Impact Investorin Pauline Koelbl schließt mutig eine Lücke
Unternehmerinnen in Afrika brauchen keine Almosen, sondern smarte Investor*innen, davon ist Pauline Koelbl überzeugt. Die in Ruanda geborene Amerikanerin und Schweizerin ist Gründerin und Managing Partner des Unternehmens ShEquity, das sich für gleiche Chancen für beide Geschlechter in Afrika einsetzt. Ihre tägliche Arbeit: intelligent investieren, Vertrauen schaffen und Vorurteile abbauen. Pauline Koelbl ist Teil des „Team Transformation“ , einer Gruppe von fünf Vordenker*innen, die sich gemeinsam mit dem Business-Netzwerk "Partners in Transformation" für Transformations-Themen einsetzen.
42 Milliarden US-Dollar(1). So hoch ist die Investitionslücke zwischen Männern und Frauen in Afrika, das sogenannte „Gender-Funding Gap“. 42 Milliarden US-Dollar an Investitionen also, die Gründerinnen und Unternehmerinnen auf dem afrikanischen Kontinent weniger zur Verfügung stehen als ihren männlichen Kollegen. Eine Summe, die in etwa dem Jahresgewinn von Weltkonzernen wie Shell, Samsung oder JP Morgan entspricht. Diese Lücke zu schließen, daran arbeiten Unternehmer*innen wie Pauline Koelbl und ihr Unternehmen ShEquity. „Wir haben uns zum Ziel gesetzt, eine Milliarde US-Dollar zu mobilisieren. Das mag zu ehrgeizig klingen, es schließt aber die Investitionen unserer Partner ein, die entweder private Investoren oder Venture-Philanthropen sind“, sagt Pauline Koelbl. „Es gibt keinen triftigen Grund für diese riesige Lücke. In vielen Wirtschaftsbereichen fehlt es noch immer an Vertrauen in afrikanische Unternehmerinnen.“
Um eben dieses Vertrauen zu fördern und afrikanischen Unternehmerinnen eine Plattform für Investitionen zu geben, gründete Pauline Koelbl im Jahr 2020 das Unternehmen ShEquity. Koelbl investiert nicht nur selbst in vielversprechende Unternehmen, sie wirbt bei möglichen Investorinnen und Investoren auch für weiblich geführte afrikanische Unternehmen.
(1) Unlocking Africa's Potential: Why Investing in Women is a Game-Changer | Our Africa, Our Thoughts
Frauen stärken und unterstützen
Wieso ist es so wichtig, Unternehmerinnen besonders zu fördern? „Frauen stellen in den meisten Ländern der Welt mehr als 50 Prozent der Bevölkerung“, betont Pauline Koelbl. Die Vorteile der Stärkung der Rolle der Frau liegen auf der Hand: Förderung eines integrativen Wirtschaftswachstums, Bekämpfung der Armut, Erhöhung der sozialen Gerechtigkeit und des allgemeinen Wohlergehens von Kindern und Haushalten. Dies ist insbesondere in Afrika notwendig, wo Frauen in erster Linie für die Nahrungsmittelproduktion verantwortlich sind und gleichzeitig über 40 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) betreiben. Im weltweiten Vergleich ist auch der Anteil von Frauen unter den Unternehmer*innen in Afrika mit fast 25 Prozent am höchsten. „Ich treffe so viele Frauen, die großartige Geschäftsideen haben und Unterstützung benötigen, um diese in lebensfähige Unternehmen zu verwandeln“, sagt Pauline Koelbl. „Alles, was sie brauchen, ist Zugang zu solchen Möglichkeiten, die richtigen Werkzeuge und jemand, der bereit ist in ihr Unternehmen zu investieren, um dessen Wachstum zu fördern.“
Pauline Koelbl bezeichnet sich und ihr Unternehmen als ein Katalysator, der versucht, die nachhaltige Entwicklung Afrikas zu beschleunigen. Schon kurz nach der Gründung von ShEquity baut sie mit einer Geschäftspartnerin ein Programm auf, das Unternehmen von Frauen fördern soll. Gleichzeitig ist der ShEquity Business Accelerator (SHEBA) ein Eckpfeiler der Investitionsstrategie ihres eigenen Unternehmens. in einem 17-wöchigen Programm erhalten Unternehmerinnen das nötige Know-how, um ihr Unternehmen zu stärken und für Investitionen fit zu machen. Dies soll Risiken minimieren und die Chancen auf ein Investment erhöhen. „Viele Frauen wollen nicht einfach nur ein Unternehmen gründen,“ beobachtet Koelbl, „Frauen gründen Unternehmen, um Probleme zu lösen.“ Über 150 von Frauen geführte Unternehmen haben bereits Unterstützung durch SHEBA erhalten. Das Programm wurde von USAID/ West Africa Trade and Investment Hub (WATIH) finanziert
Flucht um die halbe Welt
Seit über 20 Jahren beschäftigt sich Pauline Koelbl damit, wie Organisationen das Potenzial afrikanischer Menschen freisetzen können. Ihre Motivation ist der Wunsch, etwas weiterzugeben. Koelbl hat eine dramatische Jugend hinter sich: geboren in Ruanda, musste sie ihr Heimatland während des Völkermords 1994 verlassen. Als Geflüchtete lebte sie in verschiedenen Flüchtlingslagern in der Demokratischen Republik Kongo (DRK). „Ich war bloß eine Nummer und niemand kümmerte sich um meine Fähigkeiten“, erinnert sie sich. Nach zahlreichen Stationen in verschiedenen afrikanischen Ländern emigrierte Pauline Koelbl als anerkannte Geflüchtete in die USA.
