mehr Digitalisierung, die Bekämpfung des Fachkräftemangels… Die Reduzierung von Sorgfaltspflichten hingegen kommt erst an dreizehnter Stelle oder so.

Weil in der öffentlichen Debatte das Bürokratie-Narrativ aber dominiert, geht oft unter, wie viel Gutes unsere Unternehmen bereits machen. Das finde ich ungerecht.

Ich bekomme viel Besuch von Gewerkschaftlern, Menschenrechtsverteidigern und Betroffenenvertretern aus Partnerländern wie Kolumbien oder Pakistan. Sie sagen mir: „Das LkSG wirkt. Unsere Chefs hören jetzt mehr auf uns, weil sie unter Beobachtung von Euren Unternehmen stehen. Denn die schauen jetzt genauer hin, wie mit Beschwerden vor Ort umgegangen wird, wie die Standards in den Fabriken eingehalten werden, oder wie Landfragen geklärt werden.“ Im Namen dieser Menschen sag ich einfach mal: Dankeschön!

Redaktion: Sie haben die anfängliche Skepsis in den Unternehmen erwähnt. Wie sind Sie damit umgegangen?

Junker: Mit der Devise: Aufklären und Begeistern. Ersteres habe ich dem Helpdesk überlassen. Letzteres habe ich auch selber versucht.

Dazu folgende Geschichte, die mich sehr beschäftigt hat. Letztes Jahr war ich zwei Tage in einem großen deutschen Unternehmen zu Besuch und bin mit den Leuten, die für das Risikomanagement zuständig sind, in die Tiefen der LkSG-Umsetzung eingetaucht. Und die sagten mir: „Wissen Sie, Herr Junker, bevor es das LkSG gab, haben Sorgfaltspflichten Spaß gemacht. Zusammen mit NGOs haben wir uns Projekte ausgedacht, die den Menschen vor Ort wirklich helfen. Und zuhause beim Abendessen haben wir dann unseren Kindern davon erzählt, weil wir stolz waren auf unsere Arbeit. Doch seit der Einführung des Gesetzes ist es – getrieben von der Compliance-Abteilung – mühselige Fleißarbeit geworden. Es geht nur noch darum, alle Risiken vom Unternehmen abzuwenden, und nicht mehr um die Betroffenen.“ Jeglicher Enthusiasmus ist darüber verloren gegangen. Das fand ich traurig, und deshalb war es mir immer sehr wichtig, den risikobasierten Ansatz zu vermitteln: Wenn man das Gesetz nach seinem Geist auslegt, dann reicht es, sich auf einige Maßnahmen zu konzentrieren, die wirklich etwas für die Menschen bewegen. Ich wünsche mir diesen Zustand wieder zurück, in dem die Unternehmen und Mitarbeiter wieder stolz sein können auf das, was sie tun.

Ein Brückenbauer: Rolle und Entwicklung des Helpdesk Wirtschaft und Menschenrechte

Redaktion: Der Helpdesk Wirtschaft und Menschenrechte ist eine zentrale Maßnahme des BMZ zur Unterstützung der Unternehmen in Deutschland. Wie würden Sie seine Rolle beschreiben?

Junker: Erst einmal möchte ich sagen, dass es mir immer sehr viel Spaß gemacht hat, den Helpdesk zu managen. Das sind gute Leute und sie haben in den vergangenen Jahren eine wichtige Rolle bei der Umsetzung des LkSG gespielt. Mir hat mal ein Unternehmensvertreter gesagt: „Also, das Lieferkettengesetz einzuführen war nicht eure beste Idee - aber wenigstens habt ihr den Helpdesk eingerichtet, das machts erträglicher.“ All das sagte er mit Humor – denn er hatte auch schon die frohe Botschaft gehört, die der Helpdesk in seiner Beratung stets verkündet: „Es geht ganz einfach, wenn man es erstmal verstanden hat!“

Ich persönlich sehe den Helpdesk als Brückenbauer. Auf Unternehmensseite leisten sie Aufklärungsarbeit und helfen dabei, die abstrakte Gesetzgebung in die konkrete Unternehmenspraxis zu übersetzen. Im Vordergrund steht immer die Frage: Was bedeuten die allgemeinen Vorgaben des Gesetzgebers für meine speziellen Lieferketten?

