Der Amazonas ist ein Zukunftslabor

Die Luft ist schwer vom Duft der Babassu-Palmen, das Summen von Insekten liegt über dem Regenwald. Im brasilianischen Amazonas, weit entfernt von den Metropolen, hat das deutsche Unternehmen Symrise einen Standort aufgebaut, der mehr sein soll als ein Produktionshub. Hier, so sagt Symrise, beginne die Zukunft nachhaltiger Innovation. Gemeinsam mit dem brasilianischen Kosmetikhersteller Natura und der GIZ arbeitet man im Rahmen des develoPPP-Programms Seite an Seite mit lokalen Kooperativen, um Biodiversität zu schützen und neue Wertschöpfung zu schaffen. Ein Gespräch über Chancen, Stolpersteine und die besondere Dynamik Lateinamerikas mit Josy Hatada (Vice President LATAM für kosmetische Inhaltsstoffe) von Symrise und Mauro Costa (Senior Manager der Biodiversitäts-Lieferkette) sowie Carolina Domenico (Managerin der Biodiversität von Natura).
AWE: Warum hat Symrise den Schritt nach Lateinamerika gewagt?
Josy (Symrise): Symrise hat sich in Brasilien angesiedelt, weil sich dort eine einmalige Chance bot, Innovation und nachhaltiges Wachstum voranzutreiben. Lateinamerika zählt zu den dynamischsten Märkten der Welt – insbesondere in den Bereichen Körperpflege, Düfte und Lebensmittel. Brasilien fungiert dabei als strategisches Tor zum gesamten lateinamerikanischen Markt. Für Marken im Bereich Schönheit und Kosmetik ist die Nähe zu den Konsument:innen entscheidend. Die starke Nachfrage nach Alle Bilder ©Carranca/GIZ wirksamen und natürlichen Produkten inspiriert maßgeschneiderte Lösungen, die lokal ankommen. Gleichzeitig bietet die Region einen wachsenden Pool an Fachkräften, der agile Umsetzung und enge Zusammenarbeit ermöglicht. All das macht Lateinamerika zu einem zunehmend attraktiven Standort für zukunftsorientierte Unternehmen.
Schatzkammer der Diversität

Was macht Brasilien so attraktiv?
Symrise: Die enorme Biodiversität Lateinamerikas ist ein unschätzbarer Vorteil –gerade für ein Unternehmen wie Symrise, das mit natürlichen Inhaltsstoffen arbeitet und auf nachhaltige Innovation setzt. Unser Standort in Benevides, mitten im brasilianischen Amazonasgebiet, spielt eine zentrale Rolle bei der Forschung und Entwicklung natürlicher Rohstoffe. Durch die Nähe zu den Anbaugebieten verringern wir nicht nur Umwelt- und Logistikbelastungen, sondern schaffen auch lokale Wertschöpfung durch Innovation–ein Schlüssel, um Biodiversität langfristig zu erhalten. Darüber hinaus ermöglicht unsere Präsenz vor Ort enge Kooperationen mit Lieferanten, Kunden und Institutionen. Gemeinsam entwickeln wir nachhaltige Initiativen und innovative Produkte – und stärken zugleich die lokale Wirtschaft.
Und die Schattenseiten?
Symrise: Als deutsches Unternehmen mit globaler Präsenz legen wir größten Wert auf hohe regulatorische Standards. Das erleichtert uns die Navigation durch die strengen Vorschriften Brasiliens, insbesondere im Kosmetikund Lebensmittelbereich. Auch der Zugang zu Brasiliens Biodiversität ist durch ein umfassendes Gesetzeswerk geregelt, das als Modell für andere Länder gilt. Zwar erfordert dies sorgfältige Abstimmung, doch es gewährleistet eine faire Beteiligung lokaler Gemeinschaften und Stakeholder. Kulturell haben wir Lateinamerika als äußerst offen und kooperativ erlebt – eine Haltung, die unsere Unternehmenskultur bereichert und unsere Produktentwicklung inspiriert.
Verantwortung ist alles
Wie finden Sie die richtigen Partner in Lateinamerika?