Während ihrer Flucht erlebte sie auch Momente der Menschlichkeit. Ein Bekannter, den sie in einem der Flüchtlingslager traf, bezahlte ihr ein Flugticket, damit sie ihre Reise von der Demokratischen Republik Kongo nach Kenia und Senegal fortsetzen konnte. Im Flüchtlingslager teilte ein Fremder, der für eine Hilfsorganisation arbeitete, sein Sandwich mit ihr. Erinnerungen, die haften bleiben und bei Pauline Koelbl den Wunsch weckten, etwas an die Gesellschaft zurückzugeben: „Man kann sagen, dass meine Erfahrungen als Geflüchtete mich sehr gut auf meine berufliche Laufbahn vorbereitet haben – sowohl die guten als auch die schlechten Erfahrungen, denn sie haben mir Mitgefühl, Zielstrebigkeit und Widerstandsfähigkeit eingeimpft.“
Afrika, ein Kontinent der Chancen
Schon wenige Zeit, nachdem Pauline Koelbl die USA erreichte, kam ihre berufliche Karriere ins Laufen. Sie machte ihren Bachelor an der University of Arizona, W.A. Franke Honors College, und schließt ihn mit summa cum laude ab. Das Master-Studium absolvierte sie am Institute of Development Studies (IDS) in Brighton. Sie erhielt nicht nur einmal, sondern zweimal das renommierte Fulbright-Stipendium, arbeitete für die UNESCO in Paris und später als Technical Officer für die WHO in Genf. Pauline Koelbl kommt also ganz schön rum in der Welt. Den Kontinent ihrer Herkunft, Afrika, verliert sie jedoch nie aus den Augen. Schon vor ShEquity förderte Koelbl Innovationen und baute Netzwerke auf, etwa indem sie den gemeinnützigen Verein Professional Women of African Heritage (PROWAH) mitgründete. Koelbl glaubt an das Potenzial des Kontinents: „Ich finde es immer schade, wenn Leute sagen, dass Afrika arm ist. Denn der Kontinent ist sehr reich und hat sehr viel zu bieten: Schiere Größe, unvergleichliche natürliche Ressourcen und ein Humankapital aus vielen ideenreichen jungen Menschen, die hungrig darauf sind, etwas zu bewegen.“
Einen guten Teil ihrer Arbeitszeit verbringt Pauline Koelbl damit, diese Botschaft weiterzugeben. Das Ende der Fahnenstange ist für sie noch lange nicht erreicht. „Worum es mir geht: Afrika braucht keine Hilfsgüter. Afrika braucht smarte Investitionen.“ So erhielt der gesamte Kontinent im Jahr 2022 53,5 Milliarden US-Dollar an Entwicklungshilfe – eine Summe, die allein schon die Investitionslücke zwischen afrikanischen Unternehmerinnen und Unternehmern schließen könnte. „Wenn man dieses Geld in Wirtschaftsförderung stecken würde, könnte man den ganzen Kontinent transformieren“, findet Pauline Koelbl.
Vertrauen schaffen braucht Ausdauer
Mittlerweile hat Pauline Koelbl Zürich zu einem ihrer Wohnsitze gemacht. Von Zürich aus reist sie durch Afrika, um sich mit Ökosystemanbietern auszutauschen, Geschäfte zu sondieren und ShEquity-Portfoliounternehmen zu besuchen. Darüber hinaus nehmen Fundraising und Networking einen großen Teil ihrer Arbeitszeit in Anspruch. „Jede Unternehmerin, jeder Unternehmer muss eine Balance finden zwischen der eigentlichen Arbeit und dem Netzwerken. In vielen Fällen ist das Networking meine Arbeit!“ Investor*innen davon zu überzeugen, ihr Kapital in Unternehmen in der Frühphase zu stecken, erfordert viele Gespräche, Beharrlichkeit und eine Vertrauensbasis. „Menschen machen Geschäfte mit Menschen. Wenn es um Geld geht, ist dafür gegenseitiges Vertrauen nötig.“ Um die Arbeit von ShEquity für Investitionen in afrikanische Unternehmerinnen zu fördern, reist Pauline Koelbl um die Welt. Zuletzt nahm sie an verschiedenen Treffen während der New Yorker Klimawoche und der Generalversammlung der Vereinten Nationen im September 2024 teil. Im November ging es für sie zum Reykjavik Global Forum, einer Veranstaltung ausschließlich für geladene Gäste. Sie bringt bahnbrechende weibliche Führungspersönlichkeiten und ihre Verbündeten, die sich für den Aufbau einer inklusiven Welt einsetzen, zusammen. Zu den bisherigen Teilnehmerinnen gehören unter anderem Hillary Clinton, die ehemalige neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern und Melinda Gates.
Für Pauline Koelbl ist die Welt ein Dorf. Heimat kann für sie überall sein. „Ich habe aufgehört, Heimat als einen Ort zu betrachten. Ich bin da zuhause, wo ich mit Menschen zusammen bin, die mir wichtig sind.“
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