Aber das Brückenbauen funktioniert auch in die andere Richtung. Der Helpdesk hat uns im BMZ und in der Bundesregierung immer aufgezeigt, mit welchen Fragen die Unternehmen sich gerade beschäftigen, vor welchen praktischen Herausforderungen sie stehen. Und was wir gegebenenfalls noch tun können, um ihnen das Leben zu erleichtern. Ich fand das immer sehr wertvoll.

Redaktion: Wenn Sie auf die letzten vier Jahre zurückschauen: Was waren die Höhepunkte in dieser Zeit? Und was war nicht so schön?

Junker: Ganz allgemein bin ich wirklich stolz darauf, wie sich der Helpdesk entwickelt hat. Eingerichtet wurde er schon vor sechs Jahren, mit dem Ziel, diejenigen Unternehmen zu unterstützen, die sich freiwillig auf den Weg gemacht hatten. Der Helpdesk bestand damals aus einer halben Stelle… Im Laufe der Jahre und natürlich auch im Zuge von LkSG und CSDDD haben wir das Angebot dann immer weiter ausgebaut, heute besteht das Team aus 14 Beraterinnen und Beratern. Eine schöne Geschichte, wie man klein anfängt und dann groß rauskommt! (Grüße übrigens an Katharina Hermann, die damals den Anfang machte!)

Sowohl bei den Kapazitäten als auch bei der inhaltlichen Ausrichtung sind wir übrigens immer dem Bedarf in den Unternehmen gefolgt. Deshalb berät der Helpdesk inzwischen auch verstärkt zu umweltbezogenen Sorgfaltspflichten, etwa zur europäischen Entwaldungsverordnung (EUDR). Diese flexible Anpassung an die Bedürfnisse der Wirtschaft war für mich immer das große Erfolgsgeheimnis des Helpdesks.

Eine Enttäuschung für mich war hingegen der „Omnibus“ aus Brüssel – nicht, weil ich gegen Vereinfachung wäre, sondern weil ich der Überzeugung bin, dass wir durch eine saubere Harmonisierung der veschiedenen EU-Regulierungen noch viel mehr Erleichterung für Unternehmen hätten schaffen könnten, als durch einzelne Deregulierungen.

Aber Brüssel ist ja ein großer Busbahnhof geworden. Vielleicht kommt da noch der eine oder andere Omnibus vorbeigefahren. Dann wäre mein Rat: Er sollte Schritttempo fahren und alle mitnehmen! Dann verliert auch auch nicht das eigentliche Ziel aus dem Auge.

Ein Blick in die Zukunft: Weitermachen, Unterstützung ausbauen, Jubiläum feiern

Redaktion: Was raten Sie Unternehmen in dieser unsicheren rechtlichen Lage?

Junker: Mein Rat an sie ist: Weitermachen, unabhängig davon, wie die gesetzliche Entwicklung jetzt aussieht. Und: Vorgaben nicht nur nach dem Buchstaben des Gesetzes auslegen, sondern auch nach dem Geist des Gesetzes umsetzen. Beim Due-Diligence-Ansatz geht es eben nicht darum, sinnlos Fragebögen zu verschicken, damit man bei der Compliance-Abteilung ein Häkchen machen kann. Sondern es geht darum, einen Beitrag dazu zu leisten, dass die Lieferketten insgesamt ein bisschen fairer werden - für die Menschen, die am Anfang unserer Lieferketten leiden, damit wir billig einkaufen können. Anders gesagt: Ich empfehle, einfach etwas Sinnvolles tun … wovon Sie dann abends wieder Ihren Kindern erzählen können.

Redaktion: Bitte vervollständigen Sie den folgenden Satz: In fünf Jahren wird der Helpdesk Wirtschaft und Menschenrechte…

Junker: …die Unternehmen weiterhin so unterstützen, wie sie es brauchen. Ich sehe zum Beispiel noch Potential im Hinblick auf das integrierte Management verschiedenerEU-Nachhaltigkeitsregulierungen. Der Helpdesk kann Unternehmen dabei helfen, die verschiedenen Regulierungen so unter einen Hut zu kriegen, dass keine Doppelarbeit entsteht bzw. dass man Synergien nutzt. Sneak preview: Der Helpdesk arbeitet schon dran!

In zwei Jahren feiert der Helpdesk Wirtschaft und Menschenrechte dann sein zehnjähriges Bestehen. Ich hoffe, dass ich dann eine Einladung bekomme, um zu bestaunen, wie er weiter gewachsen ist.

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