Symrise: Ganz gleich ob in Lateinamerika oder anderswo–die Wahl der Partner folgt klaren strategischen Kriterien. Entscheidend sind für uns Werte wie Nachhaltigkeit, faire Arbeitsbedingungen und die Einhaltung strenger gesetzlicher Vorgaben. Was haben Sie bisher gelernt? Symrise: Seit 2017 arbeiten wir in Partnerschaft mit der GIZ und Natura eng mit RohstoffLiefergemeinschaften im Amazonas zusammen. Dabei konnten wir die Bewirtschaftung verbessern, Genossenschaften in Best Practices schulen, Abfall reduzieren und so Erträge wie Qualität steigern. Gleichzeitig sichern wir damit eine stabile und nachvollziehbare Lieferkette. Die enge Zusammenarbeit mit Natura hat offenen Dialog und gemeinsames Handeln ermöglicht –mit spürbaren und nachhaltigen Verbesserungen entlang der gesamten Wertschöpfungsketten.
Ihr Rat an andere Unternehmen?
Symrise: Kooperation mit lokalen Organisationen – seien es Liefergemeinschaften, Vorverarbeitungsbetriebe oder Dienstleister – ist entscheidend, um eine Region wirklich zu verstehen und erfolgreich zu agieren. Transparente Kommunikation schafft Vertrauen und gegenseitiges Verständnis. Ebenso wichtig ist es, die lokalen Konsumenten genau zu kennen–weit über eine bloße Produktanpassung hinaus. Wer in Lateinamerika investiert, sollte dies mit dem Ziel tun, eine nachhaltige und inklusive Zukunft mitzugestalten. Das erfordert Geduld, Lernbereitschaft und langfristiges Engagement– bietet dafür aber die Chance, einen bleibenden positiven Einfluss zu hinterlassen.
Teamwork mit Tiefgang
Wie lief die Kooperation aus der Sicht von Natura?
Mauro (Natura): Die Projekte mit GIZ und Symrise sind klar strukturiert, mit definierten Zielen und messbaren Indikatoren. Dadurch läuft die Umsetzung sehr effektiv. Die Kooperation zwischen Institutionen mit unterschiedlichen Kompetenzen hat bereichsübergreifende Ergebnisse für Kooperativen hervorgebracht.
Was haben die Kooperativen davon?
Mauro: Die Partner-Kooperativen und -Verbände von Natura profitieren erheblich. Dazu zählen: eine verbesserte finanzielle und organisatorische Unternehmensführung, die Entwicklung sozialer Technologien für regionale Produkte (z. B. Geräte zum Aufbrechen von Nüssen oder Sortiertische), die Professionalisierung durch technische Schulungen, Erfahrungsaustausch zwischen Genossenschaften sowie die digitale Einbindung. Wege durchs Dickicht
Und die größte Hürde?
Carolina (Natura): Die Arbeit mit verschiedenen Gemeinschaften im Amazonas bringt logistische Hürden mit sich – sowohl zeitlich als auch finanziell. Um dennoch Qualität zu sichern, wurden hybride Schulungsmodelle eingeführt, Partnerschaften mit ortsansässigen Institutionen aufgebaut, regelmäßige Treffen mit regionalen Vertreter:innen organisiert und die Lösungen individuell an die Bedürfnisse der jeweiligen Kooperative angepasst. Wie lief es mit den deutschen Partnern?
Was raten Sie anderen Unternehmen?
Mauro (Natura): Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit verfolgt Ziele, die eng mit den Strategien von Natura verzahnt sind–etwa die Förderung nachhaltiger Entwicklung. Erfolgreich war vor allem die Kombination aus staatlichem und privatwirtschaftlichem Engagement, etwa beim Waldschutz, bei der Reduktion von Treibhausgasen, beim Schutz von Menschenrechten oder beim Aufbau nachhaltiger Wertschöpfungsketten. Nur durch gemeinsames Handeln mit Regierungen und Zivilgesellschaft lassen sich die Herausforderungen bewältigen und eine grünere, prosperierende Wirtschaft schaffen.
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