Mit Farbe durch die Krise – Schnittblumen aus Ostafrika
Die neue EU-Afrika-Strategie, die voraussichtlich 2021 auf dem 6. AU-EU-Gipfeltreffen beschlossen wird, will die partnerschaftliche Zusammenarbeit in ausgewählten Schlüsselbereichen stärken. Um Chancen für die angestrebte deutliche Aufstockung ökologisch, sozial und finanziell nachhaltiger und klimaresilienter Investitionen aufzuzeigen, präsentiert die AWE Einschätzungen afrikanischer Wirtschaftsvertreter zu Investitionspotenzialen in ausgewählten Branchen. Im dritten Beitrag der Reihe Chancenkontinent Afrika gibt Richard Fernandes (Vorsitzender des Kenya Flower Council) Einblicke in die ostafrikanische Schnittblumenindustrie. Das Gespräch führte Dr. Alawi Swabury.
Ein florierendes Geschäft
Ob bei Hochzeiten, Geburtstagen oder als Dekoration auf dem Wohnzimmertisch: Blumen bringen Farbe ins Leben und sind Ausdruck von persönlicher Verbundenheit. Europäische Käufer von Schnittblumen wissen dabei besonders die Qualität ostafrikanischer Produkte zu schätzen. Aufgrund der Höhenlage am Äquator bieten vor allem Kenia und Äthiopien optimale klimatische Bedingungen für den Anbau von Zierpflanzen. Dank weltweit professioneller Lieferketten gelangt die Ware in weniger als drei Tagen vom Produktionsort zum Endverbraucher. So hat sich der Zierpflanzensektorin Ostafrika zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor entwickelt. Neben lokalen Firmen und Arbeitnehmern können davon auch ausländische Investoren profitieren:
„Das günstige Klima Kenias bietet Investoren die Möglichkeit, 52 Wochen im Jahr Blumen anzubauen. Auch die von der kenianischen Regierung gebotenen Anreize machen die Schnittblumenindustrie zu einem profitablen Geschäft und zu einer Industrie, die für die Menschen in Kenia einen Unterschied macht.“
Richard Fernandes, Vorsitzender des Kenya Flower Council
Dank der günstigen Investitionsbedingungen konnte Kenia eine Stellung als einer der weltweit führenden Exporteure von Schnittblumen einnehmen. Beispielsweise erhebt Kenia keine Steuern auf die Einfuhr von Düngemitteln. Kenia ist (nach den Niederlanden, Kolumbien und Ecuador) der viertgrößte Blumenexporteur weltweit. Mit Europa als wichtigstem Absatzmarkt ist der Export von Zierpflanzen die drittwichtigste Devisenquelle des ostafrikanischen Landes. 30 % der Blumen in Europa stammen aus Kenia. Dafür werden die schnellverderblichen Produkte meist per Luftfracht in die Niederlande geliefert, von wo die Ware zum europäischen Großhandel gelangt.
Pandemie führt zu Logistikproblemen
Nach mehrjährigem kontinuierlichem Wachstum trübte der Ausbruch von COVID-19 den Aufschwung des ostafrikanischen Zierpflanzensektors. Vor allem der von der Regierung verhängte Lockdown fügte der Branche erheblichen Schaden zu. Mitarbeiter der kenianischen Betriebe mussten zu Hause bleiben, sodass Blumen nicht mehr für den Transport verpackt werden konnten. Auch führte die Schließung von Geschäften in den wichtigsten Zielmärkten zu Einbrüchen in der Nachfrage. Besonders hart wurde die Branche indessen von Logistikproblemen getroffen:
„Das Haupthindernis für die Blumenindustrie war der fehlende Zugang zu den internationalen Märkten. Das Startverbot für die internationalen Fluggesellschaften führte zu großen Verlusten an Arbeitsplätzen und Einkommen für die Bauern.“
Richard Fernandes, Vorsitzender des Kenya Flower Council
Wegen der Corona-Krise richteten sich politische und wirtschaftliche Prioritäten vorübergehend auf die Sicherstellung der Versorgung mit überlebenswichtigen Gütern wie medizinischer Ausrüstung und Nahrungsmitteln. Gleichzeitige Einschränkungen im Flugverkehr erhöhten den Preis für den Transport von Schnittblumen in der Folge drastisch. Dies führte zu Umsatzeinbußen und zum Verlust von Arbeitsplätzen in der kenianischen Schnittblumenindustrie. Gleichwohl habe laut Fernandes die fortgesetzte Unterstützung verschiedener Airlines beim Blumentransport die Branche vor dem totalen Zusammenbruch bewahrt. Vor diesem Hintergrund werben nationale und internationale Verbände des Blumen- und Pflanzenhandels derzeit für eine Aufrechterhaltung der Lieferketten.
Blumenhandel vorantreiben
Angesichts der starken Handelsverflechtung zwischen Europa und Ostafrika im Zierpflanzensektor hofft der Vorsitzende des Kenya Flower Council auf eine weitere Verbesserung der Zusammenarbeit. Beispielsweise bestünden im Bereich Innovation und Digitalisierung Steigerungschancen für den Online-Vertrieb von Blumen. Dafür müsse nach Ansicht Fernandes die Mehrwertsteuer für Blumen gesenkt werden. Ebenso könne die EU im Rahmen der angekündigten Afrika-Strategie dafür sorgen, Importe aus Afrika zu erleichtern:
„Europa ist für kenianische Blumen der wichtigste Absatzmarkt. Wir bitten die EU daher, Importe auf dem Luftweg zu erleichtern und den Binnenmarkt für afrikanische Produkte zu öffnen.“
Richard Fernandes, Vorsitzender des Kenya Flower Council
Ebenso wäre es aus Sicht des Wirtschaftsvertreters sinnvoll, wenn Europa sich an den wirtschaftlichen Wiederaufbaumaßnahmen afrikanischer Länder in Bezug auf COVID-19 beteiligen würde. Der Import Promotion Desk der deutschen Bundesregierung leistet hier bereits einen Beitrag, indem er deutsche Unternehmen mit zuverlässigen ausländischen Produzenten von frischen Schnittblumen vernetzt.