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Rechte von Arbeitsnehmenden international erkämpfen

Union Scout Georg Weininger

Im Gespräch erklärt Georg Weininger, wie er als Union Scout dafür sorgt, dass Gewerkschaften stärker in die Entwicklungszusammenarbeit eingebunden werden.

AWE: Hallo Herr Weininger. Erklären Sie uns: Was ist ein Union Scout? 

Georg Weininger: Die Rolle eines Union Scouts unterscheidet sich zunächst nicht grundlegend von der Rolle der anderen Business Scouts. Bei diesen geht es darum, Interessensvertretungen der Wirtschaft, wie Verbände und Handelskammern in die Entwicklungszusammenarbeit einzubinden.  Die Zusammenarbeit zwischen privatwirtschaftlichen Akteuren und Entwicklungszusammenarbeit hat eine lange Tradition. Im Gegensatz dazu steht die Kooperation mit Gewerkschaften noch ziemlich am Anfang. Grundsätzlich geht es also darum, die Gewerkschaften stärker in die Entwicklungszusammenarbeit einzubeziehen. Das ist meine Aufgabe beim deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Das Business Scout-Programm und DGB haben ein großes Potenzial darin gesehen und gemeinsam meine Stelle etabliert. Primäre Aufgabe ist es, zu schauen: Gibt es Schnittmengen zwischen dem Engagement deutscher Gewerkschaften und der Entwicklungspolitik? In welchen bestehenden oder avisierten Programmen kann man Synergien schaffen?  

AWE: Was sind die Vorteile dieser Zusammenarbeit?  

Weininger: Mein Arbeitsschwerpunkt in den letzten eineinhalb Jahren waren die menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten in globalen Lieferketten. Dazu besteht zwischen dem DGB und dem BMZ seit 2015 – damals noch mit dem Schwerpunkt Textilsektor – eine strategische Partnerschaft zur Stärkung des Monitorings der Sorgfaltspflichten. Dabei handelte es sich um eine Reaktion auf das verheerende Unglück der Rana-Plaza-Textilfabrik in Bangladesch. Dieser branchenspezifische Fokus wurde später erweitert und eine grundsätzliche Partnerschaft im Bereich der globalen Lieferketten abgeschlossen. Damals befanden wir uns noch in der Entstehungsphase des deutschen Lieferkettengesetzes. Sowohl der DGB als auch verschiedene Mitgliedsgewerkschaften, die mit globalen Lieferketten zu tun haben, bezogen bereits in dieser Entwicklungsphase eine starke Position. 

Auch bei der künftigen Ausgestaltung des Lieferkettengesetzes werden die Gewerkschaften eine starke Rolle spielen. Das ergibt sich aus zwei Gründen: Erstens müssen Fragen nach menschenrechtlichen Risiken in den Lieferketten nun von den Unternehmen beantwortet werden. Dies geschieht im Wirtschaftsausschuss eines Unternehmens – ein Mitbestimmungsgremium, wo auch die Betriebsrätinnen und -räte sitzen. Dort spielen die Gewerkschaften natürlich eine explizite Rolle. Zweitens sind die Gewerkschaften per Gesetz zur juristischen Vertretung (Übernahme der Prozessstandschaft) von Personen oder Personengruppen verpflichtet, die in ihren Rechten verletzt worden sind.

Das heißt in der Praxis: Wenn in tieferen Gliedern einer globalen Lieferkette Menschenrechte verletzt werden und es zur Klage vor einem deutschen Gericht kommt, führt eine deutsche Gewerkschaft den Prozess. Damit soll verhindert werden, dass diese Verantwortung denjenigen aufgelastet wird, die die Menschenrechtsverletzung erlitten haben. Daraus ergibt sich auch eine intrinsische Motivation für die Gewerkschaften, dafür zu sorgen, dass das Gesetz eingehalten wird.

Ich würde noch ergänzen, dass die Zusammenarbeit mit Gewerkschaften in der Entwicklungszusammenarbeit noch einen entscheidenden Vorteil hat: Deutsche Gewerkschaften sind ja Teil globaler Gewerkschaftsföderationen sowie dem europäischen und internationalen Gewerkschaftsbund. Damit sind sie Partner auf Augenhöhe für Arbeitnehmerorganisationen im globalen Süden. Verfolgt man jetzt eine werteorientierte Entwicklungszusammenarbeit und will Arbeitnehmerrechte in den Partnerländern ernstnehmen, dann ist es natürlich von Vorteil, auch die entsprechenden Organisationen auf Augenhöhe ansprechen zu können. Und dazu sind Gewerkschaften einfach die idealen Partner.  

AWE: Sie sprechen den globalen Süden an. Es haben nicht alle Länder eine so ausgeprägte Tradition der Sozialpartnerschaft wie hierzulande. Denken Sie, dass es auch Widerständen kommen kann? 

Weininger: Natürlich muss man sich auf Herausforderungen einstellen. Das ist aber in keiner Weise eingleisig. Die kritischen Stimmen werden von beiden Seiten kommen. Gewerkschaft ist ja kein feststehender Begriff und wird in der Praxis in unterschiedlichen Settings auch anders ausgelebt. Dazu gehört aber nicht nur die Frage nach der Sozialpartnerschaft, sondern auch die Frage der Betätigungsmöglichkeit beziehungsweise der Vereinigungsfreiheit. In vielen Ländern ist es ein persönliches Risiko, sich in Arbeitnehmerorganisationen zu engagieren. Wir haben von kolumbianischen Gewerkschaftsmitgliedern gehört, dass sie noch bis vor kurzem Todesdrohungen erhalten haben oder Kolleginnen und Kollegen ermordet wurden.

Die Teilnahme an der Sozialpartnerschaft ist also alles andere als intuitiv, sondern erfordert Überzeugungsarbeit auf beiden Seiten. Das gute ist, dass wir eingebettet sind in das Business Scout-Programm und auf ein umfassendes Netzwerk zurückgreifen können - zum Beispiel auf Auslandshandelskammern und Wirtschaftsverbände. Das heißt, wir sind tatsächlich auch sehr nah an deutschen Unternehmen im Ausland. Das ermöglicht uns, einen Ansatzpunkt zu finden, um die Sozialpartnerschaft in der Praxis auch in Entwicklungsländern zu unterstützen und zu verbessern. 

AWE: Vielen Dank, Herr Weininger. 

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