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„Qualität heißt auch, den Kunden anständige Lieferketten anzubieten“

Seit April 2023 leitet Diana Sanabria das Human Rights Office von Hapag-Lloyd. Im Interview spricht die Juristin über das Risikomanagement ihres Konzerns, hilfreiche Angebote des Helpdesk Wirtschaft und Menschenrechte und die aufgeregte öffentliche Debatte um unternehmerische Sorgfaltspflichten. Ihr Appell: Etwas mehr Ruhe würde der Sache guttun.

Redaktion: Frau Sanabria, Sie sind 2023 als Senior Manager Supply Chain Act zu Hapag-Lloyd gekommen, um das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) umzusetzen. Menschenrechte und Umweltthemen waren da vermutlich keine neuen Themen für den Konzern, richtig?

Diana Sanabria: Das stimmt. Hapag Lloyd hatte schon vor dem LkSG viele Ansätze, um menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken in den Blick zu nehmen. Es war dem Unternehmen immer wichtig, ethisch zu handeln. Trotzdem hat das Gesetz einiges angestoßen. Ich würde es so formulieren: Das LKSG hat uns geholfen, eine Struktur für das Bestehende zu finden. Ein System zu entwickeln, mit dem wir Risiken entlang der Lieferketten deutlich besser managen können. Der risikobasierte Ansatz spielt dabei eine entscheidende Rolle.

Risikomanagement: Kategorie-spezifische Fragebögen & ein partnerschaftlicher Ansatz

Redaktion: Wie sieht der risikobasierte Ansatz bei Hapag-Lloyd in der Praxis aus?

Diana Sanabria: Als eine weltweit führende Linienreederei mit 400 Büros in 130 Ländern und über 10.000 Lieferanten weltweit haben wir verschiedene Einkaufskategorien, die mit unterschiedlichen Risiken einhergehen können. Beispielsweise unterscheiden sich die Arbeitsbedingungen und potenziellen Menschenrechtsaspekte für LKW-Fahrer in unserem Logistiknetzwerk aufgrund ihrer mobilen Tätigkeit von denen in anderen Kategorien. Deshalb haben wir uns entschieden, Kategorie-spezifische Fragebögen zu entwickeln. Bei Lieferanten im Seebereich fragen wir etwa, wieviel Trinkwasser und Internet an Bord zur Verfügung stehen, während wir bei LKW-Unternehmen fragen, was die typischen Ursachen für Verkehrsunfälle sind oder ob Lohnkürzungen z. B. für Unterbringungskosten stattfinden. Auf diese Weise haben wir Risiken identifiziert, die wir mit einem Standardfragebogen niemals aufgedeckt hätten.

Redaktion: Für viele Ihrer Lieferanten waren solche detaillierten Fragen wahrscheinlich neu. Wie waren die Reaktionen?

Diana Sanabria: Wir haben wirklich positive Erfahrungen gemacht. Was sicherlich auch daran liegt, dass wir einen sehr partnerschaftlichen Ansatz verfolgen. Wissen Sie: Wir selbst beliefern fast alle sorgfaltspflichtigen Unternehmen in Deutschland, außerdem internationale Unternehmen, die anderen Menschenrechtsgesetzen unterliegen – etwa dem „Modern Slavery Act“ in Australien oder der „Loi de Vigilance“ in Frankreich. Dadurch kennen wir die Lieferantenperspektive sehr gut.

Im Gespräch mit unseren Lieferanten setzen wir deshalb auf Kollaboration und Kooperation. Wir gehen sehr offen in die Gespräche rein, analysieren gemeinsam bestehende Risiken, reflektieren unsere Rolle als Kunden und fragen, wie wir dabei unterstützen können, Risiken zu minimieren.

Angebote von Helpdesk und BMAS: Die Bedeutung des Dialogs

Redaktion: Sie hatten in den letzten drei Jahren auch immer wieder mit dem Helpdesk Wirtschaft und Menschenrechte zu tun. Wie kam der Kontakt zustande?

Diana Sanabria: Das erste Mal, als wir beim Helpdesk angeklopft haben, ging es um China. Die Einschätzungen und Empfehlungen für den Umgang mit Menschenrechten in China waren für uns sehr hilfreich. Danach haben wir immer wieder an Veranstaltungen des Helpdesk und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales teilgenommen, auch um unsere Erfahrungen mit dem risikobasierten Ansatz mit anderen Unternehmen zu teilen. Ich finde es sehr wertvoll, dass die Bundesregierung mit solchen Formaten den Dialog fördert. Zwar haben viele Unternehmen inzwischen ihre eigenen Erfahrungen gesammelt, aber wir können immer noch viel voneinander lernen. Der Austausch bleibt enorm wichtig und könnte meines Erachtens noch intensiviert werden.

Redaktion: Inwiefern?

Diana Sanabria: Ich halte einen Branchendialog Transport und Logistik für sehr sinnvoll. Gegebenenfalls auch als Arbeitsgruppe im Rahmen anderer Branchendialoge, der Transport ist ja in allen Lieferketten drin. Von den größten Logistikern weltweit sitzen jedenfalls einige in Deutschland, und ich glaube, dass wir gemeinsam Einiges bewirken könnten.

Der Wunsch: Klare Rahmenbedingungen und eine besonnene öffentliche Debatte

Redaktion: Gibt es noch etwas, das Sie sich im Zusammenhang mit unternehmerischen Sorgfaltspflichten wünschen würden?

Diana Sanabria: Ich glaube, etwas mehr Ruhe würde der Sache guttun. Damit meine ich einerseits eine stabile Gesetzgebung, die den Unternehmen Planungssicherheit bietet. Ich meine aber auch die öffentliche Debatte, die teilweise noch sehr oberflächlich geführt wird, ohne Hintergründe und wissenschaftliche Erkenntnisse zu beleuchten. Dabei gibt es inzwischen Erfahrungsberichte von Unternehmen sowie Studien zum Thema, etwa vom Deutschen Institut für Menschenrechte, die positive Effekte der Sorgfaltspflichten auf Menschenrechte aufzeichnen.

Redaktion: Was möchten Sie anderen Unternehmen mitgeben?

Diana Sanabria: Macht euch bewusst, was der risikobasierte Ansatz bedeutet. Einerseits bringt es nichts, mit einem Klick Tausende Standardfragebögen in die Welt zu schicken. Andererseits muss man auch nicht alle Lieferanten gleichzeitig überprüfen. Das verlangt niemand, weder das LkSG noch die CSDDD. Also auch hier: Ruhe bewahren und Schritt für Schritt vorgehen. Und dabei nicht aus dem Blick verlieren, worum es wirklich geht. Wir sollten uns wirkungsvoll bemühen, Menschenrechtsverletzungen in den Lieferketten vorzubeugen beziehungsweise sie zu beenden. Das ist das Ziel, nicht Papierkram zu produzieren. Deutsche Unternehmen sind weltweit für ihre Qualität bekannt. Qualität heißt auch, den Kunden anständige Lieferketten anzubieten. Das ist doch ein erstrebenswertes Qualitätsmerkmal!

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