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Schnelleinstieg

Schwäbische Innovation in der Ukraine. Recycling im Straßenbau

Lwiw liegt im Westen der Ukraine, etwa 80 Kilometer von der polnischen Grenze entfernt. Obwohl die Fronten des Krieges entfernt verlaufen, blieb die Infrastruktur von russischen Angriffen nicht verschont. Doch schon vor dem Krieg waren die Straßen Lwiws, wie in anderen ukrainischen Städten auch, marode. Die IBS GmbH will das ändern. Zusammen mit der OPIS AG und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (GIZ) steht das Unternehmen in den Startlöchern für ein Straßenbauprojekt, das für die Ukraine richtungsweisend sein könnte. Das Ziel: 7.000 Quadratmeter Straßenfläche neu aufzubauen – effizient, kostengünstig und ressourcenschonend. Unterstützt wird das Projekt im Rahmen von develoPPP, einem Förderprogramm des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ). „In der Ukraine braucht es schnelle Lösungen, um das Infrastrukturnetz zu sanieren,“ sagt Julian Bihl, der Geschäftsführer der IBS GmbH. Aber wie kann unter diesen Umständen nachhaltiger Straßenbau funktionieren?

Hohe Mengen von CO2 einsparen

Die Antwort dazu findet sich im schwäbischen Herrenzimmern, der Firmenzentrale der IBS GmbH. Hier entwickelte der Vater von Julian Bihl, Hansjörg Bihl, vor rund 20 Jahren ein Bindemittel, das den Straßenbau nachhaltig verändern sollte. Bislang war eine konventionelle Straßensanierung mit großem Aufwand verbunden: Fachkräfte mussten die alte Substanz zunächst abtragen und aufwendig entsorgen, um dann neue Baustoffe von weit her zu transportieren und einzubauen. Das Bindemittel aus dem Hause Bihl mit dem Namen Novocrete vereinfacht diesen Prozess enorm: Gemischt mit Zement wird die Bausubstanz in den Boden hineingefräst und verändert die kristalline Struktur des Bodens. Dies sorgt für Stabilität und Frostschutz. Bauprojektgruppen können häufig fast die komplette vorhandene Bausubstanz wiederverwerten. Neues Material wird nicht mehr gebraucht. „So können wir die CO2-Emissionen in der Regel etwa um 60 bis 70 Prozent senken“, sagt Julian Bihl, dessen Teams bei jedem Projekt kalkulieren, wie viel CO2 die Bauvorhaben einsparen können.

Innovation in einem harten Markt

Zunächst aber wollte niemand Novocrete kaufen, erinnert sich Julian Bihl. „Mit einer Innovation tritt man ja immer jemanden auf die Füße." Der Markt sei konservativ, die Straßenbauverordnungen streng. „In unserer Verzweiflung sind wir Klinken putzen gegangen.“ Das Vater-Sohn-Gespann wendet sich an Baufirmen, Straßenbauverwaltungen und Universitäten und führt Pilotprojekte durch. Mit der Zeit und durch harte Vertriebsarbeit kommt der Erfolg. Bis heute hat die IBS GmbH weltweit rund 1.500 Projekte umgesetzt und dabei knapp 15 Millionen Quadratmeter Straße saniert. 2023 gab es für Novocrete den Deutschen Innovationspreis – auch vor einigen KI-Projekten: „Das hat uns natürlich gefreut, weil wir das Gefühl hatten, einen Nerv getroffen zu haben. Die lange Zeit zwischen Entwicklung und der Auszeichnung zeigt aber, wie lange es dauern kann, bis sich Innovationen durchsetzen“, sagt Julian Bihl.

„In der Ukraine braucht es schnelle Lösungen, um das Infrastrukturnetz zu sanieren.“

Julian Bihl, Geschäftsführender Gesellschafter IBS GmbH

Wissenstransfer elementar wichtig

Heute ist die IBS weltweit tätig, vor allem in Asien, Afrika und Südamerika. Jeder Boden, jede Straße, jedes Projekt ist anders. „Ursprünglich ging es für uns nur darum, mit Novocrete den Boden zu stabilisieren. Manchmal stoßen wir bei einem Projekt aber auch auf ganz andere Herausforderungen. Dann geht es zum Beispiel darum, wie wir es schaffen können, Schadstoffe aus dem Boden zu entfernen.“ Um Sanierungsprojekte in jeder Hinsicht nachhaltig zu gestalten, bietet IBS grundsätzlich Schulungen für Personal vor Ort an. Dazu zählen Kommunen, Straßenbauverwaltungen, Bauunternehmungen aber auch Universitäten und Labore. Zusätzlich erhalten die Kund:innen einen Leitfaden, der sie während des gesamten Vorhabens begleitet und ihnen dementsprechend Sicherheit geben soll. „Da steckt von der Akquise über Planung und Ausführung bis hin zum Monitoring alles drin, was es für das Projekt braucht“, sagt Julian Bihl. „Bei solchen Projekten gehört Know-how-Transfer einfach dazu – nur so funktioniert es.“

Win-Win-Situation für Unternehmen und Ukraine 

Eine enge Zusammenarbeit soll es auch für das Sanierungsprojekt in Lwiw geben. Im Oktober 2024 empfing Julian Bihl eine Delegation der Stadt, bestehend aus Vertretern der Straßenbauverwaltung und zwei Hochschulprofessoren. Er führte den ukrainischen Gästen vor, wie die Arbeit mit Novocrete in der Praxis funktioniert. „Wir werden am Anfang noch auf der Baustelle oder im Labor beratend zur Seite stehen“, so Julian Bihl. „Das Ziel aber ist, dass die ukrainischen Projektverantwortlichen weitere ähnliche Bauvorhaben mittelfristig allein bearbeiten können.“ Am Ende profitieren beide Seiten: IBS knüpft Kontakte, erweitert das Portfolio und erhält Zugang zum ukrainischen Markt, der günstige Lösungen für Straßensanierungen dringend benötigt. Ukrainische Kommunen hingegen können langfristig aus eigener Kraft ihre Straßeninfrastruktur schnell, umweltfreundlich und vor allem kostengünstig verbessern.

Förderung durch develoPPP

Eine wichtige Rolle, damit die Kooperation zustande kommen konnte, spielten auch die GIZ und das Förderprogramm develoPPP des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ). Auf einer Veranstaltung der Industrie- und Handelskammer (IHK) trafen Julian Bihl und Ottmar Rienhoff-Gembus (Leiter Innovation bei der IBS) einen Business Scout for Development  der Agentur für Wirtschaft und Entwicklung (AWE), Mathias Brandt. Von ihm erfuhr er von dem Förderprogramm und bewarb sich mit der IBS GmbH im Rahmen einer Sonderausschreibung für die Ukraine. Über develoPPP fördert das BMZ das Bauvorhaben Vorhaben nun mit fast 200.000 Euro bei einem Gesamtvolumen von etwa 410.000 Euro. Die GIZ identifizierte relevante Stakeholder, organisierte den Besuch der Lwiwer Delegation in Deutschland und unterstützt mit der Projektkoordination in der Ukraine. „Wir haben der GIZ erzählt, welche Art Ansprechpartner wir suchen, und sie haben durch ihr Netzwerk vor Ort geeignete Interessenten gefunden. Das hat uns sehr geholfen,“ sagt Julian Bihl. Frühjahr 2025 sollen in Lwiw die Bauarbeiten beginnen. „Wenn das Projekt gut läuft, hoffen wir, dass es in der Ukraine Schule machen könnte,“ sagt Julian Bihl.

Sie wollen mehr über Fördermöglichkeiten erfahren? Weitere Informationen finden Sie auf der Internetseite von develoPPP. 

Das develoPPP-Programm

Mit develoPPP fördert das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) privatwirtschaftliche Vorhaben dort, wo unternehmerische Chancen und entwicklungspolitisches Potenzial zusammentreffen. Unternehmen, die nachhaltig in einem Entwicklungs- oder Schwellenland investieren und ihre operative Tätigkeit vor Ort ausbauen wollen, können im Rahmen des Programms finanzielle und fachliche Unterstützung erhalten.

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